2G Energy sieht ihre Stunde gekommen
Im Interview: Friedrich Pehle
2G Energy sieht ihre Stunde gekommen
Der Hersteller von kleinen dezentralen Kraftwerken baut sich mit Wärmepumpen ein zweites Standbein auf
Weil Wind- und Solarparks sowie Stromtrassen nicht schnell genug gebaut werden, müssen dezentrale Alternativen her. 2G Energy hofft auf eine rege Nachfrage nach den eigenen Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen in den kommenden Jahren. Jetzt steigt der börsennotierte Mittelständler aus dem Münsterland auch noch in das Geschäft mit Wärmepumpen ein.
Herr Pehle, 2G Energy baut Anlagen für die dezentrale Energieversorgung. Sie sprechen selbst von einem enormen Marktpotenzial. Die Halbjahreszahlen fielen aber eher gemischt aus. Was bremst?
Während Umsatz und Ergebnisse sehr erfreulich ausfielen, steckte der Auftragseingang dagegen etwas zurück. Das Vorjahr war extrem stark. Der Überfall auf die Ukraine und die Erschütterung des europäischen Energiemarktes hatten eine grundlegende Neuorientierung bei vielen Unternehmen zur Folge. Wenn wir den Auftragseingang des ersten Halbjahres 2022 fortgeschrieben hätten, wären wir heute bei einer Lieferzeit unserer KWK-Kraftwerke von drei Jahren. Wir sehen jetzt eine Normalisierung des Auftragseingangs, aber wir bemerken auch, dass Industriekunden in Deutschland sehr verhalten sind.
Woran liegt das?
Großkonzern und Mittelstand tun sich gegenwärtig schwer mit Investitionen in unsere Anlagen. Kunden aus Großkonzernen haben aus ihren Zentralen oft die Vorgabe: Egal, was ihr macht, es muss CO2-frei sein. Im deutschen Mittelstand sehen wir eine starke Verunsicherung wegen der wirtschaftlichen Lage sowie wegen der Bürokratie, die den Betrieb von Kraftwerken nicht gerade leichter macht.
Wenn Sie verhaltene Reaktionen der Großindustrie schildern: Hat 2G Energy dann nicht ein grundsätzliches Produktproblem, weil das Kerngeschäft eben doch nicht CO2-frei ist?
Die Ansicht teile ich überhaupt nicht. Wenn man sich die Energieversorgungslage in Deutschland und Europa anschaut, dann laufen wir sehenden Auges auf einen sich verschärfenden Engpass zu. Das wird dazu führen, dass rationaler auf die Problematik geschaut wird. Wir merken, dass bei den Stadtwerken diese Erkenntnis schon durchdringt. In den nächsten drei Jahren werden laut Liste der Bundesnetzagentur 11 Gigawatt Kapazitäten vom Netz genommen, während der Aufbau von Wind und Solar voranschreitet, aber allen Zeitplänen hinterherhinkt – genauso wie der dringend notwendige Bau von Überlandleitungen. All das wird nicht fertig werden bis 2030 – völlig ausgeschlossen. Wir sind außerdem Welttechnologieführer bei wasserstoffbetriebenen Blockheizkraftwerken – und rüsten Erdgas-Maschinen jederzeit auf Wasserstoff um.
2G Energy hält also an großen Wachstumszielen fest. Wann wird 2G Energy die halbe Milliarde und die Milliarde Euro Umsatz erreicht haben?
Wir prognostizieren für nächstes Jahr einen Umsatz von bis zu 390 Mill. Euro. Darin enthalten ist nur wenig Geschäft mit Wärmepumpen, da dieses neue Geschäftsfeld für uns erst anläuft. Wir wollen jedes Jahr um 10% plus Inflationsrate wachsen, daher kann man im Dreisatz rechnen, wann wir in etwa die halbe Milliarde erreichen. Die Milliarde zu prognostizieren ist etwas schwieriger, aber grundsätzlich glauben wir, dass die Wärmepumpe im Laufe der nächsten Jahre zu einem ähnlich wichtigen Umsatzträger heranwachsen wird wie das Blockheizkraftwerk – mindestens im Neumaschinengeschäft, nicht so sehr im Servicegeschäft, weil Wärmepumpen weniger wartungsintensiv sind.
