Abrechnungsfrist für Überbrückungshilfen läuft aus
Abrechnungsfrist für Überbrückungshilfen läuft aus
Schlussabrechnung steht Ende Juni an – Rückzahlungen möglich – Erleichterung bei Kurzarbeitergeld endet
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Der 30. Juni ist für viele Unternehmen ein wichtiges Datum: Wer während der Corona-Pandemie sogenannte Überbrückungshilfen erhalten hat, muss bis dahin eine Schlussabrechnung vorlegen. So war es ursprünglich vorgesehen. Kurzfristig wurde die Frist nun bis Ende August verlängert, aufgrund eines erhöhten Antragsaufkommens. Die Hilfen gingen von Juni 2020 an beispielsweise an Unternehmen, die während der Pandemie aufgrund von Lockdowns zeitweise in ihrer Geschäftsausübung beeinträchtigt waren.
Seither wurden bis Januar dieses Jahres insgesamt 46,5 Mrd. Euro an Überbrückungshilfen ausbezahlt, wie aus einer Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf eine Anfrage des Abgeordneten Yannick Bury (CDU/CSU) im Bundestag hervorgeht.
Eigeninitiative gefragt
Wer Hilfen erhalten hat, muss mit Blick auf die anstehende Frist selbst aktiv werden, mahnt Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Wer die Frist reißt, muss die Hilfen in voller Höhe zurückzahlen. Die Schlussabrechnung muss zudem von einem „prüfenden Dritten“ abgegeben werden, also einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater.
Alternativ können Unternehmen noch einmal eine Fristverlängerung bis zum Jahresende 2023 beantragen. Auch diesen Antrag muss allerdings der Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater stellen – und auch in diesem Fall gilt als Stichtag der 30. Juni bzw. 30. August. Die Anträge zur Fristverlängerung sollen dann automatisiert genehmigt werden.
„Über die Angaben in der Schlussabrechnung können die Unternehmen eine Rückzahlungspflicht entweder ganz vermeiden oder zumindest die Höhe der Rückzahlung reduzieren“, erklärt Fehl-Weileder. Rückzahlungen können beispielsweise anstehen, wenn ein Unternehmen Hilfen erhalten hat, obwohl es nicht bezugsberechtigt war.
Bei der Schlussabrechnung werden die Angaben, die die Unternehmensverantwortlichen im Antrag für die Finanzhilfen gemacht haben, noch einmal überprüft. Denn in vielen Anträgen wurden Angaben geschätzt. Eine Differenz zwischen den Angaben in der Schlussabrechnung und denen im Antrag muss das Unternehmen zurückzahlen.
Erschwert wird die Antragstellung dadurch, dass die Förderbedingungen der Überbrückungshilfen sich mehrfach verändert haben. Die Unternehmen bewegen sich in rechtlichen Grauzonen, etwa in der zentralen Frage, wann ein Umsatzrückgang durch die Corona-Pandemie bedingt war. Klar belegen lässt sich dies etwa bei Pandemie-bedingten Schließungen im Lockdown. Materialengpässe oder gestörte Lieferketten dagegen können nicht so einfach allein auf die Pandemie zurückgeführt werden. „Die Abgrenzungen sind in vielen Fällen noch unklar, eine finale Rechtsprechung dazu gibt es noch nicht“, sagt Fehl-Weileder.
Warten auf die Bescheide
Wie hoch der Anteil der Fälle ist, für die bereits eine Abschlussrechnung erstellt oder eine Fristverlängerung bewilligt wurde, ist unklar. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) äußerte sich auf Anfrage dazu nicht.
Aus dem Markt ist zu hören, dass noch nicht alle Unternehmen sich mit dem Thema befasst haben. „Meine Kollegen und ich haben bereits knapp 20 Schlussabrechnungen eingereicht. Das entspricht ungefähr der Hälfte der Unternehmen aus unserer Mandantschaft, die Corona-Überbrückungshilfen beantragt und erhalten haben“, sagt Stefan Schwindl, Steuerberater bei der MTG Wirtschaftskanzlei.
Bis die Unternehmen Gewissheit darüber haben, ob sie erhaltene Hilfen zurückzahlen müssen, werde es aber wohl noch einige Wochen oder sogar Monate dauern, erwartet er. „Für die eingereichten Schlussabrechnungen liegt uns erst ein Bescheid vor – der allerdings mit der guten Nachricht, dass das Unternehmen die Hilfen nicht zurückzahlen muss.“
Sind Rückzahlungen fällig, so gilt laut BMWK eine Rückzahlungsfrist von sechs Monaten nach Erlass des Schlussbescheids. Bis zum Ende der Zahlungsfrist müsse das Unternehmen keine Verzinsung leisten. Zudem könnten Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen für bis zu 24 Monate getroffen werden, im Einzelfall bis zu 36 Monaten.
Erleichterung bei Kurzarbeitergeld endet
Relevant ist der 30. Juni auch mit Blick auf das Thema Kurzarbeitergeld. Während der Pandemie hatte es dafür einige Erleichterungen gegeben, diese laufen nun zum Monatsende aus. Auch beim Kurzarbeitergeld stehen Abschlussprüfungen an: Die Agentur für Arbeit untersucht dabei, ob Höhe und Zahlungsdauer berechtigt waren. Für die Unternehmen könnten die Prüfungen mit einigem Verwaltungsaufwand verbunden sein.
Beispielsweise kann die Agentur für Arbeit umfassende Unterlagen anfordern, mit denen Unternehmen Auskunft über Arbeitszeitmodelle geben müssen oder auch erklären sollen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um Kurzarbeit zu vermeiden.
Finanzielles Risiko
Da Kurzarbeitergeld während der Pandemie häufig ohne die üblicherweise begleitende Beratung der Agentur für Arbeit vorläufig bewilligt wurde, droht vielen Unternehmen ein finanzielles Risiko, sagt Alexander von Saenger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen zumindest einen Teil des erhaltenen Kurzarbeitergeldes zurückzahlen muss, ist sehr hoch.“
Die Prüfungsintensität sei gerade für kleinere und mittlere Unternehmen eine Herausforderung. „Aber auch Großunternehmen mit eigener Rechtsabteilung haben oftmals nicht die Ressourcen und die Dokumentationstiefe, die erwartet wird, um vor der Durchführung von Kurzarbeitsprüfungen die notwendigen Vorbereitungen zu organisieren.“
In Deutschland waren während der Pandemie zeitweise mehrere Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezifferte die Ausgaben für Kurarbeitergeld zwischen 2020 und 2022 kürzlich auf 45,5 Mrd. Euro.