Im Gespräch: Uwe Knoke

Industrieholding 3U will "signifikante Wertpotenziale heben"

Die Marktkapitalisierung der Beteiligungsgesellschaft 3U ist auf dem tiefsten Niveau seit Ende 2020. Um der Bewertung auf die Beine zu helfen, soll nächstes Jahr die Tochter Selfio an die Börse gebracht werden. Auch der Ausbau von Wind- und Solarparks soll Wertpotenziale heben.

Industrieholding 3U will "signifikante Wertpotenziale heben"

IM GESPRÄCH: UWE KNOKE

3U Holding will "signifikante Wertpotenziale heben"

Der Vorstand über das IPO der Tochter Selfio sowie den Auf- und Ausbau von Wind- und Solarparks – Marktkapitalisierung auf tiefstem Niveau seit Ende 2020

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Die 3U Holding mit Sitz im mittelhessischen Marburg erwirbt, betreibt und veräußert Unternehmen in den Segmenten Informations- und Telekommunikationstechnik (ITK), erneuerbare Energien (EE) und Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). Ein profitables Geschäft machte die Beteiligungsgesellschaft vor einem Jahr mit Weclapp, einem Anbieter von ERP-und CRM-Software. Damals hatte 3U ihre 71-prozentige Beteiligung an Weclapp für 161 Mill. Euro verkauft. Anfangs habe man rund 20 Mill. Euro investiert, erinnert 3U-Vorstandsmitglied Uwe Knoke im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nun geht die Management- und Beteiligungsholding das nächste Divestment an.

Bis zu 350 Mill. Euro Bewertung

3U plant für die 100%-Tochter Selfio – einen Online-Händler von Produkten aus den Bereichen Heizung, Sanitär und solare Wärmegewinnung – ein IPO oder den Exit über einen Verkauf an eine Private-Equity-Gesellschaft – „identisch zur Vorgehensweise bei Weclapp“, sagt Knoke, der im Vorstand von 3U für Strategie und Geschäftsentwicklung zuständig ist. „Zunächst sind aber alle Vorbereitungen auf ein IPO ausgerichtet“, betont er. „Bei dem Börsengang von Selfio wird eine Marktkapitalisierung von rund 300 bis 350 Mill. Euro angestrebt.“ Im Rahmen des geplanten Wachstums sollen die Target-Unternehmen per Sacheinlage als Kapitalerhöhung in das Grundkapital der Selfio eingebracht werden. „Der Emissionserlös für die Selfio soll dann bei mindestens 70 Mill. Euro liegen“, gibt Knoke preis. Mit dem Geld soll Wachstum finanziert werden, möglicherweise auch im Ausland.

Noch keine Banken mandatiert

Der Börsengang sei für 2024 vorgesehen. Ob das Going Public in Deutschland stattfinden wird, ist aber nicht ausgemacht. Auch ein Listing in Skandinavien ist laut Knoke möglich. Banken, die den Börsengang von Selfio begleiten sollen, wurden bislang nicht mandatiert. Man werde in den nächsten Wochen u.a. die Institute kontaktieren, die 3U beim Verkauf von Weclapp beraten haben, sagt Knoke. Dies war in erster Linie Berenberg.

Der SHK-Bereich von 3U, der nahezu identisch mit Selfio ist, hat im ersten Halbjahr 14,7 (i.V. 15,4) Mill. Euro Umsatz gemacht. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) betrug den Angaben zufolge −0,4 (-0,1) Mill. Euro. Angestrebt werde für Selfio eine Ebitda-Marge von 5 bis 8%. Geplante Zukäufe von Unternehmen und Marken sollen ihren Beitrag zur Aufwärtsentwicklung leisten.

Wärmepumpennachfrage enttäuscht

Knoke räumt ein, dass sich das 3U-Management die Nachfrageentwicklung bei Wärmepumpen im ersten Halbjahr anders vorgestellt hatte. Durch die Verunsicherung im Markt gingen die Bestellungen in dieser Zeit entgegen den Erwartungen im Vorjahresvergleich spürbar zurück, statt anzusteigen. Der 3U-Vorstand betont aber, dass sich das SHK-Segment mit Selfio im ersten Halbjahr besser entwickelt habe als das Branchenumfeld.

