RECHT UND KAPITALMARKT

Wie Hedgefonds den M&A-Markt verändern

Wer löst den Wandel aus und wer profitiert davon? - Auf den ständigen Dialog mit den wichtigsten Investoren kommt es an

Wie Hedgefonds den M&A-Markt verändern

Von Achim Herfs *)Ende September 2018 kündigte Thyssenkrupp an, sich in Materials und Industrial Solutions aufzuspalten. Dieser größte Umbau in der 200-jährigen Unternehmensgeschichte wird allerdings nicht von Thyssenkrupp selbst getrieben, sondern maßgeblich von aktivistischen Aktionären, den Hedgefonds Cevian und Elliott, unterstützt oder geduldet von der Krupp-Stiftung als Großaktionär. Ausgelöst durch eine schlechte Geschäftsentwicklung war die Ankündigung der Endpunkt einer Kampagne, wie man sie bisher vornehmlich in den USA gesehen hatte. Dennoch ist Thyssenkrupp kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr gab es weltweit 726 Kampagnen von als Aktivisten bezeichneten Fonds, davon 138 in Europa. Für die Zukunft wird zumindest in Europa ein weiterer Anstieg erwartet. Sinkende Kurse lockenSinkende Börsenkurse machen Investments attraktiver. Kursanstiege aufgrund von Veränderungen im Geschäft sind einfacher zu erreichen. Indexfonds kontrollieren immer mehr Aktien. Sie sind zwar passive Investoren, interessieren sich aber zunehmend für Governance und operative Themen, weil höhere Kurse der im jeweiligen Index geführten Unternehmen auch zu höheren Einkommen aus Verwaltungsgebühren führen. Das gilt insbesondere für die drei größten Anbieter von Index- oder ETF-Fonds: BlackRock, Vanguard und State Street.Neben den Kampagnen für Veränderungen in der Governance, Änderungen der Kapitalstruktur, Auskehrung von Kapital an Aktionäre durch Dividenden oder Aktienrückkäufe zielen immer mehr Kampagnen auf M&A-Aktivitäten. 2018 gab es weltweit 253 Kampagnen von Hedgefonds im Zusammenhang mit M&A – das ist ein Rekord. Aufgrund der volatilen Märkte wird für das laufende Jahr ein weiterer Anstieg prognostiziert. Bei M&A-bezogenen Kampagnen lassen sich drei Arten unterscheiden: Verkauf oder Abspaltung von Geschäftsfeldern oder Aufspaltung in zwei selbständige Unternehmen – Beispiele sind Thyssenkrupp, aber auch Telecom Italia, wo Elliott 2018 einen “Boardroom Battle” über den Verkauf des Festnetzes begonnen hat, der zu einem Vorstandswechsel führte; die Verbesserung oder Verhinderung einer schon angekündigten Transaktion – ein prominentes Beispiel 2017 war der geplante Merger of Equals zwischen Clariant und der texanischen Huntsman; der aktivistische Investor White Thale bezweifelte den strategischen Sinn, die Transaktion wurde abgesagt; schließlich der Verkauf durch aktives Suchen nach einem Bieter.Aktivisten begründen die Forderung nach einem Verkauf oft mit dem Argument, dass eine Industriekonsolidierung stattfindet und die Gesellschaft allein zu schwach sei. Prominentes Beispiel war die Übernahme der US-Biomarktkette Whole Foods 2017 durch Amazon. Jana Partners, einer der großen aktivistischen Hedgefonds in den USA, war bei Whole Foods eingestiegen und verlangte angesichts des Preiskampfs in der US-Lebensmittelbranche einen Verkauf. Jana machte durch die Kampagne in wenigen Monaten einen Gewinn von rund 300 Mill. Dollar. Wie sie vorgehen Enttäuschende Kursentwicklung, geringe Rendite, kein stringentes Geschäftsmodell oder eine angekündigte Transaktion, die nicht positiv aufgenommen wurde – all dies sind Ansatzpunkte für Aktivisten. Der Aktivist in den USA kann drei Hebel nutzen, um Veränderungen durchzusetzen: Erstens kann er Öffentlichkeitsarbeit betreiben, beginnend mit einem Brief an den Board über Pressekampagnen bis zur Suche nach Unterstützung durch andere Aktionäre. Zweitens kann er Kampagnen gegen die Wiederwahl von Board-Mitgliedern starten. In den USA werden diese in der Regel jedes Jahr wiedergewählt. Im M&A-Kontext kann drittens ein weiterer Hebel entstehen, wenn die Transaktion der Zustimmung der Aktionäre bedarf, etwa bei einer Fusion oder der Ausgabe von mehr als 20 % neuer Aktien. Im Fall Huntsman/Clariant hatten sich die Aktivisten bei Clariant eingekauft, weil dort eine Zustimmung mit 75 % Mehrheit erforderlich