PORTFOLIO

Zeitzeugen der deutschen Inflation

Geldentwertung ist ein Trauma der Deutschen - Historische Inflationsanleihen sind eine Mahnung, für Geldwertstabilität zu sorgen

Zeitzeugen der deutschen Inflation

Die Geldschwemme der Notenbanken in Europa, Japan und den USA hat die Angst der Deutschen vor einer Beschleunigung der Inflation verstärkt. Gold und Immobilien haben sich hierzulande zu Verkaufsrennern entwickelt. Die 20er Jahre gelten als Geburtsstunde des Inflationstraumas. Die historischen Inflationsanleihen aus dieser Phase sind Zeitzeugen einer der radikalsten Geldentwertungen in den großen Industriestaaten.Von Armin Schmitz, FrankfurtObwohl es kaum noch Zeitzeugen in Deutschland gibt, hat sie sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt: die Inflation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Erinnerung, die bis in die Jetztzeit anhält. Nicht anders ist die Furcht der Bürger vor den Auswirkungen der Geldpolitik der Notenbanken in Europa, Japan und den USA zu erklären. Wie keine andere Nation fürchten die Deutschen eine Beschleunigung der Teuerungsraten wie in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Ein Blick zurück zeigt, dass die Preissteigerungen beeindruckend waren. Kostete das Briefporto Ende 1918 noch 15 Pfennig, musste der Deutsche Anfang August 1923 bereits 1000 Mark für die Briefmarke berappen. Anfang November 1923 waren dann sogar 1 Bill. Mark. Teure GrundnahrungsmittelDie rapide steigende Teuerung ergriff alle Bereiche des täglichen Lebens. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg musste eine deutsche Hausfrau für ein Ei nur Pfennigbeträge aufbringen. Ende Juni 1923 waren es dann 800 Reichsmark, Ende Dezember 1923 mehr als 300 Mrd. Reichsmark. Ein Liter Milch kostete rund 350 Mrd. Reichsmark, für ein Kilogramm Kartoffeln musste die Hausfrau schon fast 100 Mrd. Reichsmark bezahlen. Die Mitgliedschaft im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club ADAC kostete seinerzeit 100 Mill. Mark (siehe Abbildung). Unvergessen sind die Bilder von Frauen, die mit Schubkarren voller Papiergeld zum Einkaufen gingen.Die Entwicklung der Realeinkommen konnte mit der Entwicklung der Preise nicht Schritt halten. Aufgrund der rasanten Geschwindigkeit der Geldentwertung war das Misstrauen gegenüber Papiergeld groß. Der Tauschhandel blühte. Die Kurse am Aktienmarkt stiegen massiv an.In Deutschland stieg der Aktienindex des Statistischen Reichsamtes nach Angaben der Schöllerbank raketenartig bis auf 26,9 Bill. Papiermark im Dezember 1923 an, die Feinunze Gold notierte bei 86,8 Bill. Mark pro Feinunze. Erst mit der Einführung einer neuen Währung, der Rentenmark, Ende 1923 hatten die Preissteigerungen ein Ende.Zusätzliche Hilfe kam durch die Amerikaner, und zwar mit Hilfe des von dem Amerikaner Charles Dawes erdachten Plans, der die Reparationszahlungen Deutschlands an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges regelte.Ein ganzes Bündel an Ursachen war letztlich für die vorangegangene massive Geldentwertung verantwortlich. So wurde die gesetzliche Noteneinlösungspflicht der Reichsbank aufgehoben. Dadurch konnte der Bürger nicht mehr von seiner Bank verlangen, dass der Gegenwert seiner Banknoten in Münzen ausgezahlt wird. Der Staat hatte sich Möglichkeiten zur Schuldenaufnahme und zur Vermehrung der Geldmenge geschaffen, indem er den Goldanker aufhob. Damit musste ein Drittel der Banknoten nicht mehr durch Goldreserven gedeckt sein. Letztlich sollte diese Form der Geldvermehrung durch die Ausgabe von Anleihen finanziert werden. Da sich die Reichsregierung sehr siegessicher war, bestand der Plan, diese Anleihen durch die Reparationszahlungen der Kriegsverlierer abzulösen. Verbrauchsgüter sind knappAnders als von den deutschen Politikern erwartet, verlor Deutschland den Krieg und musste dann selbst Reparationen zahlen. Die Mittel besorgte sich der Staat über das verstärkte Drucken von Geld. Das erfolgte durch die Ausgabe von Schatzanweisungen. Diese kurzfristigen Anleihen sollten durch die Ausgabe von Kriegsanleihen finanziert werden. Zusätzlich kam es nicht zuletzt wegen der Kriegsfolgen zu einer Verknappung der Verbrauchsgüter. Das sorgte für zusätzliche Preissteigerungen. Um Unruhen zu vermeiden, wurden die Löhne von Arbeitern und Angestellten der Preisentwicklung entsprechend angepasst. Inflation und Währungsumstellung hatten dafür gesorgt, dass die Schatzanweisungen und Kriegsanleihen des deutschen Reiches quasi wertlos waren. Es war also die deutsche Bevölkerung, die schließlich die Schulden des Ersten Weltkrieges bezahlte. Warten auf die EntdeckungDie gedruckten Anleihen aus dieser Zeit sind heute Relikte der größten Geldentwertung, die die Deutschen je erlebt haben. “Diese Papiere sind die Erklärung dafür, warum wir Deutsche und so schwertun mit der aktuellen expansiven oder soll ich besser sagen: explosiven Geldpolitik der Notenbanken”, sagt Matthias Schmitt vom Auktionshaus HWPH Historisches Wertpapierhaus. Auch wenn die Preise für viele Antiquitäten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind, warten die deutschen Inflationsanleihen aus der Hochzeit der Inflation immer noch auf ihre Entdeckung.”Eigentlich sollte eine solche Anleihe als Mahnung an das hohe Gut der Geldwertstabilität in jedem Büro eines Zentralbankers hängen”, sagt Schmitt. Da mit diesen historischen Anleihen keine Werte mehr verbunden sind, werden sie auch Nonvaleurs genannt. Sammler können die Inflationsanleihen aus den zwanziger Jahren auf dem Markt für historische Wertpapiere zu Preisen von bis zu 30 Euro finden.