ABB-Großinvestor fordert weitere Einschnitte
dz Zürich – Für das Geschäft mit der Stromübertragung gibt es in der neuen ABB keinen Platz mehr. Im Dezember hatte der Elektrotechnikkonzern den Verkauf seiner zweitgrößten Division mit einem Jahresumsatz von fast 10 Mrd. Dollar und 36 000 Mitarbeitern an die japanische Hitachi angekündigt. Die Transaktion soll den ABB-Aktionären direkt (via Dividenden) und indirekt (via Aktienrückkäufe) gut 8 Mrd. Dollar einbringen. Zudem wird erwartet, dass sich die Rentabilität der neuen ABB verbessert. Die verbleibenden vier Konzerndivisionen hatten zuletzt deutlich höhere operative Margen erwirtschaftet (13 % bis 16 %) als die zu veräußernde Stromnetzsparte (10 %). Investor AB lenkt einFür die Aufspaltung des Konzerns haben sich die beiden Großaktionäre Cevian (5,3 %) und Artisan Partners (3 %) schon länger eingesetzt. Zum Erfolg kamen sie erst, als auch die schwedische Ankeraktionärin Investor AB (10,7 %) einlenkte. Eine hinter den Erwartungen zurückgebliebene Geschäftsentwicklung, mitunter verursacht durch hohe Verluste bei der Umsetzung eines Offshore-Windprojektes in der Nordsee, und eine enttäuschende Aktienkursentwicklung brachten die schwedische Wallenberg-Familie zum Einlenken. “Endlich auf richtigem Weg”Doch auch der Verkaufsentscheid vermochte den Aktienkurs bislang nicht auf Touren zu bringen. Die ABB-Titel notieren immer noch unter 20 sfr und damit fast 6 % unter dem Niveau von Anfang Dezember. Dementsprechend verlangen die ungeduldigen Investoren weitere Maßnahmen. David Samra, Investmentchef des 20 Mrd. Dollar schweren Artisan International Value Fund, verlangte gestern im Interview mit dem Schweizer Finanzportal Themarket.ch, dass die Zerschlagung des Konzerns fortgesetzt wird. ABB sei zwar “endlich auf dem richtigen Weg”, aber “nun erwarten wir, dass als nächster logischer Schritt eine weitere Aufteilung von ABB in zwei oder vielleicht sogar drei separate Unternehmen folgt”, sagte Samra.Offensichtlich hat die im April erfolgte Entlassung des früheren ABB-Chefs Ulrich Spiesshofer die Zerschlagungsfantasien der Großinvestoren weiter angefacht. Derweil scheint sich Verwaltungsratspräsident Peter Voser auf ein längeres Interregnum als CEO einzurichten. Gestern hat er den Rücktritt aus dem Aufsichtsgremium von Roche angekündigt.Der angelaufene Großumbau des ABB-Konzerns sorgt für Unruhe in der Belegschaft. Dabei hätte diese eigentlich allen Grund zur Freude. Soeben konnte die Stromnetzsparte nämlich einen Großauftrag aus China vermelden. Der Konzern wird der State Grid Corporation of China Transformatoren liefern, die für die Erstellung einer 800-Kilovolt-Höchstspannungs-Gleichstromübertragungsleitung über eine Distanz von 1 100 Kilometern nötig sind. Der Auftrag hat laut gut unterrichteten Kreisen einen Wert von rund 200 Mill. Dollar und ist Teil eines Großprojekts, das ABB in den nächsten Jahren Bestellungen von rund 2 Mrd. Dollar einbringen könnte. Eine entsprechende Absichtserklärung sollen die beiden Parteien im November unterzeichnet haben. Der Großauftrag lässt ein Geschäft mit Hitachi in einem neuen Licht erscheinen. Offenbar hat Hitachi die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding abgewartet, um in den Kauf einzuwilligen. Doch nicht chancenlosDer Großauftrag ist eine Bestätigung für die technologisch führende Position von ABB in der Höchstspannungs-Gleichstromübertragung, die sich der Konzern in den vergangenen 60 Jahren erarbeitet und bis heute erfolgreich verteidigt hat. Er kontrastiert auch mit dem von den revoltierenden Großinvestoren vorgebrachten Argument, dass ABB in dem Geschäft wenig Chancen gegen den staatlichen chinesische Mitbewerber habe. Stattdessen passen die Informationen ins Bild zum kurzfristigen Shareholder-Value-Denken, das dem Umbau von ABB zugrunde zu liegen scheint.