Wiederentdeckung der Biotechnologie
Von Armin Schmitz, Frankfurt Wer Biotechnologie hört, denkt zuerst an genverändertes Getreide, an Stammzellenforschung oder an gedopte Radrennfahrer. Doch die Biotechnologie ist ein wichtiges Zukunftsthema in der Medizin, in der Landwirtschaft und der Industrie. Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat sie zu einem Erkenntnisschub in der Wissenschaft und zu einer Vielzahl neuer, innovativer Anwendungen geführt. Nachdem man den Biotechsektor Anfang 2000 bereits als neues Zukunftsthema feierte, wurden die Aktien mehrere Jahre von vielen Anlegern gemieden. Die Biotechwerte gelten daher im Vergleich zu anderen Branchen als niedrig bewertet. Dabei kommt bereits jedes zweite zugelassene Medikament aus ihren Labors. Darüber hinaus hat die Biotech-Industrie nach Meinung vieler Experten eine Reihe junge Produkte auf dem Markt, die geschützt sind und noch keine Generika-Konkurrenz befürchten müssen. Das hat die Begehrlichkeiten der Pharmakonzerne geweckt: Bristol-Meyer will ihren Partner ImClone für 4,5 Mrd. Dollar übernehmen, Roche die ausstehenden Anteile der Tochter Genentech kaufen, Invitrogen setzt auf Applied Biosystems. Übernahmefantasie und steigende Gewinnen bei vielen etablierten Firmen ließen den Nasdaq Biotech seit Jahresanfang um 3 % zulegen. Damit schlug er den Pharmasektor deutlich. Wachsender KostendruckPharmaunternehmen spüren den Druck der Generikaproduzenten bei den Preisen und durch die auslaufenden Patente. Die Zahl der neuen Medikamente hat in den vergangenen Jahren tendenziell abgenommen. Zusätzlich leiden die Firmen unter dem wachsenden Kostendruck. Ohne die Innovationskraft von Biotechfirmen sind die von Anlegern erwarteten Umsatzrenditen nicht zu erreichen. Die Strategie großer Pharmakonzerne besteht darin, innovative Biotechlabore durch Vorauszahlungen oder Meilensteinzahlungen an sich zu binden und später zu übernehmen. Die große Zahl auslaufender Patente bringen die Pharmafirmen in Zugzwang. Bis 2012 werden fast 40 wichtige Präparate ihren Patentschutz verlieren. Die Aufwärtsbewegung im Nasdaq Biotech wird vor allem von den breit kapitalisierten Blue Chips wie Gilead Sciences getragen. Der Biotechkonzern ist mit einem Marktwert von 46 Mrd. Dollar nach Genentech und Amgen der größte Biotechwert, er gehörte im ersten Halbjahr 2008 zu den Favoriten der Anleger. Die Gesellschaft ist mit den Medikamenten Atripla, Emtriva, Truvada und Viread in der Behandlung von Aids aktiv. Der Wert ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für 2008 von 28 nicht mehr ganz preiswert. Analysten rechnen aber wegen der Markteinführung von Atripla in Europa für 2009 mit einer deutlichen Steigerung der Gewinne. Für 2009 wird ein KGV von 24 erwartet. Viread, bislang ein Präparat zur Behandlung von HIV-Patienten, hat nun auch von der US-Gesundheitsbehörde die Zulassung zur Therapie von Hepatitis B erhalten. Das sollte zusätzliche Umsätze generieren. Analysten rechnen in diesem Jahr mit einem Umsatzanstieg auf 600 Mill. Dollar, 2009 sollen 810 Mill. Dollar erreicht werden. Celgene konnte dank eines erfreulichen Geschäftsverlaufs seit Jahresanfang um 45 % vorrücken. Damit goutieren Anleger einen Umsatzanstieg von mehr als 50 % und eine Verdoppelung des Gewinns. Das Unternehmen hat sich auf Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen und Krankheiten des Immunsystems fokussiert. Erheblich zum Wachstum tragen die Therapeutika Revlimid und Thalomid bei, die bei der Behandlung von Leukämien (Blutkrebs) eingesetzt werden. Die hohe Bewertung mit einem für 2009 geschätzten KGV von 44 lässt sich mit der hohen Wachstumsdynamik rechtfertigen. Trotzdem sollte für den Einstieg eine Kurskorrektur abgewNartet werden. DiversifizierungDem Risiko einer Einzeltitelauswahl kann der Anleger mit aktiv und passiv gemanagten Produkten entgehen. Einer der besten Fonds ist der Pictet Biotech Fonds (LU0190161025). Das von Michael Sjöström betreute Portfolio erreichte seit Jahresanfang einen Wertzuwachs von 9,6 %. Er konnte damit seinen Referenzindex, den Nasdaq Biotech, um rund 6 Prozentpunkte schlagen. Seit September 2007 erreichte er einen Zuwachs von 13 % bei einer Volatilität von nur 15,9 %. Das Portfolio hat seinen Schwerpunkt vor allem auf US-Werte wie Amgen, Celgene und Gilead Science gesetzt. Sjöström konnte insbesondere von dem Übernahmeangebot von Roche an Genentech profitieren. Auf kleinere Biotechwerte setzt das DWS Go Medical Innovations Zertifikat (DE000DWS0H31). Das Produkt macht einen Spezialfonds (DWS Medical Innovations Fund SIF) handelbar, der in Deutschland nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassen ist. Dieser enthält Topunternehmen der Biopharmazeutik-Branche wie Acorda Theurapeutics, Alexion Pharmaceutical oder Imclone. Die Performance von 25 % über die vergangenen sechs Monate ist überraschend gut. Das Zertifikat sollte in einem Core-Satellite-Ansatz als Renditebeschleuniger genutzt werden.