ABB schafft Spielraum für weitere Aufspaltung

CEO Voser: Synergien zwischen Divisionen "nicht so groß" - Aber Trennung von Elektrifizierung im Moment nicht auf dem Tisch

ABB schafft Spielraum für weitere Aufspaltung

ABB stellt sich so auf, dass der Siemens-Konkurrent bei Bedarf weiter aufgeteilt werden kann. Das hat Peter Voser, Verwaltungsratschef und Interims-CEO des schwedisch-schweizerischen Konzerns, am Montagabend auf einer Veranstaltung des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) deutlich gemacht.ds Frankfurt – ABB rüstet sich dafür, bei Bedarf weitere Schnitte im Portfolio vornehmen zu können. “Wenn wir das Bedürfnis sehen, uns von einem Bereich zu trennen, dann machen wir das auch”, erklärte Interims-CEO Peter Voser und erinnerte zugleich daran, dass ABB schon seit langem eine aktive Portfoliopolitik betreibe, etwa mit der Trennung vom Kraftwerke- und Zuggeschäft und zuletzt der Abspaltung der Stromnetzsparte. “Wenn wir ein strategisches Bedürfnis sehen, können wir auch agieren”, sagte er und fügte mit Blick auf den aktuell vier Sparten zählenden Konzern an: “Ich kann nicht sagen, ob ABB in fünf Jahren noch so aussieht wie heute.” Aktivisten machen DruckDie Synergien zwischen den Divisionen Elektrifizierung, Industrieautomation, Antriebstechnik sowie Robotik “sind nicht so groß”, räumte er unumwunden ein. “Aber wir können die vier Sparten derzeit gut nebeneinander und durch gemeinsame Forschung und Entwicklung auch miteinander führen”, sagte Voser. Ein klares Bekenntnis zur Zukunft der Sparte Elektrifizierung im Konzern gab er nicht ab. Zuletzt wurde spekuliert, die Division könne als nächste auf dem Block landen. Eine Trennung vom Elektrifizierungsgeschäft sei “im Moment nicht auf dem Tisch bei uns”, sagte Voser. Zugleich ließ er durchblicken, dass Investoren großen Druck auf ABB machen, sich weiter aufzusplitten. Der Ansatz des aktivistischen Investors Cevian, der mit 5,3 % an ABB beteiligt ist, sei, so Voser wörtlich: “Je kleiner, desto besser, so kann man deren ganze Strategie auch beschreiben.” Rockwell als Vorbild?Inzwischen ist zudem der amerikanische Aktivist Artisan an ABB mit 3 % beteiligt. Voser verwies darauf, dass US-Investoren die zwei grundverschiedenen Ansätze zwischen Elektrokonzernen in Europa und Nordamerika hinterfragten. “Die schauen sich Siemens, ABB und Schneider Electric an und vergleichen deren Aufstellung mit den amerikanischen Wettbewerbern.” Eaton habe sich auf Elektrifizierung konzentriert, während Rockwell und Honeywell vor allem auf Automation setzten. Artisan hatte ABB aufgefordert, über den Verkauf der Stromnetze hinauszugehen und sich noch in mindestens zwei weitere Einheiten aufzuspalten.Mit Blick auf das ABB-Portfolio sagte Voser weiter: “Das Wichtige ist die Fokussierung und die Klarheit der Strategie” und verwies darauf, es wäre jetzt “unfair”, über Näheres zu sprechen, bevor der neue ABB-CEO im Amt ist. “Was wir miteinander besprechen, ist der Führungsansatz”, sagte er. Der 61-jährige Voser sprang im April als CEO von ABB ein, nachdem Konzernchef Ulrich Spiesshofer nach Druck von Aktionären Knall auf Fall seinen Hut nehmen musste. Zum 1. März 2020 will Voser den Chefposten an den ebenfalls 61-jährigen Björn Rosengren, bisher CEO des schwedischen Maschinenbauers Sandvik, übergeben. Weniger zentralistischMit der neuen Aufstellung in vier weitgehend autonomen