Die Basis für das Wärmepumpengeschäft hat 2G Energy gerade mit dem Kauf des niederländischen Wärmepumpenherstellers NRGTEQ gelegt. Was bringt die neue Tochter an Umsatz mit und was planen Sie mit ihr?
Wir hatten bislang kein eigenes Wärmepumpengeschäft, sondern haben nur Wärmepumpen anderer Hersteller im Auftrag von Kunden mit eingebaut. Diese Lücke schließen wir jetzt. NRGTEQ hatte bislang keine dezidierte Wachstumsstrategie. Das Unternehmen macht zwischen 1,5 und 3 Mill. Euro Umsatz. Das Geschäft in Benelux wird unverändert fortgesetzt. Parallel fangen wir an, die Großwärmepumpen des Unternehmens in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu vermarkten. Wir erwarten in diesem Jahr erste Auftragseingänge dort und erste Umsatzbeiträge im einstelligen Millionenbereich 2024. Das kann dann zügig mehr werden, weil der Markt in Deutschland da ist. Wir können auf rund 200 Referenzen von NRGTEQ zurückgreifen, sodass wir damit rechnen können, dass wir mit der Marktdurchdringung deutlich schneller vorankommen können, als wenn wir selbst ein Produkt entwickelt hätten. Wir haben uns mit NRGTEQ Technologie und Referenzen eingekauft.
NRGTEQ ist ja kein ganz junges Unternehmen, ist aber nach wie vor klein. Was macht Sie so sicher, dass 2G Energy die neue Tochter voranbringen kann?
Wir bringen ein eigenes Servicenetz mit, eine eigene Fertigung. Wir bringen als kapitalmarktorientiertes Unternehmen Transparenz und eine gewisse Größe mit. Wenn ein Unternehmen auf BHKW mit Wärmepumpe umstellen will, dann ist es schon daran interessiert, dass der Anbieter auch in ein paar Jahren noch am Markt ist.
Wie viel hat NRGTEQ gekostet?
Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Wir finanzieren das grundsätzlich aus dem Cashflow.
Wie kommt 2G Energy mit den gestiegenen Zinsen klar? Haben Sie demnächst Refinanzierungsbedarf?
Unser Geschäftsmodell ist Cash-stark. Im Kraftwerksbereich ist es in Mitteleuropa üblich, dass Kunden bei Auftragserteilung 30% anzahlen, weitere 60% zahlen, wenn die Anlage gebaut ist, und dann die Schlussrate leisten, wenn die Anlage ans Netz gegangen ist. Wir müssen also vor Zeiten stark wachsender Aufträge gar keine Angst haben, denn das geht bei uns mit einem starken Cashflow einher. Das ist im internationalen Geschäft, zum Beispiel in Asien, gelegentlich anders, aber es ist doch weitgehend akzeptiert in der Branche, dass Upfront-Zahlungen geleistet werden.
Wird M&A in der Strategie von 2G Energy die Ausnahme bleiben oder rückt das in Zukunft stärker in den Fokus?
Für M&A gilt bei uns grundsätzlich: Wir wollen uns mit der Komplexität nicht verheben. Die Unternehmen, die wir übernehmen, müssen sich relativ leicht und geräuschlos integrieren lassen. In der jetzigen Phase, in der der Energiemarkt in der Transition ist und wir starke Wachstumspotenziale sehen, wollen wir uns nicht damit beschäftigen, unser neues Baby in Land XY flottzumachen. Dafür ist jetzt die falsche Zeit. Wir wollen die Ressourcen unseres Management-Teams auf das Geschäft und den Markt konzentrieren.
