MIFID II

Klumpenrisiko

Europas Wertpapieraufseher scheinen derzeit zu versuchen, dem Begriff Klumpenrisiko eine ganz neue Bedeutung zu verleihen. Im Zuge der Ausgestaltung der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie Mifid II haben sie mittlerweile einen Papierklumpen im...

Klumpenrisiko

Europas Wertpapieraufseher scheinen derzeit zu versuchen, dem Begriff Klumpenrisiko eine ganz neue Bedeutung zu verleihen. Im Zuge der Ausgestaltung der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie Mifid II haben sie mittlerweile einen Papierklumpen im Umfang von insgesamt 2 913 Seiten vorgelegt – 844 davon im vergangenen Mai, im Dezember kamen dann noch einmal 2 069 dazu.Zum Hintergrund: In Europa erlassen EU-Kommission, Europaparlament und europäischer Rat Gesetzestexte, welche die Eckpfeiler der neuen Bestimmungen enthalten. Die genauen Details werden dann von den Aufsichtsbehörden festgelegt – und sind, wie sich bei der Mifid II zeigt, äußerst komplex.Die Texte liegen dabei nur in englischer Sprache vor und sind überaus sperrig verfasst. Letzteres gehört zur Aufsichtspraxis dazu, Ersteres aber ist ein Unding: Da wird ein Gesetzeswerk ausgestaltet, dass Europas Wertpapiermärkte und große Teile des Bankgeschäfts auf den Kopf stellt, und die Mehrheit der Europäer kann es nicht in ihrer Muttersprache lesen, weil den Aufsehern die Kapazitäten fehlen, die Texte übersetzen zu lassen – und in Brüssel anscheinend keine Institution willens oder fähig ist, einzuspringen und dafür zu sorgen, dass die Marktteilnehmer genau verstehen, was sie in den kommenden Jahren umsetzen sollen. Zwar sprechen viele Mitarbeiter in der Branche Englisch. Doch gerade bei der Finanzmarktregulierung steckt der Teufel im Detail – und den bekommt man in der Muttersprache in der Regel besser zu fassen.Zudem hat sich herausgestellt, dass die Gesetzgeber viel zu viele Themen in die Mifid II hineingesteckt haben. Das Regelwerk enthält Bestimmungen, die vom Anlegerschutz über Transparenzpflichten im Anleihehandel bis hin zur Veröffentlichung eines konsolidierten Börsenhandelsbands reichen. Dabei überschneiden sich etliche Themen, es gibt Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen, die derzeit noch keiner so recht überschaut. Ein Beispiel dafür ist die Frage, von welchem Volumen an Banken, welche Kundenorders gegeneinander ausführen, anstatt sie an die Börse zu leiten, als sogenannte systematische Internalisierer gelten. Das hat dann wiederum Auswirkungen auf die Pflicht zur Best Execution – der Ausführung von Wertpapierorders zu den besten Konditionen. Es ist fraglich, ob, von den Marktteilnehmern abgesehen, jemand in der ESMA oder bei den gesetzgebenden Institutionen alle 2 913 Seiten gelesen und auf potenzielle Wechselwirkungen hin untersucht hat.