Abschiedsvorstellung der Linde AG
Mit der außerordentlichen Hauptversammlung ist die Geschichte der Linde AG nach 139 Jahren zu Ende gegangen. Einige Aktionäre zeigten sich wehmütig und traurig. Andere bombardierten den Vorstand mit Fragen. Eine Aktionärsschützerin kündigte eine Prüfung der Barabfindung vor Gericht an. jh München – Mit Wehmut haben Aktionäre Abschied von der Linde AG genommen. Besonders emotional äußerte sich auf der außerordentlichen Hauptversammlung Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): “Eine Ära geht zu Ende.” Manche Aktionäre, die seit Jahrzehnten dabei seien, seien zum Teil traurig, zum Teil wütend.Die Fusion mit dem US-amerikanischen Partner Praxair halte sie nach wie vor für sinnvoll, aber die Art und Weise, wie das geschehe, bringe sie auf die Barrikaden, monierte Bergdolt. “Früher waren die Aktionäre für Linde wichtiger als der letzte Euro, den man aus dem Unternehmen pressen könnte.” Die Zeiten hätten sich geändert. Die DSW kritisierte von Anfang an, dass die Aktionäre nicht über die Vereinbarung der Fusion mit Praxair abstimmen durften und hat, wie berichtet, eine Feststellungsklage beim Landgericht München eingereicht.Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre sagte, aus einem bodenständigen deutschen Unternehmen werde eines mit Sitz in Irland, Verwaltungssitz in England und eines “das sicherlich amerikanisch geprägt sein wird”. Ein Aktionär bezeichnete die Linde plc deshalb als Bastard. Wolfgang Reitzle, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der AG und des Verwaltungsrats der plc, pries dagegen das oberste Management als Vorbild an: “Zwei Amerikaner, zwei Deutsche, ein Inder und ein Brasilianer – so sieht die Führung eines globalen Unternehmens aus.” Abstimmung nur FormsacheEnde Oktober haben sich die Linde AG und Praxair zur Linde plc zusammengeschlossen. Gleichzeitig erhielten Aktionäre, die 92 % des Grundkapitals der Linde AG besaßen und ihre Aktien zum Tausch anboten, Anteile der Linde plc. Angesichts dieser Mehrheit wurde am Mittwoch die Abstimmung über den Zwangsausschluss der verbliebenen Aktionäre der Linde AG zur Formsache. Präsent waren rund 600 Aktionäre und knapp 94 % des Grundkapitals.Die Aktionäre sollen eine Barabfindung von 189,46 Euro je Anteil erhalten. Sie können diese aber in einem Spruchverfahren von einem Gericht prüfen lassen. DSW-Präsidentin Bergdolt kündigte einen solchen Schritt an. Bauer von der SdK wiederholte seine Ansicht, Linde habe sich deutlich unter Wert verkauft.Gegen den Zwangsausschluss können Anfechtungsklagen eingereicht werden. Die DSW will dies prüfen. Gründe, die Fusion aufzuhalten, seien jedoch nicht ersichtlich, berichtete Sven Schneider, der Finanzvorstand der Linde AG. Spätestens im Sommer 2019 werde die Übertragung der Aktien der Linde AG auf eine Zwischengesellschaft der plc ins Handelsregister eingetragen.Viele Fragen zahlreicher Aktionäre und Anwälte, die sie vertraten, drehten sich um die Bewertung der Linde AG als Grundlage für das Ermitteln der Barabfindung. Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hatten dafür ein Gutachten erstellt. Einige Redner kritisierten den darin festgelegten Basiszinssatz von 5,5 %. Bergdolt wies darauf hin, dass die Münchner Gerichte in anderen Fällen 5 % für angemessen hielten. Mit diesem Wert ergäbe sich nach der Berechnung eines Aktionärs eine Barabfindung von 196 Euro je Aktie. Mehr Erlöse in den USAManche Redner bezweifelten, dass sich die angepeilten Synergien der Fusion aufgrund der Kartellauflagen noch erzielen lassen. Das Management rechnet mit 1,1 Mrd. bis 1,2 Mrd. Dollar, die innerhalb von drei Jahren erreicht werden sollen. Daran ändere sich trotz der zur Auflage gemachten Verkäufe von Unternehmensteilen nichts, sagte der Vorstandsvorsitzende Aldo Belloni. Aus dem Verkauf eines Großteils des Industriegasegeschäfts von Linde in den USA sei ein Erlös von 3,75 Mrd. Dollar zu erwarten. Bekannt waren bisher 2,8 Mrd. Euro, die Messer und der Finanzinvestor CVC für Teile in Amerika zahlen.—– Wertberichtigt Seite 6