war.In Deutschland funktionieren Öffentlichkeitskampagnen genauso wie in den USA. Sie wurden im Fall Thyssenkrupp auch effektiv angewandt. Die Einflussmöglichkeiten über Aufsichtsratswahlen sind aber in Deutschland wesentlich geringer, weil der Aufsichtsrat derzeit für fünf Jahre gewählt wird und Gremien mit abgestuften Laufzeiten eher selten sind. Allerdings empfiehlt der Entwurf des Corporate Governance Kodex Amtszeiten von nur noch drei Jahren. Steht keine Wahl an, kann der Aktivist nur die Abwahl von Aufsichtsratsmitgliedern beantragen. Um einen Beschlussgegenstand auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung setzen zu können, müssen Aktionäre 5 % des Aktienkapitals halten. Wird diese Schwelle nicht überschritten, haben Aktivisten kaum Drohpotenzial. Fragen, die die Strategie und das operative Geschäft betreffen, können nicht zur Abstimmung auf die Tagesordnung gesetzt, sondern nur im Rahmen des Tagesordnungspunkts Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat diskutiert werden. Bei Thyssenkrupp bewirkten die Aktivisten Veränderungen im Aufsichtsrat; die Vorsitzenden von Aufsichtsrat und Vorstand legten ihr Ämter nieder. Kommunikation zähltÜber M&A-Transaktionen stimmt die Hauptversammlung nur in zwei Fällen ab: Die Transaktion wird nach dem Umwandlungsgesetz umgesetzt, also in Form der Verschmelzung oder Abspaltung/Ausgliederung (Osram, Innogy, Uniper). In diesen Fällen ist eine 75-Prozent-Mehrheit erforderlich. Oder sie fällt in die Rubrik der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten, die der BGH in den Leitentscheidungen “Holzmüller” und “Gelatine” entwickelt hat. Die Transaktion muss die Gesellschaft wesentlich verändern. Kriterien sind Veränderungen von 80 % oder mehr bei Umsatz, Eigenkapital oder Aktiva. Bei Verkäufen wird selbst bei Überschreiten dieser Grenzen eine Zustimmung nicht für erforderlich gehalten, sofern der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand nicht unterschritten wird.Das wichtigste Angriffsmittel ist auch das wichtigste Abwehrmittel: Kommunikation. Gesellschaften sollten den ständigen Dialog mit ihren wichtigsten Investoren pflegen. Nicht nur Strategie und Geschäftsmodell, sondern auch M&A-Projekte sollten erklärt und validiert werden. Der Austausch mit den Investoren kann als Sounding Board genutzt werden. Aus dem Dialog können sich Ideen für wertschaffende Transaktionen ergeben, die der Vorstand bisher nicht auf der Agenda hatte. Nimmt er diese Ideen nicht auf, wird es ein Aktivist tun. Barbaren sind einmarschiertVor großen M&A-Transaktionen ist eine Validierung mit Investoren schwierig, weil sie der Ad-hoc-Pflicht unterliegen und strikte Vertraulichkeit gewahrt werden muss. Schließlich sollten Transaktionen, wenn möglich, so strukturiert werden, dass die Zustimmung von Aktionären nicht erforderlich ist, um Aktivisten kein Einfallstor zu geben.”Barbarians at the Gate” war der Titel eines Buchs und Films über die Übernahmeschlacht um das Tabak- und Lebensmittel-Konglomerat RJR Nabisco 1988. Mit der Mutter aller Buy-outs begann der Aufstieg von KKR zu einem der größten Finanzinvestoren. Auch hier ging es um die Trennung von vermeintlich nicht zueinanderpassenden Geschäften: Lebensmittel und Tabak. Auslöser der Transaktion war der trotz guter Ergebnisse niedrige Aktienkurs aufgrund des Konglomeratseffekts. In Gang gebracht wurde diese Transaktion nicht von Aktivisten, sondern durch den CEO, der zusammen mit Finanzinvestoren über einen Management Buy-out die schlechte Performance zu seinem Vorteil nutzen wollte. Der Rest ist Geschichte – die “Barbaren” sind einmarschiert.War das schlecht für die Aktionäre? Teilweise ja, weil die Übernehmer einen möglichst großen Teil des Gewinns aus der Neuordnung nicht mit den Aktionären teilen wollten. Sind Gesellschaften unterbewertet und nicht durch Großaktionäre oder sonstige Mechanismen geschützt, wird es zu Veränderungen kommen. Die große Menge an Kapital, das investiert werden kann, wird sich den Weg suchen. Die Frage ist nur, wer Veränderung auslöst und wer davon profitiert.—-*) Dr. Achim Herfs ist Partner bei Kirkland & Ellis.