Asset Management

Zwangsarbeiterstiftung geht neue Wege bei Vermögensverwaltung

Bisherige Rendite reicht nicht ansatzweise für politisch vorgegebene Aufgaben - Statt Großbanken künftig Spezialboutiquen - Keine Agrarrohstoffe

Zwangsarbeiterstiftung geht neue Wege bei Vermögensverwaltung

Von Ulli Gericke, Berlin Die Erkenntnis war bitter, aber nicht zu ignorieren: Es reicht nicht. Die bisherige Rendite der Bundesstiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” ist angesichts der hochschnellenden Inflation zu gering, um die verbleibenden Aufgaben der Zwangsarbeiterstiftung auf Dauer zu gewährleisten. Der in der Satzung vorgegebene Inflationsausgleich “würgt uns jetzt die Luft ab”, konstatiert Harald Schneider, der Finanzverantwortliche des Fonds “Erinnerung und Zukunft”, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Folglich beschloss das Kuratorium unlängst, die Anlagepolitik in toto umzustellen, um aus dem Stiftungsvermögen von inzwischen rund 420 Mill. Euro so viel zu erlösen, dass die vorgegebenen Aufgaben dauerhaft gesichert sind.Denn im Gegensatz zu den ersten Jahren, als die politisch gewünschten Projekte erst sukzessive aufgebaut wurden und mit deutlich weniger Gelder auskamen, reicht heute eine durchschnittliche Rendite von etwas über 4 % nicht mehr für den Kapitalerhalt samt Förderung und kleinem Überschuss. 5,5 Prozent Rendite ein MussBei der aktuellen Preisentwertung von 3 % werden allein 11 Mill. Euro als Inflationsschutz auf das Grundstockvermögen benötigt. Weitere 9 Mill. Euro werden für die politisch vorgegebene Projektförderung gebraucht, 3 Mill. Euro kostet die Verwaltung. Dies sind summa summarum 23 Mill. Euro, die jährlich erzielt werden müssen. Oder anders ausgedrückt: Eine Rendite von 5,5 % ist ein Muss. Hinzu kommt eine viel zu hohe Risikoanfälligkeit in der bisherigen Anlagepolitik. Seit Beginn der Stiftung wurden die Gelder nur in festverzinsliche Wertpapiere – und dabei auch nur in Staats-, nicht dagegen in Unternehmensanleihen – investiert sowie in europäische Aktien. Gemanagt wurden diese Anlagen in drei Spezialfonds der drei deutschen Großbanken als wesentlichen Einzahlern in die Zwangsarbeiterstiftung. Die Vorgaben der Stiftung führten dann dazu, dass die Strategien der gleich strukturierten Fonds zwar hochgradig transparent, aber auch nahezu identisch waren – statt die Risiken zu streuen, wurden sie faktisch kumuliert. “Wir sind ein gebranntes Kind in Sachen unterlassener Risikostreuung”, betont denn auch Finanzreferentin Ann-Grit Schulze. Interne Verwaltung . . .Folglich wird die gesamte Vermögensverwaltung grundsätzlich neu strukturiert. Allerdings haben sich auch die Rahmenbedingungen in Gänze geändert. Für die erste Generation der Stiftungsverantwortlichen dominierten die Entschädigungszahlungen, wobei die Gelder sicher angelegt werden mussten, damit nicht ein Ausfall die ohnehin knappe Wiedergutmachung noch einmal verringert. Dieser politisch gewollte absolute Werterhalt bedingte aber Sicherungsgeschäfte, die nach einer groben Schätzung bis zu 30 Mill. Euro gekostet haben könnten, kalkuliert Schneider, der zur Jahresmitte 2007 zum Fonds kam, als die “Verbrauchsstiftung” ihre Arbeit beendet hatte.Seitdem kann die “Dauerstiftung” ihre eigene Anlagestrategie konzipieren. Und die wird “state of the art”, ist sich der Finanzverantwortliche sicher, der zugleich betont, dass wohl erstmals eine solch kleine, nur 420 Mill. schwere Stiftung eine derart komplexe Asset-Management-Strategie fährt. Denn mit Beginn 2009 sollen aus den heutigen drei mehr oder weniger identischen Spezialfonds der