Selfio besitze „überproportionales Wertsteigerungspotenzial“, schlägt Knoke die Werbetrommel. Der Tätigkeitsschwerpunkt habe bisher auf dem Vertrieb von Fußbodenheizungen, solarthermischen Anlagen zur Warmwasseraufbereitung und Heizungsunterstützung sowie Lüftungssystemen gelegen. Anfang 2023 habe man entschieden, den künftigen Fokus im Bereich SHK auf Wärmeerzeugung und Wärmepumpen zu legen. Der Hoffnungsträger, der künftig für einen Großteil des Umsatzes sorgen soll, ist der „Thermcube“ – eine laut Knoke zum Selbstaufbau geeignete All-in-one-Wärmepumpenheizung. „In dem Schrank sind alle wesentlichen Komponenten installiert, er muss nur noch aufgestellt werden.“

„Wir bauen die Wärmepumpe nicht“, betont Knoke, „sondern wir hatten die Idee entwickelt, wie man eine Wärmepumpe-Heizzentrale mit ihren vielen Komponenten als eine Einheit ab Werk so assemblieren bzw. konfigurieren kann, dass sie vor Ort deutlich schneller aufgestellt und installiert werden kann.“ Dies habe mehrere Vorteile: Zunächst würden die Kosten deutlich reduziert. Zudem könne die Montagezeit mit dem Thermcube um bis zu 80% gegenüber der Installation einer marktüblichen Wärmepumpenheizung verringert werden. Vorgefertigt ab Werk, kann sie so auch von Selberbauern installiert werden. „Das würde auch das Problem des Fachkräftemangels entschärfen.“ Schließlich reduziere der Thermcube die Komplexität von Wärmepumpen bzw. deren Installation, selbst für professionelle Handwerker.

„Wir haben bereits einen Gebrauchsmusterschutz für den Thermcube, und auch die Patentanmeldung ist bereits eingereicht, hier warten wir auf die Genehmigung“, so Knoke. „Das System ist unsere Antwort auf die Klima- bzw. Heizungswende.“ Die Zielgruppe seien vor allem Heimwerker und Selberbauer.

Verunsicherte Verbraucher üben Zurückhaltung

Gegenwärtig ist nach Aussage von Knoke noch eine deutliche Zurückhaltung der Verbraucher bei Aufträgen für Wärmepumpen zu spüren, u.a. weil nicht klar sei, mit welchen Subventionen infolge der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes zu rechnen ist.

Doch das 3U-Vorstandsmitglied ist sich sicher, dass in den nächsten Monaten, spätestens aber nächstes Jahr die Nachfrage nach Wärmepumpen deutlich anziehen wird.

Der Sitz der 3U Holding im mittelhessischen Marburg. Foto: 3U Holding

Im ersten Halbjahr 2023 habe der Anteil der Wärmepumpen am Umsatz von Selfio bei 8% gelegen. Nächstes Jahr werde er „nicht über 50%“ liegen, in den Folgejahren jedoch schon, gibt sich Knoke überzeugt. Das werde sich auch auf die Ergebnisse auswirken, da der Thermcube einen relativ hohen Deckungsbeitrag liefere. Die Bruttomarge betrage rund 30% gegenüber 10 bis 15% bei Fußbodenheizungen.

Die drei Holdingsegmente ITK, EE und SHK – „drei unkorrelierte, weitgehend konjunkturunabhängige Geschäftsbereiche mit geringem Investitionsbedarf“, wie es Analysten von Montega beschrieben – stehen nach Ansicht von 3U für Megatrends: die Digitalisierung im Mittelstand, „die durch die Corona-Pandemie in den Fokus rückte“, die umweltfreundliche Energieerzeugung mittels Windkraft und Fotovoltaik, „die durch den Ukraine-Krieg zusätzlich an Bedeutung gewann“, sowie den Online-Handel mit Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, „der durch den Do-it-yourself-Trend sowie die anstehende Novelle des Gebäudeenergiegesetzes Auftrieb bekommt“, so Knoke.

Zum Bereich ITK gehört die Ursprungsgesellschaft der heutigen Holding: 3U Telecom. In diesem Jahr werde von der Tochter ein Umsatz von 13 Mill. Euro und ein Ebitda von 3,5 bis 3,6 Mill. Euro erwartet. „Von der Wirtschaftlichkeit her ist das eines der besten Unternehmen in unserem Portfolio“, lobt Knoke. „Hier bewegen wir uns bereits in dem von uns angepeilten Korridor von 25 bis 30% Ebitda-Marge.“

Im ersten Halbjahr standen ITK und EE für 42% des Gesamtumsatzes; SHK war also das mit Abstand erlösstärkste Konzernsegment. Die „erfreuliche Entwicklung“ von ITK und EE im ersten Halbjahr (6,3 Mill. Euro Umsatz nach 6,1 Mill. bzw. 4,3 Mill. Umsatz nach 4,1 Mill.) sowie die Erwartung einer anziehenden Nachfrage insbesondere bei Heizsystemen im laufenden Semester ermöglichten die Bestätigung der Prognose für 2023. Die Erlösrückgänge im Bereich SHK würden durch das Wachstum bei ITK und EE nicht kompensiert, räumte Knoke am Rande der vom Finanzintermediär Equity Forum veranstalteten Herbstkonferenz ein.

