Asset Management

Zertifikate müssten ihre Stimmrechte suchen

Commerzbank will im Einzelfall abstimmen - SEB Invest fordert "Dammbruch" für Aktienkultur - Emittenten halten kaum Aktien

Zertifikate müssten ihre Stimmrechte suchen

Von Christina Rathmann, FrankfurtNach den Fondsgesellschaften rücken nun die Emittenten von Zertifikaten in den Blickpunkt, wenn es um die Vertretung von Anlegerinteressen gegenüber Aktiengesellschaften geht. Der Vorstandssprecher der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, jedenfalls sagte bei der Hauptversammlung (HV) seines Instituts, dass derzeit überprüft werde, ob auch für die Aktien im Handelsbestand die Stimmrechte genutzt werden können. Diese würden bisher in der Regel nicht ausgeübt. Im Handelsbestand befinden sich auch diejenigen Aktien, die als Underlying für die von der Bank begebenen Zertifikate eingesetzt werden können. “Mit dieser Frage sind wir gerade neu befasst”, berichtete Müller.Angestoßen wurde die Diskussion von Thomas Körfgen, dem Leiter des Aktienfondsmanagements von SEB Invest. Einem “Dammbruch käme es gleich, wenn die Commerzbank, als eines der großen Zertifikatehäuser Deutschlands, auch die Rechte der für die Zertifikate gehaltenen Aktien aktiv und offensiv auf Hauptversammlungen vertreten würde”, sagte Körfgen bei der HV in der vergangenen Woche. “Das wäre für die Aktienkultur und das Ansehen des Finanzplatzes Deutschland nach den vielen Rückschlägen der vergangenen Jahre nicht nur ein Lichtblick, das wäre fast schon revolutionär.” Während sich die im Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) zusammengeschlossenen Fondsgesellschaften Wohlverhaltensregeln als freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt haben, gibt es entsprechende Vorgaben für Zertifikateemittenten nicht. Auch die Fondsgesellschaften nehmen ihre Interessen als Aktionäre sehr unterschiedlich wahr: Manche melden sich bei den HVs zu Wort, andere nicht; alle aber müssen mindestens von ihren Stimmrechten Gebrauch machen (siehe Artikel auf dieser Seite). Zertifikate sind in den vergangenen Jahren zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Fonds im Neugeschäft herangewachsen. In dieser Branche befindet sich die Diskussion über die Stimmrechtswahrnehmung aber noch auf einer Stufe darunter. Die Frage ist, ob die Stimmrechte für Aktien, die als Underlying für Zertifikate dienen, überhaupt ausgeübt werden – oder ob sie schlicht verfallen. Hohes VolumenDas Volumen des Zertifikatemarkts in Deutschland wird auf 52 bis 57 Mrd. Euro geschätzt. Mit konkreten Angaben halten sich die Emittenten sehr zurück. Doch wendet man die Zahlen der fünf im Derivate Forum zusammengeschlossenen Emittenten – Deutsche Bank, DZ Bank, HypoVereinsbank, Sal. Oppenheim und WestLB – auf den Gesamtmarkt an, so dürfte sich das Volumen der Aktien-bezogenen Zertifikate auf 44 bis 48 Mrd. Euro belaufen. Dies nimmt sich im Vergleich zu den in Publikumsfonds liegenden Aktien (ca. 150 Mrd. Euro) zwar eher gering aus, entspricht aber immerhin der Hälfte aller Aktienanlagen der deutschen Versicherungswirtschaft. Wo sind die Aktien?Um die Stimmrechte der mit ihren Zertifikaten verbundenen Aktien kümmern sich die Emittenten bisher nicht. Doch meist wissen sie auch gar nicht, wo die Aktien überhaupt liegen, die letztlich hinter ihrem Produkt stehen. “Ein Dax-Zertifikat wird in der Regel mit einem Dax-Future gehedgt, nicht mit Aktien der 30 Dax-Werte”, erläutert Alexander Klatt, bei der Citigroup zuständig für den Retail-Vertrieb der Produkte in Europa. “Derivate werden mit Derivaten gehedgt.” Ähnlich klingt es bei der DZ Bank: “Bei uns wird ein so geringer Prozentsatz des ausstehenden Zertifikatevolumens tatsächlich mit Aktien abgebildet, dass sich die Ausübung von Stimmrechten nicht lohnen würde”, sagt Bodo Gauer, bei der DZ Bank für das Produktmarketing verantwortlich. Genaue Angaben zum Volumen der Aktien-Underlyings im Verhältnis zum Umfang der Aktien-bezogenen Zertifikate machen die Emittenten nicht. Anders als bei Investmentfonds, die zu einem großen Teil langfristig investieren, ändere sich das Zertifikatespektrum sehr schnell, erläutert Wolfgang Gerhardt von Sal. Oppenheim. “Im Rahmen des dynamischen Hedging für unsere Zertifikate hängt das Volumen der unterliegenden Absicherungsinstrumente von der Nachfrage nach dem Produkt ab”, sagt Gerhardt. “Wie der Hedge konkret durchgeführt wird, hängt von den jeweiligen Marktbedingungen ab. Er wird sowohl durch Geschäfte im Kassamarkt des jeweiligen Basiswertes als auch an den Optionsmärkten durchgeführt.” Zwar ist in den vergangenen Monaten nach Angaben des Derivate Forums die Nachfrage nach Renten-, Währungs- oder Rohstoff-bezogenen Zertifikaten sprunghaft angestiegen. Doch Aktien-bezogene Anlageprodukte sind mit einem Anteil von 85 % am ausstehenden Volumen noch immer die absolut führende Assetklasse. Überlegungen, ob Vorgaben für die Ausübung von Stimmrechten – soweit vorhanden – gemacht werden sollten, gibt es in den beiden Zusammenschlüssen, in denen die Zertifikateanbieter vertreten sind, bisher offenbar nicht. Auch die Commerzbank behält sich bisher nach den Worten ihres Vorstandsvorsitzenden Müller lediglich in Einzelfällen das Recht vor, Stimmrechte für Aktien im Handelsbestand wahrzunehmen.