Abbvie bietet 60 Mrd. Dollar für Allergan
Der US-Pharmakonzern Abbvie übernimmt die für Botox bekannte Allergan in einem samt Schulden 83 Mrd. Dollar schweren Deal. Abbvie hat mit dem Rheumamittel Humira das global umsatzstärkste Medikament im Portfolio. Doch dessen Patentschutz läuft aus. Jetzt setzt sie auf das Geschäft mit Ästhetik.wb Frankfurt – Erneut ein Mega-Deal in der Pharmabranche: Abbvie will Allergan mit Unterstützung des Managements der Zielgesellschaft für 63 Mrd. Dollar schlucken. Samt zu übernehmender Schulden geht es um etwa 83 Mrd. Dollar. Derweil verzögern kartellrechtliche Bedenken die im Januar angekündigte Übernahme von Celgene durch Bristol-Myers Squibb für 90 Mrd. Dollar. Im Pharma-M&A-Karussell folgten Pfizers jüngster Kauf des Onkologiespezialisten Array für 11,4 Mrd. Dollar und die Akquisition von Loxo Oncology für 8 Mrd. Dollar durch Eli Lilly. Big Pharma wettet darauf, dass die Deals neue Wachstumsquellen erschließen, beschneiden aber die Forschung, um die aus M&A stammenden Schulden zu senken.Allergan ist bekannt für Botox und stark abhängig von dieser kosmetischen Faltenbehandlung. Doch das Unternehmen stellt auch Medikamente her, die in der Augenpflege, Gastroenterologie und zur Behandlung des Zentralnervensystems eingesetzt werden. Abbvie, 2013 als Abspaltung von Abbott Laboratories entstanden, muss sich auf das Ende des Patentschutzes für Humira, das meistverkaufte Medikament der Welt, vorbereiten und sucht neue Einnahmequellen. Humira, eine Behandlung gegen rheumatoide Arthritis, sorgte 2018 für 19,1 Mrd. Dollar der Abbvie-Einnahmen von 32,8 Mrd. Dollar. Günstigere Biosimilars sind in Europa zu haben und kommen 2023 auf den US-Markt. Prämie von 45 ProzentMorgan Stanley und ihr japanischer Partner Mitsubishi UFJ Financial haben 38 Mrd. Dollar für die Finanzierung zugesagt. Es ist einer der bisher größten Überbrückungskredite überhaupt. Mit Stellenabbau und Reduzierung der Forschungs- und Entwicklungsprogramme sollen die Kosten im dritten Jahr des Zusammenschlusses um mindestens 2 Mrd. Dollar gesenkt werden. Die Portfolios der Unternehmen überschneiden sich teilweise.J.P. Morgan berät die Zielgesellschaft. Die Bieterin setzt auf Morgan Stanley und PJT Partners. Washington dürfte der Deal damit schmackhaft gemacht werden, dass Allergan, die von New Jersey aus geführt wird, aber in Dublin sitzt, über die Transaktion wieder in die USA zurückkehrt.Die Übernahme wird mit etwa 188 Dollar pro Aktie in bar und Aktien angesetzt. Der Preis bedeutet eine Prämie von 45 % auf den Allergan-Kurs vom Montag. Im Sommer 2015 lag der Kurs noch bei 330 Dollar. Etwa zwei Drittel des Kaufpreises ist Cash. Allergan-Eigner sollen 0,8660 Abbvie-Aktien plus 120,30 Dollar in bar für jede ihrer Aktien erhalten. Allergan-Aktien stiegen gestern im Handel um 27 % auf 164 Dollar, während der Abbvie-Kurs um 15 % auf 66,50 Dollar abschmierte.Nach Abschluss der Transaktion sollen den Abbvie-Aktionären 83 % des neuen Konzerns gehören, den bisherigen Allergan-Eignern 17 % auf voll verwässerter Basis. Abbvie und Allergan werden zusammen 48 Mrd. Dollar umsetzen – wozu der Botoxhersteller 16 Mrd. Dollar beisteuert – und einen operativen Cash-flow von 19 Mrd. Dollar erwirtschaften, der zur Tilgung der Schulden verwendet werden soll. Creditsights schätzt den Leverage auf 3,7-mal Ebitda. Abbvie will die Verschuldung bis Ende 2021 um 15 Mrd. bis 18 Mrd. Dollar senken. Das Rating soll nicht unter “Baa2″/”BBB” sinken. Vor kurzem war Allergan unter Beschuss des Hedgefonds Apaloosa geraten.Allergan plc – ehemals Actavis, die 2014 für 28 Mrd. Dollar Forest Pharma übernommen hatte und davor Watson Pharmaceuticals – hat die operative Zentrale zwar in den USA. Nach der Übernahme des amerikanischen Konkurrenten Allergan 2015 für 66 Mrd. Dollar wurde der Name von Actavis auf Allergan plc geändert; der Sitz ist seitdem Dublin.Im November 2015 wollten Allergan und Pfizer für 160 Mrd. Dollar zusammengehen. Der neue Konzern sollte in Irland sitzen. Dealtechnisch hätte Allergan die größere Pfizer übernommen, um die höheren US-Steuern zu umgehen. Nachdem die US-Regierung unter Barack Obama aber Schritte gegen die grassierende Steuerflucht angekündigt hatte, wurde der M&A-Prozess beendet.Abbvie hatte 2014 versucht, die irische Shire für 54 Mrd. Dollar zu kaufen. Doch wurde dies ebenfalls nicht weiter verfolgt, als Washington den steuersenkenden Deals einen Riegel vorschob. Donald Trump hatte die Unternehmenssteuern 2017 von 35 auf 21 % gesenkt. Doch Abbvie geht für 2019 von einem effektiven Steuersatz von lediglich 9 % aus.Andere Versuche von Abbvie, neue Blockbuster zu finden, sind ins Stocken geraten – mit Ausnahme eines Deals über 21 Mrd. Dollar 2015 für Pharmacyclics, den Hersteller der Krebstherapie Imbruvica. Abbvie teilt die Rechte hier mit Johnson & Johnson. Abbvie-CEO Richard Gonzalez wird den erweiterten Konzern führen. Allergan-Chef Brent Saunders und ein Kollege von ihm sollen in den Abbvie-Board einrücken.