Wie die Pandemie Private Equity verändert
Von Jan Schinköth und Andreas Steiger *)Seit rund einem halben Jahr hat die Coronakrise die deutsche Wirtschaft nun im Griff und damit auch das Private-Equity-Geschäft auf den Kopf gestellt. Zeit für ein Zwischenfazit: Wie haben sich Private-Equity-Investoren auf die Veränderungen für das Transaktionsgeschäft durch Corona eingestellt? Wie steht es um die Portfoliounternehmen von Private-Equity-Investoren? Inwiefern verändert sich der Fokus im Hinblick auf zukünftige Akquisitionen im aktuellen Marktumfeld? Und wie hat sich die Coronakrise auf den Distressed-Markt ausgewirkt?Die Auswirkungen der Coronakrise auf den deutschen Transaktionsmarkt waren unmittelbar spürbar. So ist das Private-Equity-Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2020 in Vergleich zum vorherigen Halbjahr um rund 16 % auf 94 Transaktionen eingebrochen, was den niedrigsten Halbjahreswert seit 2016 darstellt. Die Zurückhaltung der Finanzinvestoren war verstärkt im zweiten Quartal spürbar: Während im ersten Quartal noch 56 Private-Equity-Transaktionen durchgeführt wurden, sank diese Zahl im zweiten Quartal auf nur noch 38 abgeschlossene Deals.Zurückzuführen ist dies auf die nicht vorhersehbare Entwicklung der Coronakrise und dementsprechend extreme Marktunsicherheiten, in deren Folge laufende M&A-Prozesse auf Eis gelegt oder komplett abgebrochen wurden. Vielfach wurden auch geplante Add-on-Akquisitionen für Portfoliounternehmen aufgeschoben. Des Weiteren zeigte sich eine zunehmende Zurückhaltung insbesondere auch bei den Exits: Im ersten Halbjahr 2020 kamen lediglich 14 Secondary Buyouts – also Verkäufe an andere Finanzinvestoren – zustande. Dies markiert den niedrigsten Wert seit dem ersten Halbjahr 2016. Bei den wenigen im zweiten Quartal noch durchgeführten Transaktionen handelte es sich vielfach um bereits lange vor dem Ausbruch der Coronakrise initiierte Prozesse, während neue Transaktionen nahezu vollständig ausgeblieben sind. Ein Börsengang kam im volatilen Marktumfeld der Coronakrise erst gar nicht zustande. LiquiditätssicherungViele Finanzinvestoren haben sich stattdessen in den letzten Monaten zunehmend auf die Unterstützung ihrer Portfoliounternehmen, insbesondere deren Liquiditätssicherung, fokussiert. Dies hat zweierlei Gründe: Zum einen führte die Abkühlung des Transaktionsmarktes zu fehlenden alternativen Opportunitäten. Zum anderen hat sich gezeigt, dass gerade Private-Equity-Portfoliounternehmen häufig aus strukturellen Gründen keinen Zugang zu den diversen Staatshilfeprogrammen in Form von garantierten Krediten haben, weshalb die krisenbedingten Liquiditätsengpässe vielfach durch die Finanzinvestoren selbst gedeckt werden mussten. Allerdings zeigt sich hier ein vorsichtig optimistisches Bild: Wenngleich die Coronakrise samt Shutdown natürlich auch die Private-Equity-Portfoliounternehmen hart getroffen hat, scheinen die meisten Gesellschaften nicht zuletzt dank der Unterstützungsmaßnahmen durch ihre Private-Equity-Eigentümer relativ gut dazustehen. Neben staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wie etwa dem Kurzarbeitergeld dürften derartige kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen mit ausschlaggebend dafür sein, dass – trotz einiger medienträchtiger Insolvenzen wie beispielsweise die der Steakhauskette Maredo – die Bilanz für Private Equity bisher besser ausfällt als erwartet.Interessant zu beobachten wird sein, wie sich auf Basis der bisher für die meisten Finanzinvestoren und ihre Portfoliounternehmen relativ glimpflich verlaufenen Krise das M&A-Geschäft bis Ende 2020 und im kommenden Jahr entwickeln wird. Durch die sich zunehmend lösende Schockstarre nach dem wirtschaftlichen Shutdown im Frühjahr 2020 dürfte der Private-Equity-Markt – soweit es nicht zu weiteren gravierenden Auswirkungen der Coronakrise kommt – im weiteren Jahresverlauf an Fahrt aufnehmen. Viele Verkaufsprozesse und Deals, die insbesondere im zweiten Quartal 2020 ausgesetzt wurden, sind weiterhin in der Pipeline und dürften vielfach in den nächsten Monaten wiederbelebt werden. Darüber hinaus