Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Thomas Lübbig

Zinsabsprachen am Pranger

Britische Banken im Visier der Kartellbehörde - Hohe Geldbuße für RBS

Zinsabsprachen am Pranger

– Herr Dr. Lübbig, die Royal Bank of Scotland hat Ende März in Großbritannien ein Bußgeld von 28,5 Mill. Pfund zahlen müssen, weil sie vertrauliche Informationen über die Preisbildung, sprich Zinsen, für Unternehmenskredite an die Konkurrentin Barclays weitergegeben hat. Was ist der Hintergrund?Die britische Kartellbehörde, das Office of Fair Trading (OFT), stellte fest, dass die Royal Bank of Scotland zwischen Oktober 2007 und Februar/März 2008 Mitarbeitern von der Barclays Bank vertrauliche Informationen über zukünftiges Preisverhalten im Kreditgeschäft mitgeteilt hat. Genauer gesagt ging es um die Zinspolitik im Kreditgeschäft für unternehmensnahe Dienstleister, also Rechtsberater, Wirtschaftsprüfer und Immobiliendienstleister. In diesem Segment sind RBS und Barclays die wichtigsten Anbieter. Das Besondere ist, dass Barclays diesen Sachverhalt im Rahmen des Kronzeugenprogramms des OFT offengelegt hat.- Mit welchen Folgen?Die Behörde konnte RBS dadurch einfacher verurteilen. Da RBS nach Eröffnung des Verfahrens ebenfalls mit der Kartellbehörde kooperierte, wurde die Geldbuße von ursprünglich 33,6 Mill. Pfund auf 28,5 Mill. reduziert.- Ein stolzer Betrag . . .Auch wenn diese Geldbuße für einen lediglich halbjährigen Rechtsverstoß auf den ersten Blick hoch erscheinen mag, muss man berücksichtigen, dass sehr hohe Geldbußen heutzutage zum Tagesgeschehen gehören. Im Verhältnis zu anderen Geldbußenentscheidungen fallen die 28,5 Mill. Pfund damit keineswegs aus dem Rahmen.- Steht nun auch Barclays am Pranger?Barclays steht nicht am Pranger, obwohl das Unternehmen an der Informationsvermittlung beteiligt war. Da Barclays den Rechtsverstoß jedoch aufgedeckt hat, kommt die Bank in den vollen Genuss des Kronzeugenprogramms (“leniency policy”) und damit einer Befreiung von Geldbußen. Ganz im Gegenteil zur Prangerwirkung ermutigen die Kartellbehörden weltweit Industrie und Dienstleistungsgewerbe gerade dazu, Kronzeugenprogramme in Anspruch zu nehmen.- Wird das als schlechter Stil gebrandmarkt?Die Zeiten, in denen Kronzeugenanträge in Industriezirkeln als schlechter Stil galten, sind lange vorbei. Angesichts der extrem hohen Geldbußenandrohungen fällt es jedem Unternehmensvorstand schwer, den Versuchungen der Geldbußenfreiheit nach den Kronzeugenregeln zu widerstehen.- Ist dieser Vorgang bislang ein Einzelfall in Europa?Die Kronzeugenregelung im Kartellrecht ist seit Mitte der neunziger Jahre in Europa weit verbreitet. Daher kann man nicht von einem Einzelfall sprechen. Im Banksektor hat es dies in dieser Form aber bisher nicht gegeben. Hierzu muss man allerdings sagen, dass es insgesamt sehr wenige Geldbußenverfahren wegen Kartellrechtsverstößen im Banksektor gibt. Manchen ist vielleicht noch das im Jahre 2002 beendete Verfahren der Kommission gegen den österreichischen “Lombard Club” in Erinnerung, der allerdings ein wenig prähistorischen Charakter hat und aus einer Zeit stammt, in der das Bewusstsein für die Bedeutung des Wettbewerbsgedankens im österreichischen Bankensektor wohl noch keine große Verbreitung erlangt hatte.- Kann der Vorgang Signalwirkung für Deutschland haben?Signalwirkung wird diese Entscheidung in Deutschland wahrscheinlich nicht haben. Kronzeugenverfahren dieser Art sind in Deutschland völlig üblich und akzeptiert. Den einen oder anderen mag die Kartellabsprache selbst verwundert haben, die sich hier auf einen relativ spezialisierten Ausschnitt des Kreditmarkts bezog. Ob vergleichbare Situationen auch in Deutschland bestehen könnten, ist nicht bekannt. Generell gilt der deutsche Bankenmarkt als sehr viel stärker fragmentiert als andere Finanzmärkte, wie etwa Großbritannien oder die Niederlande.- Wie können sich Kreditinstitute schützen?Kreditinstitute können sich in erster Linie durch eine aktive Schulung ihrer Mitarbeiter, Compliance-Programme und erforderlichenfalls auch interne Kontrollen schützen. Wird ein Kartellrechtsverstoß aufgedeckt, so besteht auch in Deutschland die Möglichkeit, im Rahmen des sogenannten Bonusprogramms des Bundeskartellamts oder aber auch vergleichbarer Regeln der Europäischen Kommission Geldbußenfreiheit zu erlangen, wenn die Kartellbehörden zu diesem Zeitpunkt noch keine hinreichende Kenntnis von diesen Verstößen haben.—-Dr. Thomas Lübbig ist Partner im Berliner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.