"Abschwung bessere Zeit für M&A"

BCG: Outperformance durch Diversifizierung lockt - Europas Übernahmemarkt bricht um ein Drittel ein

"Abschwung bessere Zeit für M&A"

Gerade im Abschwung sollte man beherzt Übernahmen in Angriff nehmen: Dazu raten die Strategieberater von Boston Consulting (BCG). Interessanterweise konzentrierten sich in solchen schwächeren Phasen Fusionen und Übernahmen meist auf die Ausweitung außerhalb des Kerngeschäfts. Von Walther Becker, FrankfurtDer M&A-Markt in Europa ist im dritten Quartal um 32 % auf 556 Mrd. Dollar eingebrochen, Mega-Deals wie zuletzt die 200 Mrd. Dollar schwere Tabakfusion platzen, und Manager sind angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten im “Wait and see”-Modus. Ganz falsch, meinen die Strategieberater von Boston Consulting Group und rufen zu mehr Mut auf. Denn: “Fusionen und Übernahmen lohnen sich besonders in Zeiten schwacher Wirtschaft”, sagt Jens Kengelbach, Senior Partner und Global Head of M&A von BCG, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und belegt dies mit einer breiten Datenbasis. Der M&A-Report von BCG basiert auf Angaben zu mehr als 750 000 M&A-Deals seit 1990.Während in Boomzeiten die Separierung von Cash-flow-Profilen, also die Konzentration aufs Kerngeschäft, klar im Fokus stehe, suchten Vorstände in rezessiven Phasen wieder den Ausgleich, und der Konglomeratsabschlag gehe zurück. “In solchen Zeiten konzentrieren sich Fusionen und Übernahmen meist auf die Ausweitung außerhalb des Kerngeschäfts”, berichtet der Berater. Investments in Non-Core-Geschäfte wiesen dann eine um knapp 4 % höhere Performance als jene in Kerngeschäft auf. “Global ist die M&A-Outperformance – gemessen am Relative Total Shareholder Return (RTSR ) – für Käufer in schwachen Wirtschaftszeiten 7 Prozentpunkte höher als in Boomphasen.” In Deutschland sei dieser Spread noch stärker ausgeprägt. Hier liege der Unterschied bei mehr als 12 % ein Jahr nach Abschluss der Transaktion. Wer im Abschwung kaufe, gehe angesichts der Unsicherheiten gründlicher vor, mache eine intensivere Due Diligence, nehme sich mehr Zeit und demonstriere, “dass er genau weiß, was er tut”.Günstig sind da sinkende Bewertungs-Multiples. Während das Ebitda-Vielfache 2018 von 14,8 auf 13,7 gesunken sei, liege es in der ersten Hälfte 2019 bei 13,1. Kengelbach macht da schon “eine mögliche Parallele zu 2007/2008” aus. Die damalige Krise habe einen Abschlag der Vielfachen von 43 % zur Spitze des Booms gezeigt. Auch jetzt fielen die Multiples wieder. Allerdings verlieren gerade die öffentlichen Übernahmen wieder an Unterstützung seitens der Investoren, wie sich an der Kursentwicklung zeige. Zahl und Volumen der Transaktionen gehen auch in der aktuellen Phase spürbar zurück. Insbesondere in Deutschland bleiben Mega-Deals (Volumen jenseits von 10 Mrd. Dollar) aus; lediglich Cypress durch Infineon kommt mit 9,8 Mrd. Dollar nahe an diese Schwelle. Noch 2018 wurden Sprint/T-Mobile mit 26,8 Mrd., Unitymedia/Vodafone (21,8 Mrd.) sowie Innogy/Eon über 19,3 Mrd. Dollar angekündigt. In den USA sind solche Mega-Deals hingegen noch vergleichsweise stark angesagt. Positiv für den M&A-Markt wirkten sich naturgemäß die nach wie vor hohen Cash-Bestände der Unternehmen und Finanzinvestoren aus sowie das weiterhin billige Geld. Doch das ändere nichts daran, dass weltweit trotz eines noch starken US-Marktes seit nunmehr sechs Quartalen ein Rückgang der Dealzahlen zu beobachten sei. Kengelbach verweist darauf, dass Wiederholungstäter am M&A-Markt, die auch in schwachen Zeiten zuschlagen, eine deutlich höhere langfristige Wertsteigerung erreichen würden als unerfahrene Bieter. Erstere schafften im Abschwung einen Return (RTSR) von 7,3 % in den ersten zwei Jahren, während Deals, die sie im Boom abschlossen, lediglich 1,4 % brachten.