Abgang ohne Pauken und Trompeten bei Sika
ds Frankfurt
Wenn CEOs abtreten, schlägt meist die Stunde der Poeten. Nicht so bei Paul Schuler, Chef des Spezialchemiekonzerns Sika. Er geht ohne Pauken und Trompeten. Schuler erhält in der Mitteilung aus dem schweizerischen Baar kein einziges warmes Wort. Sika meldete Schulers Abgang eher beiläufig zusammen mit dem Jahresergebnis am 19. Februar.
Was ist davon zu halten? Das Analysemodell Push-out Score des Forschungsdienstleisters Exechange*, das anhand von harten Fakten den Druck auf ausscheidende CEOs auf einer Skala von 0 bis 10 misst, soll Transparenz schaffen. Es zeigt für Schulers Abgang einen Wert von 1. Damit erscheint der Wechsel fast perfekt – trotz der eigenwilligen Form.
Denn der Abgang von Schuler, der am 1. Mai an Thomas Hasler (55) übergibt, erfüllt praktisch alle Kriterien für einen idealen Chefwechsel. Erstens ist der CEO mit 65 Jahren im perfekten Pensionsalter. Zweitens ist die Vorlaufzeit von 71 Tagen einwandfrei. Drittens ist die Dauer von Schulers Amtszeit als CEO von drei Jahren und zehn Monaten (per 1. Mai) angemessen. Schuler hatte im Sommer 2017 Jan Jenisch ersetzt, als dieser mitten im Abwehrkampf gegen Saint-Gobain zum Zementhersteller LafargeHolcim gewechselt war. Daher galt Schuler von Beginn an als mittelfristige Lösung. Viertens folgt die Ankündigung auf einen Aktienkursanstieg um 140% in Schulers Amtszeit. Fünftens sind die Fundamentaldaten von Sika grundsolide, was mit den Ergebnissen für 2020 untermauert wird. Obwohl die Covid-19-Pandemie schwere Auswirkungen auf den für Sika zentralen Bau- und den Automobilsektor hatte, kletterte das Betriebsergebnis (Ebit) um 7,1% auf den neuen Bestwert von 1,1 Mrd. sfr.
Sechstens deutet der Nachfolgeplan auf Kontinuität. Der künftige CEO Thomas Hasler arbeitet seit 32 Jahren für Sika, gehört seit 2014 der Konzernleitung an und leitet derzeit die Division Global Business und Industry. Schuler wechselt in den Verwaltungsrat.
Manche mögen es nüchtern
Siebtens ist angesichts der positiven harten Fakten auch die außergewöhnliche Form der Ankündigung nicht grundsätzlich zu kritisieren. Manche mögen es eben nüchtern. Es spricht viel dafür, dass der Schweizer Konzern zu Schulers Abgang bewusst Fakten sprechen lässt und absichtlich auf andernorts übliche und zuweilen an Peinlichkeit grenzende Ergüsse verzichtet. Dazu passt auch die Sprache in der Mitteilung. Schuler selbst macht um seinen Abgang kein Gewese, sondern lobt in seinem 101 Worte langen Statement seine Mannschaft.
Fazit: Alter, Ankündigungsfrist, Amtszeit, Kursentwicklung, Umstände, Nachfolge, Form der Ankündigung und Sprache in der Mitteilung sind stimmig und frei von roten Fahnen. Der Push-out Score beträgt 1, weil der Grund für den Führungswechsel nicht ausdrücklich genannt wird. Gemäß den Regeln des Analysemodells ist ein Zeichen allein nicht signifikant und kann ignoriert werden. Und was die nüchterne Form betrifft: Vielleicht erklingen Pauken und Trompeten ja im Mai, wenn der Chefwechsel vollzogen wird.