Recht und Kapitalmarkt

Zweigleisig zum Ausstieg

Dual Track: Handlungsalternativen beim Exit aus Investments gefragt - Doppelbelastung für Management muss einkalkuliert werden

Zweigleisig zum Ausstieg

Von Herbert Harrer *)Die Erwartungen von Kapitalmarktexperten für Börsengänge (IPO) für 2011 sind hoch, und es werden wie im vergangenen Jahr eine Reihe von Exits von Finanzinvestoren und Private-Equity-Gesellschaften erwartet. Gerade diese Eigentümer setzen häufig auf ein sogenanntes Dual-Track- Verfahren. Dual-Track-Verfahren verfolgen gleichzeitig zwei Handlungsalternativen, typischerweise Verkaufsprozess und Börsengang desselben Unternehmens. Offener AusgangSo war Ende 2009 Unitymedia von den Hauptgesellschaftern Apollo und BC Partners kurz vor dem Börsengang an Liberty Media verkauft worden, während bei Kabel Deutschland das zweigleisige Verfahren im Frühjahr 2010 mit einem Börsengang endete. Beim Textilunternehmen Takko dagegen erfolgte Ende 2010 ein Verkauf durch Advent an den Finanzinvestor Apax. In einigen Fällen erfolgte also die Veräußerung von einem Private-Equity-Investor im Wege eines sogenannten Secondary-Buy-out an einen weiteren Finanzinvestor, während in anderen Fällen das IPO abgeschlossen wurde.Für dieses Jahr sind Dual-Track- Verfahren unter anderem für die Containerreederei Hapag-Lloyd und den Kabelnetzbetreiber Kabel Baden-Württemberg angekündigt, von dem sich der schwedische Finanzinvestor EQT trennen will. Hohe Mittelbestände bei Finanzinvestoren, bestehende Anlagebereitschaft von Private-Equity-Fonds und die gleichzeitige Erholung der Kapitalmärkte begünstigen zweigleisige Dual-TrackVerfahren von Börsenkandidaten mit offenem Ausgang.Ein Dual Track hat den Vorteil, dass sich die Parteien zwei Handlungsalternativen offenhalten, um sich zu einem geeigneten Zeitpunkt für die dann günstigere Alternative zu entscheiden. Die Entscheidung treffen – nach umfassender Abwägung der im konkreten Einzelfall relevanten Aspekte – der Großaktionär in Abstimmung mit der Gesellschaft und der mandatierten Investmentbank.Kriterien sind die realisierbare Unternehmensbewertung und der damit verbundene Kaufpreis bzw. die Emissionserlöse – aber auch die Vorteile, die ein Komplettverkauf durch den Hauptgesellschafter an einen Finanzinvestor oder strategischen Investor gegenüber einem Börsengang bietet. Denn bei Letzterem kann im Regelfall nur eine Teilplatzierung der Altbestände erfolgen. Eine Restbeteiligung bleibt in diesen Fällen beim Eigentümer und kann in der Regel erst nach Ablauf einer Marktschutzvereinbarung (sog. Lock up) und bei einer positiven Kursentwicklung veräußert werden. Flexiblere OptimierungDer erhöhte Wettbewerb zwischen den Handlungsalternativen Beteiligungsverkauf und Börsengang führt dazu, dass der Entscheidungsprozess flexibilisiert und der Verkaufserlös optimiert wird. Bedeutsam ist auch die erzielbare Unternehmensbewertung sowie das mit der jeweiligen Handlungsalternative verbundene Risikoprofil – insbesondere auch im Hinblick auf Gewährleistungen und Garantien, die von möglichen Käufern verlangt werden. Weitere wichtige Faktoren sind u. a. ein möglicher zusätzlicher Kapitalbedarf des Unternehmens, Managementerwartungen und der Umfang der zu veräußernden Beteiligung.Die Interessen der Geschäftsführung des Emittenten sind häufig auf einen Börsengang gerichtet, da dieser mehr Entscheidungsfreiheit und eine geringere Kontrolle primär durch den Aufsichtsrat oder die jährlich stattfindende Hauptversammlung gewährt. Zudem erlaubt er gegenüber dem Einfluss eines Finanzinvestors – bei einem privat geführten Unternehmen einen deutlich größeren Gestaltungsspielraum. Gerade bei Wachstumsunternehmen aus dem Technologiebereich ist eine Zuführung von Kapital erforderlich. Dies ist bei einem Börsengang leicht durch die Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung darstellbar, während bei einem Trade Sale der Erwerber häufig neben der Kaufpreiszahlung nicht dazu bereit ist, wesentliche neue Mittel zur Verfügung zu stellen.Die Entscheidung