ABB-Turbolader heißen Accelleron
dz Zürich
Die Portfoliobereinigung bei ABB geht Schlag auf Schlag. Nur eine Woche nachdem der Elektrotechnikkonzern neue Einzelheiten zur Einführung der rasch wachsenden E-Mobility-Division an der Schweizer Börse bekannt gegeben hat, wartet das Unternehmen mit Neuigkeiten zur geplanten Abspaltung der Turbolader-Division mit Sitz in Baden bei Zürich auf.
Die Firma wird künftig unter dem Namen „Accelleron“ auftreten; ein Kunstbegriff, der das englische Wort „Accelerate“ für Beschleunigung anklingen lässt. Die Firma soll gemäß ABB zunächst operativ eigenständig werden. Gegen Ende des laufenden Quartals, also noch vor Ende März, sei dann endgültig zu entscheiden, ob das Geschäft verkauft oder durch eine Abspaltung via Börsengang (Spin-off) verselbständigt werde.
ABB-Chef Björn Rosengren sagte dieser Tage in einem Interview, die Tür für Kaufinteressenten sei noch nicht zu, aber man neige zur Variante Spin-off. Turbocharging werde „eine exzellente eigenständige Firma sein“, so Rosengren im Gespräch mit dem Portal „The Market“.
Weltweit führend
Accelleron ist weltweit führend in der Herstellung von Turboladern. Diese kommen in Verbrennungsmotoren zur Verdichtung von Abgasen zum Einsatz. Das System erhöht den Druck in den Zylindern und verbessert so den Wirkungsgrad der Motoren. Der Schweizer Ingenieur Alfred Büchi hatte das System 1924 in der damaligen Brown Boveri & Co für große Schiffsmotoren entwickelt. Dort kommt es auch heute noch schwergewichtig zum Einsatz.
Allein in der Schifffahrtsindustrie sorgen die ABB-Turbolader laut einer Mitteilung für CO2-Einsparungen von 405000 Tonnen pro Jahr. Zu den Hauptkonkurrenten von Accelleron gehören die japanische Mitsubishi-Gruppe, die britische Napier Turbocharges und die deutsche Kompressorenbau Bannewitz (KBB).
Accelleron beschäftigt weltweit 2300 Personen, davon 800 in Baden. 2021 resultierte ein Umsatz von 750 Mill. Dollar. Rund drei Viertel der Verkäufe ergeben sich aus dem Unterhalt des bestehenden Motorenparks. Die Unterhaltsleistungen erfordern die Mobilität der Techniker, die während der Pandemie stark eingeschränkt war. Vor diesem Hintergrund dürften die Verkäufe von Accelleron in den vergangenen zwei Jahren deutlich niedriger ausgefallen sein als 2019, im letzten Jahr vor Ausbruch der Pandemie. Auf der ABB-Webseite wird die Turbocharging-Division denn auch mit einer Umsatzspanne von 750 Mill. Dollar bis 1,25 Mrd. Dollar vorgestellt.
Hochprofitabel
Die Division ist offenbar hochprofitabel. Rosengren sagte, dass ihre Herauslösung aus der Geschäftseinheit Prozessautomation zu einer Reduktion der Betriebsgewinnmarge um 180 Basispunkte führen werde. Von dieser Aussage lässt sich für Accelleron ein Betriebsgewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Wertberichtigungen (Ebitda) von um die 110 Mill. Dollar im Jahr 2021 ableiten.
Accelleron soll ab Anfang März von Daniel Bischofberger geführt werden. Der 55-jährige Schweizer war 2016 zu Sulzer gestoßen, um dort das große Service-Geschäft mit einem Jahresumsatz von 1,1 Mrd. sfr zu leiten. Davor hatte der Ingenieur fast seine ganze Berufslaufbahn bei ABB absolviert. Der amtierende CEO Oliver Riemenschneider soll im Fall einer Verselbständigung von Accelleron via Spin-off in das Verwaltungsratspräsidium aufrücken. Riemenschneider fungiert bereits als Verwaltungsratspräsident der an der Schweizer Börse notierten V-Zug-Gruppe.