brauchen viele Unternehmen in der aktuellen Situation (weitere) Liquidität und teilweise auch operative Unterstützung, um ihren Geschäftsbetrieb zu stabilisieren. Beides können Finanzinvestoren mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kontakten leisten.Die Anforderungen von Finanzinvestoren an die Qualität und Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen ist durch die Coronakrise sicher nicht geringer geworden. Der Fokus vieler Private-Equity-Investoren für ihr Neugeschäft liegt daher vielfach auf Sektoren, zu denen sie sich spezifisches Sektorwissen angeeignet haben und die auch vor der Coronakrise schon hoch im Kurs standen, wie beispielsweise Informationstechnologie/Software oder Healthcare. Coronaresistente Unternehmen oder Firmen aus diesen Branchen, die im Kern gesund sind und nur vorübergehende Liquiditätssorgen haben, werden unverändert großes Erwerbsinteresse bei Finanzinvestoren hervorrufenWährend anfangs damit zu rechnen war, dass in Folge der Pandemie vor allem der Restrukturierungsmarkt an Fahrt aufnimmt, zeigte sich bisher überraschenderweise ein differenziertes Bild: Zu Beginn der Krise fokussierten sich Private-Equity-Eigentümer wie Unternehmen verstärkt auf die Liquiditätssicherung. Neue Transaktionen sind zunächst auch aus diesem Grund ausgeblieben. Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass die bestehenden Unsicherheiten den Markt weiter gelähmt haben. Distressed-MarktSo ist insbesondere der Markt für notleidende Kredite, der regelmäßig Eingangstor für Distressed-Investoren ist, nach wie vor sehr ruhig. Das betrifft sowohl den Handel mit großen Non-Performing-Loan-Portfolios als auch den Sekundärmarkt für Einzeltitel, mit denen Distressed-Investoren gezielt in Krisenunternehmen investieren, um beispielsweise Loan-to-Own-Strategien vorzubereiten. Der Grund liegt vor allem darin, dass – neben den diesem Markt ohnehin inhärenten Prognoseunsicherheiten – durch die fehlende Vorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Coronakrise und der sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf kriselnde Unternehmen eine belastbare Preisfindung kaum möglich ist. Während die (wenigen) Angebote selten die von den Distressed-Investoren zusätzlich anzusetzenden Risikoabschläge widerspiegeln, ist es für Distressed-Investoren kaum möglich, robuste Prognosen zu erstellen und gute von schlechten Deals zu unterscheiden. Die wenigen Transaktionen im bisherigen Verlauf der Coronakrise beschränken sich weitgehend auf einmalige Opportunitäten, in die Investoren sehr gezielt bereit sind, ungeachtet der bestehenden Marktunsicherheiten zu investieren.Allerdings ist zu erwarten, dass sich das Marktumfeld im weiteren Verlauf des Jahres und spätestens Anfang 2021 signifikant ändern wird. Zum einen sitzen die Investoren auf Geld (“Dry Powder”), das derzeit häufig in öffentlich gehandelten Titeln geparkt ist, um schnell darauf Zugriff zu haben. Zum anderen werden Banken zeitnah damit beginnen, ihre Kreditportfolios um Problemkredite zu bereinigen und diese dem Markt anzubieten. Erste Non-Performing-Loan-Portfolios stehen bereits zum Verkauf und es ist zu erwarten, dass die Dynamik in diesem Marktsegment kurzfristig zunimmt. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass manche Unternehmen – wenn die kurzfristigen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen auslaufen – nicht mehr nachhaltig Tritt fassen. Diese Entwicklung wird Ende des Jahres weiter an Fahrt aufnehmen, wenn die von der Bundesregierung geplante Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen endet. Eine zunehmende Anzahl an Investoren wittert hier die Chance, nach dem stark verkäuferfreundlichen Marktumfeld der letzten Jahre zu attraktiven Konditionen Zielunternehmen erwerben zu können. Und so bleibt als Fazit festzuhalten: Jede Krise bietet bekanntermaßen Chancen und die Nachwehen der Coronakrise werden Private-Equity-Investoren sehr gute Investmentaussichten bescheren. *) Dr. Jan Schinköth ist Rechtsanwalt und Partner bei Sidley Austin in München. Andreas Steiger ist Rechtsanwalt der Kanzlei.