Geschäftsbereichen brauche man ein “anderes Anforderungsprofil des CEO”, sagte Voser mit Blick auf seinen Vorgänger Spiesshofer und Nachfolger Rosengren. “Das war der Grund für den Wechsel.” Die vier Geschäftsbereiche sollten künftig “selbständig ihre Geschäfte machen”, und der CEO müsse entsprechend weniger zentralistisch agieren, denn das Hauptquartier habe “nur noch strategische und Überwachungskompetenzen plus die Marke ABB”. Rosengren habe derartige Umwälzungen schon bei Sandvik und Wärtsilä begleitet, und deshalb habe man ihm den Vorzug vor einem anderen Kandidaten gegeben. “Er hat das dafür nötige Know-how schon im Rucksack”, sagte Voser.Von den 18 000 Menschen, die ABB global mit Zentralfunktion beschäftige, würden letztlich nur etwa 1 000 derartige Arbeitsplätze bei ABB übrig bleiben. “Die anderen 17 000 werden alle in die Geschäftsbereiche hineingeschoben”, kündigte er an. Dieser Umbau sei “mehr oder weniger abgeschlossen, er geht am 1. Januar live”. Abschied vom HerzstückZum Verkauf der Stromnetzsparte an Hitachi, der in der Schweiz emotional hohe Wellen schlägt, sagte Voser in Frankfurt: “Das ist eigentlich das Herzstück der ABB, da nehmen wir 130 Jahre Geschichte aus dem Konzern raus.” Die Transaktion solle in der ersten Hälfte 2020 abgeschlossen sein. “Da sind wir mittendrin, das läuft gut.” Ein Verkauf der Sparte an Chinas State Grid wäre nicht möglich gewesen, sagte er mit Blick auf den US-Präsidenten Donald Trump und die US-Behörde, die bei derartigen Deals mitentscheidet. “CFIUS unter Trump hätte niemals einen Verkauf an Chinesen genehmigt.”Der Erlös aus dem Verkauf der Stromnetze werde über Aktienrückkäufe an die Anleger zurückgegeben, bekräftigte Voser. Auf die Frage, wieso ABB das Geld nicht reinvestiere, sagte er: “Wir haben kein Bedürfnis für massive Zukäufe.” Wenn ein Geschäftsbereich etwas kaufen wolle, “dann soll er gefälligst den Cash-flow dafür selbst generieren”.Für das starke Engagement aktivistischer Investoren bei ABB zeigte Voser Verständnis. “Wenn man nicht die Leistung bringt, die operationell sehr gut ist, dann schickt man eigentlich eine Einladung an die Aktivisten”, sagte er. “Wenn die Performance da ist, kommen die nicht. Und die operationelle Performance der vergangenen zehn Jahre war nicht genügend, wir haben die Tür selbst aufgemacht.” ABB sei weniger schnell als die Konkurrenz gewachsen, und die Margen seien zu volatil gewesen, gab er unverblümt zu und deutete an, dass die Aktivisten nach dem Verkauf der Stromnetze noch nicht zufrieden seien: “Wenn man über Jahre nicht gebracht hat, was man sollte, dann bedeutet ein Verkauf einer Division noch lange nicht, dass für Aktionäre die Performance jetzt stimmt”, sagte er. Deshalb müsse ABB nun “Vertrauen zurückgewinnen”. Das sei im Grunde nicht anders als im Umgang mit Kindern. “Wenn man zu Hause bei seinen Kindern Vertrauen gewinnt, dann kann man mehr erwarten, und das gilt für Investoren auch.” “Er lebt sein Leben”Voser verwies darauf, dass es unter CEO Spiesshofer schon viele Restrukturierungen gegeben habe. “Die ABB-Belegschaft ist unter Stress, aber das ist okay so, wir sind ja jetzt auf dem aufsteigenden Ast”, sagte er unter Verweis auf eine kürzlich durchgeführte Mitarbeiterbefragung. Auf die Frage, ob er noch Kontakt zu Spiesshofer habe, sagte Voser: “Er lebt sein Leben, und wir leben unser Leben, mehr kann ich dazu nicht sagen.”