RECHT UND KAPITALMARKT

Zu teure Dispokredite?

Vorschriften verhindern verursachergerechte Kostenbelastung - Für Standarddienstleistungen anlassbezogene Entgeltberechnung

Zu teure Dispokredite?

Von Christian Faßbender *)Banken stehen wegen der Zinsen für Dispokredite in der Kritik: Das Bundesverbraucherschutzministerium und Verbraucherschutzverbände beanstanden die Höhe der Zinsen für Dispositionskredite. Die SPD hat dies als Wahlkampfthema entdeckt und tritt für eine gesetzliche Begrenzung von Bankzinsen ein.Die Kritiker der Banken verweisen vielfach auf eine Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die zu dem Ergebnis kommt, dass die gegenwärtig verlangten Zinsen trotz günstiger Refinanzierungsbedingungen auf einem hohen Niveau verharren. Ausfallquoten sowie Bearbeitungs- oder Verwaltungsaufwand erklären laut der Studie die Höhe der Zinsmarge nicht. ZEW und IFF äußern die Vermutung, dass der Zinsüberschuss im Dispositionskreditgeschäft unter anderem zur “Quersubventionierung anderer Leistungen” verwendet wird, zum Beispiel für die Kontoführung. Sollte der Vorwurf einer Quersubventionierung berechtigt sein, wäre dies aber nur die Folge einer verfehlten Rechtsentwicklung, die auf einem falsch verstandenen Verbraucherschutzgedanken beruht und eine Quersubventionierung geradezu erzwingt. Vor GerichtEntgelte für Bankdienstleistungen haben schon häufig die Gerichte beschäftigt. Banken regeln die Entgelte für ihre Dienstleistungen in einem Preisverzeichnis oder Preisaushang, was sich im standardisierten Massengeschäft auch gar nicht anders machen lässt. Damit gelangen zwangsläufig die gesetzlichen Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zur Anwendung. Sie schränken die Vertragsfreiheit ein und verbieten im Grundsatz Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall, da dies nach der gesetzlichen Wertung im Zweifel als unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner anzusehen ist.Was also durch eine individualvertragliche Vereinbarung möglich wäre, kann in den AGB zum Schutz der Kunden nicht vereinbart werden. Das Gesetzesrecht macht zwar keine genauen Vorgaben zu den Entgelten, die ein Anbieter für seine Leistungen verlangen kann. Es ist den Vertragsparteien überlassen, beispielsweise den Preis für einen Kaufgegenstand oder eine Dienstleistung festzulegen. Abweichung vom RegelfallDennoch sieht die Rechtsprechung auch in einer Entgeltbestimmung für Bankdienstleistungen immer dann eine Abweichung vom gesetzlichen Regelfall, wenn sich die Bank damit Leistungen vergüten lässt, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften als Nebenleistungen geschuldet sind. Beispiele hierfür sind die Herausgabe verwahrter Wertpapiere durch eine depotführende Bank, die Beachtung von Pfändungsmaßnahmen gegen Kontoinhaber, die Verwaltung von Freistellungsaufträgen oder die Benachrichtigung des Kontoinhabers über die Nichteinlösung von Schecks und Lastschriften. Für diese Leistungen können die Kreditinstitute aufgrund einer Bestimmung im Preisverzeichnis kein gesondertes Entgelt verlangen. Die Gerichte sprechen von Preisnebenabreden, die grundsätzlich unangemessen und damit unwirksam sein sollen.Die Kreditwirtschaft hatte entsprechende Entgelte unter anderem mit dem Argument verteidigt, dass hiermit ein besonderer Aufwand vergütet werde, der auf Seiten der kontoführenden Banken entsprechende Kosten verursacht. Andernfalls müsse man versuchen, diese Kosten an anderer Stelle wieder hereinzuspielen. Letztlich liefe das darauf hinaus, Sonderleistungen für einzelne Kunden mit allgemeinen Entgelten für alle Kunden zu finanzieren, also “querzusubventionieren”. Mit dem Argument einer kostengerechten Zuordnung von Entgelten nach dem Verursacherprinzip konnten sich die Banken vor Gericht jedoch nicht durchsetzen. Der Bundesgerichtshof hat am Beispiel der Rückgabe von Lastschriften seine bisherige Rechtsprechung zuletzt mit Urteil vom 22. Mai 2012 (XI ZR 290/11) abermals bestätigt und die in den AGB einer Sparkasse