Portfolio - Gastbeitrag

Wie transparent sind Zertifikate?

Von Ingo Wegerich und Ralph Hellstern *) Börsen-Zeitung, 13.3.2010 Durch die bereits bestehende umfangreiche Regulierung von Zertifikaten und Hebelprodukten wird schon jetzt ein sehr hohes Maß an Transparenz gewährleistet. Sowohl das rechtlich...

Wie transparent sind Zertifikate?

Von Ingo Wegerich und Ralph Hellstern *)Durch die bereits bestehende umfangreiche Regulierung von Zertifikaten und Hebelprodukten wird schon jetzt ein sehr hohes Maß an Transparenz gewährleistet. Sowohl das rechtlich verbindliche Verkaufsdokument für ein öffentlich angebotenes Zertifikat, der Prospekt, als auch sonstiges Informationsmaterial eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens sind sehr detailliert reguliert.Der Prospekt bzw. die Zertifikatsbedingungen der Emissionshäuser sind umfangreich. So sieht das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) in § 3 WpPG vor, dass der Anbieter für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, einen Prospekt veröffentlichen muss. Der Begriff des öffentlichen Angebots ist sehr weit zu verstehen. So kann ein öffentliches Angebot eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise sein, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält (§ 2 Ziffer 4 WpPG). Entscheidung nach PrüfungDer Prospekt muss bereits mindestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots veröffentlicht werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG). Ein Prospekt darf jedoch erst veröffentlicht werden, wenn er zuvor von der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), gebilligt worden ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG). Über die Billigung wird von der BaFin nach Abschluss einer Vollständigkeits-, Verständlichkeits- und Kohärenzprüfung (Widerspruchsfreiheit) entschieden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG). Der Vollständigkeitsmaßstab bzw. die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind, bestimmen sich dabei nach der über 100 Seiten langen EU-ProspektVO einschließlich ihrer 19 Anhänge, vgl. § 7 WpPG.Das WpPG sieht in § 5 Abs. 1 vor, dass der Prospekt leicht analysierbar und verständlich sein muss und sämtliche Angaben im Hinblick auf den Emittenten und die Wertpapiere zu enthalten hat, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil zu ermöglichen. Jeder Prospekt muss zusätzlich eine Zusammenfassung enthalten, die die wesentlichen Merkmale und Risiken in Bezug auf den Emittenten und die Wertpapiere nennt (§ 5 Abs. 2 WpPG). Risikofaktoren offenlegenZu beachten ist, dass die Prüfungsfrist der BaFin für Wertpapierprospekte theoretisch auch unbegrenzt lange laufen kann. Im Grundsatz prüft die Aufsichtsbehörde so lange, bis der Prospekt mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmt (vgl. § 13 Abs. 3 WpPG). Die Vollständigkeitsprüfung umfasst auch die Darstellung der Risikofaktoren.So müssen beispielsweise auch die Risikofaktoren, die die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen, hervorgehoben offengelegt werden. Sämtliche Prospekte sind zu veröffentlichen und damit für jeden Anleger, der sich umfassend informieren will, auch erhältlich (vgl. § 14 Abs. 2 WpPG).]Das Prospektrecht sieht zudem umfassende Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde vor. Diese reichen von Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG) über Bekanntmachung von unanfechtbaren Maßnahmen (§ 25 WpPG) bis hin zu Geldbußen bis zur Höhe von 500 000 Euro (§ 30 WpPG).Gegenwärtig wird die EU-Prospektrichtlinie, auf der das WpPG basiert, überarbeitet. Aus jetziger Sicht wird es möglicherweise unter anderem bei der Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt “Key Investor Information” Änderungen geben. In die gleiche Richtung zielen auch die Arbeiten der EU-Kommission zu “Packaged Retail Investment Products”, die die Arbeiten an einem Kurzdokument zur Anlegerinformation, dem “Key Investor Information Document (KID)”, als Maßstab für die weitere Entwicklung verbesserter Informationspflichten ansieht. Neues Gesetz ist wichtigNichts anderes stellen die Emittenten dem Anleger bereits seit Jahren auf freiwilliger Basis in Form der Produktinformationen zu den jeweiligen Zertifikaten zur Verfügung. Diese Produktinformationen reihen sich in die Vielfalt der auf freiwilliger Basis gestellten Informationsquellen ein und belegen sehr deutlich die Anstrengungen der Emittenten, ein hohes Maß an Transparenz ihrer Produkte zu gewährleisten.Im Hinblick auf die Transparenz von Zertifikaten ist darüber hinaus auch das neue, am 5. August 2009 in Kraft getretene Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) von Bedeutung. Dieses sieht in § 3 SchVG vor, dass die Anleihebedingungen eine eindeutige und klare Ermittlung des Leistungsversprechens des Emittenten ermöglichen müssen. Maßstab ist der sachkundige Anleger. Konsequenzen eines Verstoßes können hier beispielsweise Schadenersatz und Nichtigkeit sein.Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof jüngst mit Entscheidung vom 30. Juni 2009 (Az.: XI ZR 364/08) entschieden, dass Emissionsbedingungen als allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Neben einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle des Prospektes (Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit) unterliegen die Emissionsbedingungen damit zusätzlich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch einer zivilrechtlichen gerichtlichen Inhaltskontrolle.Aber auch andere Informationsmaterialien wie die Werbung für Zertifikate und Hebelprodukte werden mittlerweile streng reguliert. Es gilt bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Gebot der redlichen, eindeutigen und nicht irreführenden Werbung (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Wertpapierhandelsgesetz WpHG). Dies wird durch die sogenannte Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) für Privatkunden in § 4 WpDVerOV noch einmal konkretisiert. Die gesetzlichen Vorschriften werden zudem durch die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde näher bestimmt. Vorbildliche BrancheHinzu kommen die vorbildlichen Anstrengungen des Deutschen Derivate Verbandes (DDV), der Interessenvertretung der Branche, und der Emittenten von strukturierten Wertpapieren, die Transparenz noch weiter zu erhöhen. So wird beispielsweise offensiv mit dem Emittentenrisiko umgegangen und es werden auf der Website des DDV die aktuellen Credit Ratings und Credit Spreads veröffentlicht.Der Derivate Kodex und die Produktklassifizierung des DDV tragen unter anderem darüber hinaus erheblich zur Förderung der Transparenz bei den Zertifikaten bei. Abschließend lässt sich festhalten, dass die strukturierten Produkte – insbesondere auch durch die hohe Regulierungsdichte – sehr transparent sind.—-*) Rechtsanwalt Ingo Wegerich ist Partner der Kanzlei BRP Renaud & Partner und leitet dort den Bereich Kapitalmarktrecht. Rechtsanwalt Ralph Hellstern ist im Bereich Kapitalmarktrecht der Kanzlei BRP Renaud & Partner tätig.