Stichwort Ressourcen: 2G Energy ist in einer Branche tätig, in der der Fachkräftemangel noch größer ist als anderswo. Gleichzeitig scheint die Branche bislang für Frauen wenig attraktiv. Auch der Vorstand von 2G Energy ist rein männlich besetzt. Wie reagieren Sie darauf?
Wir haben gemessen an dem Anteil der Frauen bei Studienabschlüssen in Elektrotechnik/Thermodynamik einen verhältnismäßig hohen Anteil an weiblichen Führungskräften, die prominente Positionen bei uns besetzen – unterhalb des Vorstands zugegebenermaßen. Auf der ersten Führungsebene arbeiten 16% Frauen. Über die Gesamtheit der Führungskräfte liegt der Frauenanteil bei 12,5%, wozu man aber wissen muss, dass der Serviceaußendienst eine durch und durch maskuline Domäne ist. Wir können uns die Studienabschlüsse nicht backen. Wenn es keine Bewerberinnen gibt, dann ist es schwierig für uns. Die Frage nach den Fachkräften allgemein ist aber auch relevant: Es wird ja gerade auch breit diskutiert, wer die Wärmepumpen, die geplant werden, alle installieren soll. Wir haben es bei Zeiten geschafft, die BHKW-Herstellung wie kein anderes Unternehmen in der Szene zu industrialisieren. Ein klassisches BHKW im Container, das hinter einem Hotel aufgestellt wird, sollte innerhalb von zwei Tagen einsatzbereit sein. Wir wollen auch die Wärmepumpen industrialisieren und möglichst fertig auf die Baustelle liefern.
Kommen wir noch einmal auf Kapitalmarktthemen zurück. Die Ausschüttungshöhe bei 2G Energy ist eher übersichtlich, wenn man es in Relation zum Gewinn je Aktie setzt. Soll sich daran etwas ändern?
Wir wollen an derselben Strategie festhalten wie in der Vergangenheit auch schon. Wir wollen die Dividende halten oder erhöhen, wenn wir sicher sind, dass das gestiegene Ertragsniveau nachhaltig ist.
Mit den operativen Margen sind Sie auf dem jetzigen Niveau noch nicht zufrieden.
Unser Ziel lautet 10% Ebit-Rendite. Für das nächste Jahr prognostizieren wir 8,5 bis 10%. Der größte Hebel im nächsten Jahr wird sein, dass der Umsatz weiter steigt bei nur unterproportional zunehmenden Fixkosten. Wir werden eine stärkere Auslastung haben. Wir sehen derzeit auch, dass es zu einer Normalisierung der Materialkosten kommt. Das bedeutet nicht, dass das Material billiger wird, sondern dass unsere eigenen Listenpreise, die wir nur ein- bis zweimal im Jahr erhöhen konnten, in einem ausgewogeneren Verhältnis zu den Inputkosten stehen.
Was sind Ihre Ambitionen an der Börse? 2G Energy ist ein Mitglied im Scale30. Ist der SDax ein Ziel?
Wir haben erst noch ein paar interne Hausaufgaben zu machen. Wir wollen das Umsatzkosten- und Standardkostenverfahren und eventuell IFRS einführen. Dazu bedarf es eines neuen ERP-Systems. Unser altes wird jetzt abgelöst. Ende nächsten Jahres sollte die Umstellung abgeschlossen sein. Dann ist sicherlich denkbar, dass wir das Segment wechseln.
Das Interview führte Antje Kullrich.
Zur Person
Friedrich Pehle (Jahrgang 1971) verantwortet seit Ende 2017 die Finanzen sowie das Personalressort von 2G Energy. In seinem bisherigen Berufsleben war er schon oft an der Nahtstelle zwischen Betriebswirtschaft und Technik tätig. Vor seinem Wechsel zu 2G Energy arbeitete er mehr als 20 Jahre für internationale Landmaschinenkonzerne und Energieunternehmen im In- und Ausland, unter anderem für den börsennotierten norwegischen Landtechnikproduzenten Kverneland als CFO. Bei 2G Energy läuft sein aktueller Vertrag bis Ende 2027.