Wir brauchen breiten Zugang zu finanzieller Bildung
Wir brauchen breiten Zugang zu finanzieller Bildung
Finanzbildung ist eine Frage der sozialen Chancengerechtigkeit – Nationale Finanzbildungsstrategie erforderlich
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ – diese Aussage des Psychotherapeuten und Kommunikationswissenschaftlers Paul Anton Watzlawick eignet sich im übertragenen Sinne auch dafür, die Bedeutung von Finanzwissen für unser modernes Leben herauszustreichen. In der heutigen Welt kann „man sich nicht nicht über Finanzen Gedanken machen“, anders ausgedrückt: Es fällt schwer, Finanzfragen zu ignorieren, denn sie prägen unseren Alltag zum Beispiel beim Thema Einkaufen, Miete, Lohn & Gehalt.
Finanzthemen haben aber nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Bedeutung, denn wichtige gesellschaftspolitische Fragestellungen haben zumindest auch eine finanzielle Komponente. Wenn es um das Thema Finanzbildung geht, haben wir in Deutschland allerdings noch Nachholbedarf. Es ist daher an der Zeit, die Bedeutung finanzieller Bildung hervorzuheben und Lösungen zu finden, um dieses fundamentale Wissen breiter zugänglich zu machen.
Finanzbildung ist eine Frage sozialer Chancengerechtigkeit. Heute ist es oft dem Zufall oder dem Elternhaus geschuldet, ob man nicht nur über finanzielle Mittel, sondern auch über Finanzwissen verfügt. Wer in der Lage ist, für sich selbst zu entscheiden und individuelle Finanzfragen zu beantworten, kann seine wirtschaftlichen Ziele formulieren, für das Alter vorsorgen und seinen ökonomischen Gestaltungsrahmen erweitern. Finanzbildung ist also Grundlage der persönlichen Entfaltung; sie ermöglicht es, individuelle Träume zu verwirklichen. Daher sollte es im Interesse aller politischen Akteure liegen, Finanzbildung zu fördern.
Gesellschaftlich relevant
Finanzbildung ist aber nicht nur für jeden Einzelnen relevant, sie ist auch aus gesellschaftlicher Perspektive von großer Bedeutung. Dies wird besonders deutlich, wenn wir die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Altersvorsorge betrachten. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2022 zeigt, dass sich knapp 30% der Deutschen um ihre Altersvorsorge sorgen. Die Misere des Rentensystems, geprägt von einer steigenden Zahl an Rentenempfängern und einem schrumpfenden Pool an Beitragszahlern, verdeutlicht die Dringlichkeit privater Altersvorsorge.
Allerdings ist in Deutschland der Anteil kapitalgedeckter, privater und betrieblicher Renten am Renteneinkommen äußerst niedrig, obwohl die Sparquote im Vergleich mit den europäischen Nachbarn überdurchschnittlich hoch ist. Zusätzlich fehlt es den Bürgerinnen und Bürgern oft am nötigen Finanzwissen: Nur 42% der Befragten einer Studie des Bankenverbandes können beispielsweise erklären, was ein Investmentfonds ist und lediglich 17% können erläutern, was ein Exchange Traded Fund (ETF) ist.
Finanzielle Bildung hilft dabei, Finanzentscheidungen zu treffen und finanzielle Risiken besser einzuschätzen, um mögliche folgenschwere Fehlentscheidungen zu vermeiden. Allerdings geben 40% der Befragten in der Studie des Bankenverbands an, sich in Geld- und Finanzfragen nicht gut auszukennen. Die Fähigkeit zur Kon-
trolle der eigenen Einnahmen und Ausgaben sowie Kenntnisse zur Geldanlage und Altersvorsorge sind wichtige Eckpfeiler einer gesunden Haushaltsführung. Doch Fragen wie: „Kann ich einer finanziellen Notlage vorbeugen?“ oder „Was hilft, wenn das Geld nicht mehr reicht?“ werden leider oft zu spät bedacht.
Schulfach „Wirtschaft“
Es ist bekannt, dass Deutschland in Sachen finanzieller Bildung seit Langem hinterherhinkt. Ein Teil der Lösung liegt in einem Schulfach „Wirtschaft“ mit dezidierten Elementen zur Finanzbildung im Lehrplan. Doch wir stehen bei der Finanzbildung noch am Anfang. Während in den meisten anderen OECD-Staaten (OECD steht für Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) bereits nationale Finanzbildungsstrategien implementiert wurden, hat Deutschland auf diesem Feld Nachholbedarf.
Rund zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler geben an, in der Schule wenig über Wirtschaft und Finanzen gelernt zu haben, und knapp drei Viertel wünschen sich ein Schulfach Wirtschaft. Die Politik hat dies nun auch erkannt: Themen wie Wirtschaft, Altersvorsorge oder Steuererklärungen kommen nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Schulunterricht zu kurz. In einem ersten Schritt hat die aktuelle Regierung deshalb die Initiative „Finanzielle Bildung“ gestartet, mit den Zielen, eine nationale Finanzbildungsstrategie zu entwickeln, ein Finanzbildungsportal zu errichten und die Forschung im Bereich der Finanzbildung voranzutreiben.
Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Etablierung einer nationalen Finanzbildungsstrategie bislang eher skizzenhaft. Was wir jetzt brauchen, sind konkrete und schnelle Schritte hin zu leicht zugänglicher Finanzbildung für alle Altersgruppen – und am besten auch Finanzbildung als festen Bestandteil in den deutschen Lehrplänen.
Private Bildungsangebote
Eine Offensive für Finanzwissen hat insbesondere dann Wirkung, wenn sie alle Bevölkerungsgruppen erreicht und Menschen jeden Alters, Geschlechts und unabhängig von ihrer Herkunft gleichermaßen anspricht. Finanzbildung darf daher nicht nur eine Aufgabe der Schule sein, sie braucht vielmehr breite politische Unterstützung. Private Bildungsangebote leisten hier einen weiteren wichtigen Beitrag. So bietet der Bankenverband Mitte beispielsweise seit über 20 Jahren Seminare für Lehrkräfte in Kooperation mit der Frankfurt School of Finance & Management an.
Der Bundesverband deutscher Banken stellt nicht nur Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, sondern betreibt mit „Schulbanker“ seit nunmehr 25 Jahren ein Planspiel für Schülerinnen und Schüler, die damit spielerisch die Grundlagen der Wirtschaft kennenlernen und unternehmerische Entscheidungen treffen. Auf europäischer Ebene kooperiert der Verband mit dem europäischen Bankenverband EBF beim European Money Quiz, dem größten europaweiten Wettbewerb zur Förderung der Finanzbildung von Jugendlichen.
Wir verfolgen dabei ein gemeinsames Ziel: Jugendliche sollen befähigt werden, in finanziellen Angelegenheiten selbstbestimmte und sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Es liegt an uns allen, dieses Ziel zu unterstützen und finanzielle Bildung zu einer Priorität für jeden einzelnen Bürger zu machen.