Werte sichtbar machen

Vor zwei Monaten hat der Vorstand seine neuen mittelfristigen Ziele vorgestellt: Die avisierten strategischen Maßnahmen im Rahmen der „Mission 2026“ sehen in den nächsten Jahren ein umfangreiches Investitionsprogramm von mehr als 220 Mill. Euro vor, „um die signifikanten Wertpotenziale in den drei Segmenten zu heben“, sagt Knoke. Diese beziffert er für die Jahre 2023 bis einschließlich 2026 auf 300 Mill. bis 350 Mill. Euro im SHK-Segment, auf 150 bis 200 Mill. Euro im EE-Segment und auf 60 bis 70 Mill. Euro im ITK-Segment – also in Summe auf 510 Mill. bis 620 Mill. Euro (siehe Grafik).

Eine ambitionierte Zielspanne, hält man sich vor Augen, dass 3U zwischen 2017 und 2022 Wertsteigerungen von 321 Mill. Euro realisiert hat – also nur die Hälfte des neuen Mittelfristziels trotz einer längeren Zeitspanne (sechs statt vier Jahre).

Knoke weist auf die inzwischen deutlich gestiegene Liquidität im Unternehmen hin. Dadurch sei das Investitionsvolumen in früheren Jahren und damit auch das Wertsteigerungspotenzial limitiert gewesen.

Die Investitionen hätten in dieser vergangenen Zeitspanne 95 Mill. Euro betragen, der Nettozufluss 204 Mill. Euro.

Die zu hebenden Wertpotenziale von 510 bis 620 Mill. Euro definiert der 3U-Vorstand als Summe der Erlöse aus Beteiligungsverkäufen plus den bis Ende 2026 erzielten Wertsteigerungen der Beteiligungen, die sich dann noch im Portefeuille der Holding befinden.

In Finanzierungsfragen entspannt

In Finanzierungsfragen gibt sich Knoke entspannt: Die Finanzierung von Akquisitionen aus Eigenmitteln sei gesichert. Das kurz- bis mittelfristige Investitionsvolumen von über 220 Mill. Euro werde mit mindestens 60 Mill. Euro aus bestehenden Eigenmitteln abgedeckt. Zusätzlich dürften Eigenmittel aus dem IPO-Erlös von Selfio hinzukommen. Außerdem erwarte 3U einen stark steigenden positiven Netto-Cashflow.

Die Holding habe darüber hinaus einen „sehr guten Zugang zu alternativen Finanzierungsoptionen bei Investitionen zur Erweiterung der Kapazitäten in den Windkraft- und Fotovoltaikparks“.

Geringe Marktkapitalisierung

3U bringt es an der Börse auf eine Marktkapitalisierung von 81 Mill. Euro. „Entsprechend der Erfolgsgeschichte, den Fundamentaldaten und dem angestrebten Wertpotenzial von 3U erachte ich diese als deutlich zu niedrig“, sagt Knoke dazu. Nach Zahlung einer Dividende von 3,20 Euro pro Aktie – der hohe Wert resultierte aus dem Erlös des Weclapp-Verkaufs – war der Kurs im März von 5,20 Euro zunächst auf 2,70 Euro eingebrochen. Mit 2,20 Euro liegt die Notierung derzeit nahe dem mehrjährigen Tief.