Großbanken zehn Asset-Klassen werden, die mal aktiv, mal passiv oder sowohl als auch gemanagt werden sollen.Das mit Hilfe der Schweizer Complementa erstellte Kapitalanlagekonzept verteilt das Stiftungsvermögen auf acht extern verwaltete und zwei intern gemanagte Asset-Klassen. Selbst bewirtschaftet werden die gut 120 Mill. Euro, die als Rentenpapiere schon heute im Portfolio liegen und bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen. Hinzu kommt die Liquiditätssteuerung zur Finanzierung der Projekte. . . . und externe SpezialistenDie verbleibenden 290 Mill. Euro werden an außenstehende Manager vergeben, für deren Auswahl inzwischen die ersten Vorbereitungen angeschoben wurden. Für jede Asset-Klasse wird es ein separates Mandat geben, um das sich in- und ausländische Spezialisten im anlaufenden “Beauty-Contest” bewerben.Angepeilt wird eine Gewichtung von ca. 30 % Rentenpapiere, die (in Eigenverantwortung des Fonds) als “Held to Maturity” im Bestand gehalten werden. Hinzu kommen – fremdgemanagt – als weitere Anlageklassen 15 % Staatssanleihen und je knapp ein Zehntel Unternehmensbonds und inflationsgeschützte Anleihen, womit künftig nur noch rund 60 % des Anlagevolumens in sicheren Renten investiert sein wird, verglichen mit bisher 75 bis 80 %. In europäische, aber auch globale Aktientitel soll ab 2009 gut ein Zehntel des Stiftungsvolumens diversifiziert werden, fast so viel wie in Immobilien. In Rohstoffe und Absolute-Return-Anlagen soll das restliche gute Zehntel investiert werden – wobei generell der Grundsatz der “ruhigen Hand” gelten soll, womit kurzfristige Verwerfungen nach unten ausgesessen werden können. Das alles sei mit der Aufsicht im Bundesfinanzministerium abgesprochen und wurde genehmigt, versichert Schneider.Da die absoluten Summen selbst bei einer Zehntel-Zuteilung des gesamten Portfoliovolumens nur gut 40 Mill. Euro umfassen, werden die Gelder von den Investmentspezialisten in selbst verwalteten Publikums- oder Spezialfonds angelegt. Gebündelt werden diese unterschiedlichen Anlagearten voraussichtlich in einer Master-KAG (Kapitalanlagegesellschaft), die aus Bilanzierungs- und Reportinggründen als Holding-Dach über den jeweiligen Anlagevehikeln fungiert. Zusammen mit den Gebühren der Depotbanken hoffen die Berliner, den gesamten Management-Aufwand für ihr relativ kleines Asset auf 40 Basispunkte (BP, 1,7 Mill. Euro) begrenzen zu können – verglichen mit 25 BP momentan. “Doch diesen höheren Preis zahle ich gerne für den Quantensprung der Professionalisierung”, betont Schneider. Die 40 BP beinhalten alle Asset-Klassen, beziehen also auch die Selbstverwaltung der Rentenpapiere mit ein. Und wie üblich bei Stiftungen ist dieser Kostenblock Teil der angepeilten 5,5-prozentigen Rendite. Mit “Nachhaltigkeitsfilter”Nachdem die Gremien der Kursänderung bei der Kapitalanlage zugestimmt haben, geht es jetzt um die Umsetzung. Vorgesehen ist, die neue Struktur zu Jahresbeginn freischalten zu können, auf dass die einzelnen Asset-Klassen je nach Marktlage aufgefüllt werden können. Bei den Rohstoffen ist sich Schneider beispielsweise sicher, dass aktuell nicht der richtige Zeitpunkt ist, einzusteigen. Umgekehrt werden im Bestand vorhandene Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten, um sie nicht unter Wert zu veräußern.So aufgeschlossen der Fonds inzwischen bei Rohstoffengagements ist, verweigern die Berliner dennoch aus ethischen Gründen Investments in agrarische Rohstoffe. Zudem soll ein neu installierter “Nachhaltigkeitsfilter” Anlagen in Firmen aussortieren, bei denen Kinder- oder Zwangsarbeit üblich ist.