Wie Steuerpflichtige straffrei durch die Coronakrise kommen
Herr Hoffmann, mit welchen steuerlichen Maßnahmen unterstützt der Fiskus Unternehmen während der Corona-Pandemie?Im Vordergrund stehen Hilfsmaßnahmen, mit denen die Liquidität der Steuerpflichtigen kurzfristig verbessert werden soll. Für Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer kommen unter erleichterten Voraussetzungen eine zinslose Stundung oder ein zeitweiliges Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen in Betracht. Bei der Lohnsteuer, die nicht gestundet werden kann, ist neben einem Vollstreckungsaufschub auch eine Verlängerung der Frist zur Abgabe der Lohnsteueranmeldung möglich. Daneben können die Vorauszahlungen zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie die Sondervorauszahlung zur Umsatzsteuer herabgesetzt werden. Sind für das Jahr 2020 Verluste zu erwarten, kommt eine Herabsetzung und Erstattung der Vorauszahlungen für das Jahr 2019 im Wege eines pauschalen Verlustrücktrags in Betracht. Einige Länder und Kommunen haben die Hilfsmaßnahmen auch auf andere Steuerarten erstreckt, etwa auf Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie auf Grund- und Grunderwerbsteuer. Zudem sieht die Zollverwaltung entsprechende Maßnahmen vor. An welche Voraussetzungen sind die Unterstützungen geknüpft?Die Hilfsmaßnahmen gelten nur für Steuerpflichtige, die “nachweislich von der Coronakrise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen” sind, etwa wegen Betätigungsverboten, Produktionsausfall aufgrund von Erkrankungen der Mitarbeiter und wohl auch aus Lieferengpässen oder wegen ausgebliebener Aufträge. Nicht unerheblich ist die Betroffenheit, wenn sie schwerwiegende negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen hat. Es handelt sich allerdings um unbestimmte Rechtsbegriffe, die in der Praxis durchaus zu Rechtsunsicherheit führen können. Welche Nachweise müssen Antragsteller vorlegen?Die Finanzverwaltung will keine strengen Anforderungen an die Nachprüfung der Voraussetzungen, insbesondere des entstandenen Schadens, stellen. Plausible Angaben reichen grundsätzlich aus. Finanzverwaltungen der Länder stellen Vordrucke bereit, die die Beantragung erleichtern und beschleunigen sollen. Wird die Berechtigung nachträglich kontrolliert?Es besteht immer das Risiko, dass das Vorliegen der Voraussetzungen etwa bei einer zukünftigen Außenprüfung überprüft wird. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Finanzbehörden nachträglich im Rahmen von Stichproben die Richtigkeit der Angaben überprüfen. In welchen Fällen kommt es zu steuerstrafrechtlichen Ermittlungen?Liegen die Voraussetzungen nicht vor und werden gleichwohl Hilfsmaßnahmen beantragt, stehen bei vorsätzlichem Handeln eine Steuerhinterziehung und bei leichtfertigem Handeln eine leichtfertige Steuerverkürzung im Raum. Auch eine Verletzung der Aufsichtspflicht des Inhabers des Betriebs oder Unternehmens kann in Betracht kommen, was als Ordnungswidrigkeit mit empfindlichen Geldbußen gegenüber Leitungspersonen, aber auch dem Unternehmen selbst geahndet werden kann. Wie können Strafbarkeitsrisiken vermieden werden?Das Vorliegen der Voraussetzungen ist vor Antragstellung sorgfältig zu prüfen, zu dokumentieren und idealerweise in ein bestehendes Tax Compliance Management System zu integrieren. Zweifelhafte Sachverhaltsaspekte sind der Behörde im Rahmen der Antragstellung offenzulegen, beispielsweise in einem Begleitschreiben zum Antrag. Wer von Anfang an mit offenen Karten spielt, kann Strafbarkeitsrisiken minimieren, sollte sich die rechtliche Einordnung nachträglich als unzutreffend erweisen. Was müssen Unternehmen darüber hinaus beachten, um steuerstraffrei durch die Coronakrise zu kommen?Wer nach Antragstellung feststellt, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme nicht vorlagen und dies zu einer Steuerverkürzung geführt hat, sollte die Finanzbehörden unverzüglich informieren, idealerweise in einer Form, die die Voraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllt. Ebenso sollte er die Finanzbehörden im Falle einer Besserung seiner wirtschaftlichen Situation vorsorglich informieren. Dr. Heiko Hoffmann ist Partner der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Helmut Kipp.