ABB dämpft Hoffnungen der Investoren
dz Zürich
ABB hat im vierten Quartal 2020 einen Verlust von 79 Mill. Dollar erlitten. Es war der erste Dreimonatsabschnitt, in dem die an Hitachi veräußerte Stromübertragungssparte keinen direkten Gewinnbeitrag an ABB mehr lieferte. Im dritten Quartal hatte der Konzern noch den Nettogewinn von 5 Mrd. Dollar aus der im Dezember 2018 angekündigten Transaktion verbucht. ABB behält aber vorerst 20% der Aktien am Joint Venture mit Hitachi und wird so lange anteilsmäßig am Erfolg des Gemeinschaftsunternehmens beteiligt bleiben.
Einmalposten
Für den Verlust im Schlussquartal waren verschiedene Aufwendungen mit einmaligem Charakter verantwortlich. Gemessen an den operativen Zahlen zeigte die Formkurve des Konzerns in den letzten drei Monaten des Jahres aber aufwärts. Zwar schrumpfte der Auftragseingang wechselkursbereinigt noch einmal um 1% auf 7 Mrd. Dollar, doch im Vergleich zum Gesamtjahr (−6%) fiel der Rückgang zum Jahresende deutlich geringer aus. Der operative Betriebsgewinn (Ebita) ohne Berücksichtigung der im vierten Quartal verbuchten Restrukturierungskosten von 220 Mill. Dollar (Vorjahr 99 Mill. Dollar), verbesserte sich sogar um 12% auf 825 Mill. Dollar im Quartal. Über die Zwölfmonatsperiode hat sich dieser Leistungswert um 8% auf 2,9 Mrd. Dollar verschlechtert.
Elektrifizierung gefragt
Ausschlaggebend für die operative Profitabilitätssteigerung zum Jahresende waren einerseits die gute Nachfrage nach Elektrifizierungsleistungen, etwa durch Rechenzentren oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge, anderseits aber auch Preissteigerungen, die vor allem im Zusammenhang mit der Sortimentsneugestaltung des 2018 von General Electric übernommen Industriegeschäfts möglich geworden sein dürften. Gestiegene Verkäufe, gesunkene Kosten und ein vorteilhafter Sortimentsmix führten auch im Bereich Antriebstechnik zu besseren Profitmargen. Die operative Ebita-Marge verbesserte sich im Schlussquartal auf 11,5% – verglichen mit 11,1% im Gesamtjahr.
Damit liegt ABB allerdings noch weit vom mittelfristigen Ziel von 13 bis 16% entfernt. Bislang waren die meisten Finanzanalysten davon ausgegangen, dass der untere Rand dieser Margenbandbreite im laufenden Jahr wieder erreicht werden kann. Doch die Hartnäckigkeit der Pandemie lässt Zweifel aufkommen. Diese wurden auch durch die vom Konzern umständliche kommunizierten Umsatzprognosen eher verstärkt als beseitigt. In der Pressemitteilung von heute Donnerstag prophezeit das Unternehmen für 2021 ein Umsatzwachstum, „das sich weitgehend innerhalb des langfristigen Zielkorridors bewegt“. Damit sind die 3 bis 5% gemeint, die CEO Björn Rosengren im November als Ziel über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg genannt hatte.
Allerdings sagte Rosengren damals auch, dass etwa ein Drittel des künftigen Wachstums von Übernahmen stammen müsse. Solche hat ABB derzeit freilich nicht auf der Agenda. Vielmehr ist der Konzern im laufenden Jahr noch ganz mit der Durchführung der im November angekündigten Portfoliobereinigung beschäftigt. Rosengren will drei der derzeit noch 23 operativen Konzerndivision mit einem Jahresumsatz von rund 1,8 Mrd. Dollar veräußern beziehungsweise an die Börse bringen.
Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung einiger Beobachter nicht abwegig, dass ABB 2021 den Umsatz um deutlich weniger als 3% steigern könnte. Indessen präzisierte ein ABB-Sprecher auf Nachfrage, ABB strebe 2021 ein durchschnittliches Wachstum der vier Geschäftsbereiche von mindestens 5% an.
Aus welchen Gründen auch immer fielen die ABB-Aktien am Morgen nach Bekanntgabe des Jahresergebnisses aber um mehr als 3% auf deutlich unter 27 sfr zurück. Allerdings hatten die Titel in Vorwegnahme einer erfolgreichen Neuausrichtung des Konzerns durch Rosengren in den vergangen 12 Monaten auch kräftig an Wert gewonnen. Inwieweit die aktuelle Börsenkapitalisierung des Konzerns von 58 Mrd. sfr den tatsächlichen Wert des Unternehmens spiegelt, bleibt abzuwarten.
Für ABB spricht im aktuell schwierigen Umfeld die relativ geringe Verschuldung des Unternehmens. Zur Vorsicht mahnen dagegen die offenkundigen Probleme von ABB in den Bereichen Robotik und Industrieautomation. In der Robotik ist der Konzern stark auf die Automobilindustrie ausgerichtet, die angesichts ihrer aktuellen Ertragsprobleme noch mehr als bisher auf die Preise von Lieferanten zu drücken scheint. In der Industrieautomation hat ABB eine starke Exposition gegenüber dem Erdölsektor, der ebenfalls mit strukturellen Problemen kämpft.
Stabile Dividende
Trotz der vielen Unsicherheiten will der ABB-Verwaltungsrat den Aktionären eine unveränderte Dividende von 0,8 sfr pro Titel ausschütten. Für die Ausschüttung wird ABB rund 1,5 Mrd. sfr benötigen – fast gleich viel wie der 2020 erwirtschaftete Cash-flow von 1,7 Mrd. Dollar. Darüber hinaus sollen die Aktionäre weiterhin von der Rückführung der aus dem Handel mit Hitachi empfangenen Barmittel in Höhe von um die 7,7 Mrd. Dollar profitieren. Ein erstes Aktienrückkaufprogramm soll von der Generalversammlung am 25. März durch den Beschluss zur Vernichtung von 141 Millionen zurückgekauften Aktien abgeschlossen werden.
ABB | ||
Kennzahlen nach US-GAAP1 | ||
in Mill. Dollar | 2020 | 2019 |
Auftragseingang | 26512 | 28588 |
Umsatz | 26134 | 27978 |
Operatives Ebita | 2899 | 3107 |
in % des Umsatzes | 11,1 | 11,1 |
Operativer Cash-flow | 1693 | 2325 |
Konzerngewinn2 | 5146 | 1439 |
je Aktie (in Dollar) | 2,44 | 0,67 |
Dividende je Aktie (in sfr) | 0,78 | 0,76 |
1) Fortgeführtes Geschäft, wenn nicht anders ver-merkt; 2) inkl. Gewinn von 5 Mrd. Dollar aus Verkauf Stromübertragung an HitachiBörsen-Zeitung |