ANLAGEPRODUKTE - GASTBEITRAG

Zertifikate mit verständlichen Auszahlungsprofilen bevorzugen

Börsen-Zeitung, 11.10.2012 Die Schallmauer ist durchbrochen. 22 Jahre nach der Emission des ersten Zertifikats sind an den deutschen Börsen eine Million Derivate - Anlagezertifikate und Hebelpapiere - notiert. Das sind doppelt so viele wie noch vor...

Zertifikate mit verständlichen Auszahlungsprofilen bevorzugen

Die Schallmauer ist durchbrochen. 22 Jahre nach der Emission des ersten Zertifikats sind an den deutschen Börsen eine Million Derivate – Anlagezertifikate und Hebelpapiere – notiert. Das sind doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. Die Entwicklung war absehbar. Denn die Derivatebranche ist bekannt für ihren Einfallsreichtum und die schnelle Produktion dieser Investmentvehikel.Für Anleger stellt sich nun aber die Frage: Brauchen wir die wirklich alle? Einerseits: Von einer Million Produkten werden gerade einmal 20 % gehandelt. Das heißt: Ein Großteil der Papiere scheint die Anleger überhaupt nicht zu interessieren. Sinnvoller wäre es, sich nach dem Bedarf der Anleger zu richten. Wünschenswerter wäre es, dass Emittenten in der Regel auch Umsatz mit ihren Emissionen machen. Datenqualität leidetWeiterhin zieht die Emissionsflut noch einen technischen Aspekt nach sich: Durch die Vielzahl der Produkte wird die Preisstellung für die Emittenten aufwändiger und komplexer. Gerade in volatilen Zeiten könnte dies die Datenqualität beeinträchtigen, falls die computerbasierten Systeme nicht mehr hinterherkommen sollten.Andererseits: Wie bei anderen Produkten auch übersteigt das Angebot zwar den eigentlichen Bedarf des Konsumenten. Wer braucht schon all die verschiedenen Autos, Joghurt-Sorten oder Schuhe, die der Markt bietet? Wer aber bei der Produktauswahl weiß, was er will, dem wird es nicht groß kümmern, wie viele Papiere der Markt insgesamt bietet. Ob 10 000, 100 000 oder gar 1 000 000 Produkte – Anleger müssen die für sie geeigneten Papiere sowieso herausfiltern.Und: Bei mehr als der Hälfte der angebotenen Produkte handelt es sich um Hebelpapiere. Sie richten sich in erster Linie an Selbstentscheider, die in der Regel genau wissen, was sie wollen und wie sie das geeignete Produkt finden. In diese Papiere ist zugleich nur rund 1 % des Marktvolumens investiert – sie spielen also hinsichtlich des Gesamtvolumens nur eine geringe Rolle. Die restlichen 99 % entfallen auf Anlagezertifikate, die überwiegend über den Filialvertrieb der Banken, also mit Beratung, verkauft werden. Einfachheit ist KriteriumDer beste Tipp, den es bei Anlageprodukten gibt, stammt von der lebenden Investmentlegende Warren Buffett: “Kaufe nur, was du verstehst!” Es gibt genug einfache Zertifikate mit klar verständlichen Auszahlungsprofilen. Warum sollten also Anleger Produkte kaufen, die sie nicht verstehen? Wer etwa bei der Lektüre eines zwei- bis dreiseitigen Produktinformationsblatts länger ins Grübeln kommt und sich fragt, wie das entsprechende Zertifikat funktioniert oder welchen Nutzen es hat, sollte sich vielleicht lieber für ein anderes Produkt entscheiden.Aus der Masse der angebotenen Papiere lassen sich genug Produkte heraussuchen, deren Nutzen zweifelhaft erscheint. Beispielsweise Zertifikate, die darauf setzen, dass sich mehrere Basiswerte, also etwa mehrere Aktien oder Indizes, in die gleiche Richtung entwickeln. Für Privatanleger – und nicht nur für die – ist es oft schwierig zu beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass diese Konstellation eintritt.Oder Alpha-Strategien, bei denen Anleger von der Outperformance eines Kursindex wie dem DivDax gegenüber einem Performanceindex wie dem Dax profitieren sollen. Der Anleger hat hier von vornherein schlechte Karten, da die Dividenden nicht in den Kursindex einfließen. Passende Produkte findenEin einfaches Zertifikat mit einem klaren Auszahlungsversprechen hat hingegen mehr Charme. Nehmen wir ein klassisches Bonuszertifikat: Solange der Basiswert während der Laufzeit die Barriere, die unter dem aktuellen Kurs liegt, nicht berührt oder unterschreitet, erhalten Anleger eine festgelegte Bonuszahlung. Wird die Barriere verletzt, entwickelt sich der Kurs des Zertifikats eins zu eins zum Basiswert.Für jede Investmententscheidung gilt: Anleger sollten die Finanzprodukte verstehen und sich über ihre Risikoneigung und ihre Marktmeinung im Klaren sein. Aus der Masse der Papiere lassen sich schnell die zu einem passenden Produkte finden. Hilfe bei der Auswahl bieten etwa Finanzportale im Internet. Dort können Anleger die Papiere nach Basiswert, Laufzeit, Renditeziel und Zertifikatetyp selektieren. Auf liquide Basiswerte setzenEinen Vorteil hat das große Produktangebot am Derivatemarkt dabei: Anleger können sich bei Produkten mit identischen Ausstattungen das preiswerteste Papier heraussuchen. Das geht besonders gut bei verbreiteten Zertifikatetypen wie Aktienanleihen sowie, Bonus- und Express-Zertifikaten, die auf einen liquiden Basiswert setzen, da hier das Angebot der Emittenten am größten ist.Das erste Zertifikat, das 1990 auf den Markt kam, war übrigens ein Indexpapier auf den Dax. Dessen Funktionsweise lässt sich recht einfach mit zwei Sätzen erklären: Anleger können mit dem Zertifikat ihr Investment auf die 30 deutschen Blue Chips verteilen. Der Kurs des Papiers entwickelt sich eins zu eins zum Dax. Einfach genial.