über die bevorzugte Handlungsalternative fällt häufig relativ spät: wenn einerseits verlässliche Informationen über den erzielbaren Kaufpreis im Falle des Verkaufs an einen Finanzinvestor, andererseits aber aufgrund des erfolgten PreMarketings auch bereits eine zuverlässige Einschätzung über die realisierbare Bewertung bei einem Börsengang möglich ist. Normalerweise – aber nicht notwendigerweise – ist dies vor Beginn des öffentlichen Angebots der Aktien im Rahmen des Börsengangs der Fall.Ein erheblicher Nachteil eines Dual-Track-Verfahrens ist die zusätzliche Arbeitsbelastung für das Management der Gesellschaft. Ein Verkaufsprozess oder ein Börsengang bedeutet bereits jeweils für sich genommen eine hohe zusätzliche Belastung. Demgegenüber führt ein Dual- Track-Verfahren zu einem beachtlichen zusätzlichen Mehraufwand, auch wenn ein erheblicher Teil der Vorarbeiten für beide Handlungsalternativen nutzbar ist. Das gilt insbesondere für die Zusammenstellung von Unterlagen im Datenraum oder die Erstellung des Businessplans. Die Vorbereitung des Wertpapierprospekts nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes für den Börsengang stellt aber wesentlich höhere Anforderungen an die Gesellschaft als das Informationsmemorandum, das an ausgewählte Interessenten im Verkaufsprozess auf vertraulicher Grundlage verteilt wird. Hinzu kommt im Fall des IPO eine erhebliche Belastung des Managements durch Investorengespräche und Analystenpräsentationen. Was in den Prospekt mussWelchen Inhalt der Wertpapierprospekt haben muss, ist in der EU-Prospektverordnung genau festgelegt: Der Prospekt muss in leicht analysierbarer und verständlicher Form sachliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen Wertpapiere notwendig sind. Hierdurch soll dem Publikum ein zutreffendes Bild über die Vermögenswerte und die Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste sowie die Zukunftsaussichten des Emittenten ermöglicht werden. Daneben muss für die letzten drei Geschäftsjahre eine Rechnungslegung nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard (IFRS) erfolgen. Demgegenüber reicht für den Trade Sale eine Rechnungslegung nach deutschem Handelsgesetzbuch aus. Zudem bedarf es für einen Börsengang einer Umwandlung der Gesellschaft aus der Rechtsform der GmbH in eine börsenfähige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien.Von besonderer Bedeutung ist der Anwendungsbereich einiger Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). In der Regel sind die Aktien der Gesellschaft zu Beginn des Dual Tracks keine Insiderpapiere im Sinne von § 12 ff. WpHG. Diese Vorschrift greift erst dann, wenn die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder die Einbeziehung in den Freiverkehr erfolgt ist oder wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt wurde.Von diesem Zeitpunkt an finden auch die Vorschriften über das Verbot der Marktmanipulation Anwendung, sodass zu Beginn des Dual Tracks das Verbot der Marktmanipulation in § 20 a WpHG in der Regel noch nicht gilt. Die Gesellschaft unterliegt anfangs regelmäßig auch nicht der Verpflichtung zur Ad-hoc- Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 WpHG. Der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizität ist enger als beim Insiderhandel, eine Einbeziehung in den Freiverkehr oder eine öffentliche Ankündigung einer Zulassung zu einem organisierten Markt reichen hierfür nicht aus. Hohe FlexibilitätBei der Strukturierung der Transaktion und der Ausarbeitung des Zeitplans muss darauf geachtet werden, dass die einengenden Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes erst möglichst spät Anwendung finden. Hierdurch hat der Verkaufsprozess eine hohe Flexibilität, und Gesetzesverstöße werden vermieden.Aufgrund des derzeitigen günstigen Marktumfeldes für Börsengänge und der erwarteten Exits von Private-Equity-Unternehmen ist zu erwarten, dass Dual-Track-Verfahren weiterhin feste Bestandteile von IPO sein werden.—-*) Dr. Herbert Harrer ist Partner im Frankfurter Büro von Linklaters.