vorgesehene Benachrichtigungsgebühr für unwirksam erklärt. Laut den Urteilsgründen ist “das Verursacherprinzip . . . für die Preisgestaltung im nicht regulierten Wettbewerb rechtlich bedeutungslos”, soweit das Gesetz nicht ausnahmsweise die Erhebung gesonderter, anlassbezogener Entgelte zulässt. Andere InstrumenteTeilweise verweisen die Gerichte die Banken sogar ausdrücklich auf die Möglichkeit, zur Deckung der Kosten für bestimmte Nebenleistungen andere Instrumente zu nutzen, wie beispielsweise höhere Kontoführungsgebühren oder Zinsen.Die seit vielen Jahren etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erscheint angesichts der Gesetzeslage zum Recht der AGB konsequent, wenn auch vielleicht etwas streng, da der Gesetzeswortlaut Auslegungsspielraum bietet und bei Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall eine unangemessene Benachteiligung nur “im Zweifel” anzunehmen sein soll. Es ist fraglich, ob es die Bankkunden unangemessen benachteiligt, wenn Banken ihre Entgelte anlassbezogen und unabhängig von der Reichweite gesetzlicher oder vertraglicher Nebenpflichten nach dem Verursacherprinzip erheben. Kosten unbestrittenDie Kosten für die Erfüllung der Nebenpflichten sind unbestritten. Dies gilt für Beachtung einer Pfändung von Kontoguthaben durch Gläubiger der Bankkunden ebenso wie für die Benachrichtigung über die Rückgabe von Lastschriften. Banken sind hiervon geschäftstypisch in besonderer Weise betroffen. Sie bieten auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs und der Kontoführung eine standardisierte Dienstleistung an.Schon um die Gleichbehandlung ihrer zahlreichen Kunden zu wahren, können Banken gar nicht anders, als ihre Geschäftsbeziehungen in Preisverzeichnissen und damit durch AGB zu regeln. Bei den AGB handelt es sich nicht etwa um das sogenannte Kleingedruckte, welches andere Vereinbarungen ergänzt und deshalb vielleicht nicht wahrgenommen wird. Sie bilden vielmehr den Kern der Vertragsbeziehung zwischen Bank und Kunde. Eine Kostenerhebung nach dem Verursacherprinzip müsste daher nicht grundsätzlich unbillig und damit verboten sein.So ist für staatlich regulierte Leistungsbeziehungen das Verursacherprinzip eine anerkannte Größe bei der Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Konkrete Beispiele hierfür finden sich auf dem Gebiet der Telekommunikation, der Energieversorgung und des kommunalen Gebühren- und Entgeltrechts, wo erheblich strengere Maßstäbe für die Preisbemessung gelten. Warum also sollen Bankkunden, die für ausreichende Kontodeckung zur Einlösung fälliger Schecks oder Lastschriften sorgen, über höhere Kontoführungsgebühren oder Zinsen die Zeche dafür bezahlen, dass andere Kunden nicht dieselbe Sorgfalt walten lassen und ihre Bank zu kostenträchtigen Benachrichtigungen über die Rückgabe von Lastschriften veranlassen? Nicht zuletzt an der Notwendigkeit, Kosten auf alle Kunden umzulegen, mag es liegen, dass derzeit immer mehr Banken jetzt auch die kostenlosen Girokonten abschaffen und Kontoführungsgebühren einführen.In der aktuellen Diskussion über hohe Zinsen wird häufig auch der Ruf nach größerer Transparenz laut. Dem wäre am ehesten durch die Zulassung anlassbezogener Entgelte gedient, anstatt diese zu verbieten. Preisverzeichnisse schaffen Transparenz, die von der Rechtsprechung geforderte Umlage bewirkt das Gegenteil. Wer die Höhe von Zinsen für Dispositionskredite oder die Unangemessenheit allgemeiner Kontoführungsgebühren beanstandet und den Vorwurf einer Quersubventionierung erhebt, darf der Bankwirtschaft nicht gleichzeitig eine anlassbezogene Entgeltregelung nach dem Verursacherprinzip untersagen.Die Lösung dieses Wertungswiderspruchs liegt auf der Hand. Der Gesetzgeber sollte klarstellen, dass zumindest für standardisierte Dienstleistungen bei Massengeschäften eine anlassbezogene Entgeltberechnung nach dem Verursacherprinzip keine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner ist.—-*) Dr. Christian Faßbender ist Partner von Waldeck Rechtsanwälte.