RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: JAN SCHÄFER

Zypern drohen Klagen von Anlegern aufgrund des Investitionsschutzrechts

Voraussetzungen für Notstandsannahme hoch - Bankguthaben als Investition

Zypern drohen Klagen von Anlegern aufgrund des Investitionsschutzrechts

Herr Schäfer, die Entscheidung, die Bankkonteninhaber bei der Zypernrettung zu beteiligen, ist in der Politik und Öffentlichkeit vielfach auf Zustimmung gestoßen. Sie sehen die Entscheidung als zweischneidig, warum?Nicht alles, was politisch wünschenswert sein mag, ist auch rechtlich zulässig. Es spricht viel dafür, dass bei der Zwangsabgabe auf Bankguthaben beziehungsweise den teilweise umgehbaren Kapitalverkehrsbeschränkungen das Investitionsschutzrecht nicht wirklich in die Überlegungen mit einbezogen wurde. Zypern hat mit verschiedenen Ländern, etwa Griechenland, Belgien und Luxemburg, einigen osteuropäische Ländern, aber auch Indien, sogenannte Investitionsschutzabkommen oder auch BIT – Bilateral Investment Treaties – abgeschlossen, die Investoren der jeweils anderen Vertragspartei vor Enteignungen und anderen staatlichen Beeinträchtigungen schützen. Es ist daher vorstellbar, dass sich Zypern in Zukunft Klagen von Investoren auf Grundlage dieser Abkommen ausgesetzt sieht.- Warum kann das von Ihnen erwähnte Investitionsschutzrecht eine derartige Wucht entfalten?BIT sind ein scharfes Schwert, wenn sie die Möglichkeit für Investoren vorsehen, ihre Investorenrechte selbst vor einem Schiedsgericht gegen den Staat durchzusetzen. Das ist in vielen BIT Zyperns der Fall. In einem solchen Schiedsverfahren kann der Investor dem Staat auf Augenhöhe begegnen, ohne auf den diplomatischen Schutz seines Heimatstaates angewiesen zu sein. Dies ist gerade in der vorliegenden Konstellation von Bedeutung, da von den EU-Ländern in dieser Sache kein Rückhalt zu erwarten ist, anders als etwa von Russland. Für das Schiedsgericht spielen politische Erwägungen bei der Entscheidung keine Rolle. Stellt das Schiedsgericht fest, dass die dem Investor unter dem BIT garantierten Rechte verletzt wurden – zum Beispiel dass ohne Entschädigung enteignet wurde oder ineffektive Kapitalverkehrsbeschränkungen zu Ungleichbehandlungen geführt haben, wird es dem Investor entsprechend Schadenersatz zusprechen.- Lohnt sich eine Klage auch für den kleinen Anleger?Schiedsverfahren sind erst ab einem gewissen Volumen wirtschaftlich sinnvoll. Denkbar wäre aber, dass geschützte Anleger ihre Interessen in einer verbundenen Klage bündeln. In einem Verfahren gegen Argentinien hat ein Schiedsgericht eine Massenklage für zulässig erachtet. Der Fall Zypern wäre aufgrund der gleichgelagerten Sachverhalte wohl ebenfalls dafür prädestiniert.- Greifen denn bei Zypern überhaupt die Schutzabkommen? Es handelt sich doch offenbar um Bankguthaben und keine Investitionen.Darüber wird gestritten werden. Grundsätzlich ist ein Schiedsgericht nur zuständig, wenn die staatliche Maßnahme eine Investition im Sinne des jeweiligen Abkommens betrifft. Der Begriff der Investition ist in BIT aber oftmals sehr weit gefasst und umfasst zum Beispiel auch Forderungen. Auch in einigen der BIT Zyperns ist der Investitionsbegriff sehr weit gefasst. Es ist daher durchaus denkbar, dass ein Schiedsgericht auch ein Bankguthaben als Investition ansehen wird. Argentinische Staatsanleihen wurden in der Vergangenheit beispielsweise als Investition anerkannt; dies könnte auch Klägern gegen Zypern Hoffnung geben.- Könnte sich Zypern aber nicht in diesem besonderen Falle auf einen Staatsnotstand oder eventuell Staatsnotstandsgesetze berufen?Zypern wird sicherlich versuchen, sich auf diese oder ähnliche Argumente zu berufen, um die Umsetzung der Sonderabgabe zu rechtfertigen. Es ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Land bei der Umsetzung unter einem erheblichen politischen und wirtschaftlichen Druck seitens der Geberländer stand. Ob Zypern damit in einem Schiedsverfahren jedoch durchdringen kann, steht auf einem anderen Blatt. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Notstands sind zu Recht hoch, da ansonsten der Schutzzweck der Abkommen leicht unterlaufen werden könnte. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Zypern bereits im Vorfeld Maßnahmen hätte ergreifen müssen und können, um erst gar nicht in eine derartige Lage zu kommen.—-Jan K. Schäfer ist Partner bei King & Spalding in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.