ASSET MANAGEMENT - ALTERSVORSORGE IM VERGLEICH (TEIL 11 )

Zögerliche Reformen der Altersvorsorge in der Türkei

Demografische Struktur ist noch von Vorteil

Zögerliche Reformen der Altersvorsorge in der Türkei

Von Julia Roebke, Frankfurt Die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union laufen offiziell seit dem Jahr 2005. Doch vergleicht man die Herausforderungen für die Altersvorsorgesysteme der EU-Länder mit den Problemen, die in der Türkei zutage treten, dann zeigen sie noch nachhaltige Unterschiede. Während sich Euro-Kernländer wie Deutschland oder Frankreich Gedanken über die Auswirkungen einer alternden Gesellschaft auf das Rentensystem machen müssen, hat das Schwellenland Türkei andere Sorgen. Hier ist es insbesondere die ausgeprägte Schattenwirtschaft, die die Einzahlungen in das umlagefinanzierte Altersvorsorgesystem zu gering ausfallen lassen. Hinzu kommt, dass die Politik zwar den drängenden Reformbedarf erkannt hat, allein die bisher angestoßenen Änderungen sind zögerlich. Geringere LebenserwartungLuft verschafft der Regierung dabei die weiterhin vorteilhafte demografische Entwicklung. “Die Türkei hat im OECD-Durchschnitt hohe Geburtenraten”, berichtet Kathrin Nies, die sich bei der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors (AGI) im Bereich International Pensions mit den Eigenheiten der Altersvorsorge in der Türkei befasst. Zudem sei die Lebenserwartung im Schnitt sieben Jahre geringer als in Deutschland, Männer werden 69 und Frauen erreichen im Durchschnitt das 74. Lebensjahr. Doch auch in Sachen Demografie ziehen bereits dunkle Wolken auf: “Wir gehen davon aus, dass sich der Altenquotient, also die Zahl der Personen über 65 und jünger als 15 geteilt durch die Zahl der Personen zwischen 14 und 65, in den nächsten 40 Jahren in der Türkei mehr als verdreifachen wird”, erläutert Nies.Trotz der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zeigte sich bereits Ende der neunziger Jahre, dass das Altersvorsorgesystem in der damaligen Form an die Grenzen der Belastbarkeit stieß. Hintergrund war eine damals noch sehr großzügige Versorgung, die zum Teil schon in jungen Jahren griff. “Daraus resultierte, dass viele Arbeiter bereits mit Anfang 40 offiziell in den Ruhestand wechselten, allerdings weiterhin schwarz für ihr Unternehmen tätig waren”, berichtet Nies.Im Jahre 1999 erkannte denn auch die Regierung, dass die Leistungen bis dato zu generös waren und untragbar zu werden drohten. Es folgten mehrere Reformen, die allerdings zum Großteil in der Umsetzung starken zeitlichen Verzögerungen unterliegen. So wurde 1999 beschlossen, das Renteneintrittsalter phasenweise bis zum Jahr 2009 auf 60 für Männer und 58 Jahre für Frauen zu erhöhen. Nach Einspruch des obersten Gerichts wurde die Überbrückungsphase aber nochmals verlängert, jetzt wird das höhere Renteneintrittsalter erst von 2021 an voll wirksam. Auch Pläne zur Einführung einer privat finanzierten Zusatzrente blieben bislang in den Kinderschuhen stecken. “Nach den jüngsten Statistiken sorgen nur rund 4 % der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter zusätzlich privat vor”, berichtet die AGI-Expertin.”Das größte Problem für das Altersvorsorgesystem der Türkei bleibt allerdings die Schwarzarbeit”, ist Nies überzeugt. In dem Land trage die Landwirtschaft weiterhin 26 % zum Bruttoinlandsprodukt bei, und typischerweise seien rund 85 % der in diesem Sektor Beschäftigten nicht offiziell angestellt, berichtet die Ökonomin. “Das ist nicht untypisch für ein Schwellenland.” Auch die Regierung hat erkannt, dass die Verbreiterung der Basis bei den Einzahlern wohl die wichtigste Aufgabe bei der Reform der Altersvorsorgesysteme ist. Dazu hat sie 2006 den Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung von vormals 11 % auf 6 % des Bruttolohns beschränkt, die Differenz zahlt nun der Staat.—-Zuletzt erschienen:- Kursverluste lassen US-Rentner zittern (4.10.)