Das Mittelfristprogramm mit seinen kommunizierten Zielen sei auch eine Reaktion auf die Unterbewertung, um Investoren zu verdeutlichen, wo der wahre Wert von 3U liege. Knoke macht die Wertpotenziale am Beispiel des EE-Segments fest: „Analysten kalkulieren inzwischen mit einem Potenzial von 1 Mill. Euro Marktkapitalisierung pro 1 Megawatt. Wir kommen mit unseren derzeit drei Windparks und einem Solarpark auf zusammen 53 Megawatt. Durch umfangreiche Investitionen von über 150 Mill. Euro – wobei der Eigenkapitalanteil zwischen 10 und 20% liegen wird – wollen wir die Nennleistung in den kommenden Jahren auf 150 bis 200 Megawatt ausbauen. Das allein beinhaltet eine deutliche Zunahme des Wertpotenzials.“

Software-Gruppe CS akquiriert

Wachsen will 3U sowohl organisch, u.a. durch Investitionen in den Ausbau bzw. die Erweiterung der Windkraft- und Fotovoltaikparks, als auch anorganisch, zwecks Angebotserweiterung und -komplettierung. So hat 3U vor wenigen Tagen ihr Portfolio im ITK-Segment ausgebaut: Zu einem nicht genannten Preis, der aber im unteren bis mittleren einstelligen Millionenbereich liegen dürfte, wurde die CS-Gruppe, bestehend aus CS Communication Systems und CS Network, vollständig übernommen. „Der Kaufpreis wurde aus den bestehenden liquiden Mitteln geleistet“, betont Knoke. Das ist nicht überraschend: 3U hat auch nach der üppigen Dividendenausschüttung im vergangenen März noch eine prall gefüllte Kasse; per 30. Juni betrugen die liquiden Mittel 68 Mill. Euro (31.12.2022: 190 Mill. Euro). Derzeit lägen sie bei rund 65 Mill. Euro.

Die Veräußerung von Weclapp für 161 Mill. Euro vor einem Jahr war der Grund für die zuletzt hohe Ausschüttung von insgesamt 117,4 Mill. Euro.

„Wir haben eine Ausschüttung von rund 50% des operativen Konzerngewinns kommuniziert, und dabei bleibt es“, versichert Knoke. „Bei realisierten außerordentlichen Wertsteigerungen, wie zuletzt bei Weclapp, kann es auch deutlich mehr werden.“ Nicht ausschließen will Knoke, dass es in einem passenden Umfeld statt einer hohen Dividendenzahlung eine Kombination aus Ausschüttung und Aktienrückkauf geben könnte.

Seit der Gründung 1990 wachse die CS-Gruppe und sei erfolgreich im Markt für Telekommunikationstechnik tätig. Zielgruppe seien mittelständische Unternehmen und öffentliche Auftraggeber. Schwerpunkte des Leistungsangebots seien insbesondere die Migration der Telekommunikationsanlagen von Unternehmenskunden in die Cloud sowie die Anbindung der Kommunikation an die Microsoft-Plattform Teams. Im laufenden Jahr erwartet 3U einen Umsatz in der CS-Gruppe von rund 8,6 Mill. Euro und ein Ebitda von etwa 1,4 Mill. Euro.

Die Prognose für 2023

Der 3U-Vorstand erwartet für die Holding 2023 Erlöse zwischen 55 und 60 (62,7) Mill. Euro. Daraus soll ein Ebitda aus fortgeführten Aktivitäten von 6 bis 8 (8,5) Mill. Euro gezogen werden, was zu einer Marge von 10 bis 13% führt.

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„Laut unserer Planung sollte das bereinigte Nettoergebnis im Vorjahresvergleich steigen, während das operative Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten leicht sinken dürfte, was auch an den außerordentlichen Erträgen aus dem Bauträgergeschäft in der Holding im Vorjahr liegt.“ Knoke weist zur Erklärung zudem auf die „nicht unerheblichen Zinseinnahmen“ hin, die sich aus der Anlage der hohen liquiden Mittel ergeben und die sich zwar positiv auf den Jahresüberschuss, nicht aber auf Ebene des Ebitda auswirken.

Ein Großaktionär im Aufsichtsrat

Großaktionär von 3U mit einem Anteil von 25,2% ist die Tompat Invest GmbH; die Gesellschaft gehört allein Michael Schmidt, der Mitglied im Aufsichtsrat ist. Etwa 1% halten andere Gremiumsmitglieder und der Vorstand. Der Rest liegt im Streubesitz.

Die Beteiligungsgesellschaft 3U plant für 2024 den Börsengang der Tochter Selfio. Für das Unternehmen, das sich auf Wärmeerzeugung und -pumpen spezialisiert, wird eine Bewertung von bis zu 350 Mill. Euro angestrebt. Auch der Ausbau von Wind- und Solarparks soll laut Vorstand Uwe Knoke dazu beitragen, bis Ende 2026 Wertpotenziale von bis zu 620 Mill. Euro zu heben.

Eine ausführlichere Fassung des Artikels finden Sie auf www.börsen-zeitung.de