Abschwung trifft Siemens hart

Kunden aus Autoindustrie und Maschinenbau halten ihr Geld zusammen - Wendepunkt im Juni - Kernsparte senkt die Investitionen

Abschwung trifft Siemens hart

Der konjunkturelle Gegenwind bremst auch Siemens. Im dritten Quartal sank der operative Gewinn um 12 %. Der Konzern hält an seiner Prognose fest, formuliert sie aber vorsichtiger. Um im vierten Quartal einen Schlussspurt zu ermöglichen, will der Vorstand in der Kernsparte Digitale Industrien die Ausgaben reduzieren.mic München – Siemens hat im dritten Quartal (30. Juni) unter den Bremsspuren im Kernsegment Industrieautomatisierung gelitten. Dieses kurzzyklische Geschäft sei sehr herausfordernd gewesen, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. “Insbesondere im Maschinenbau und in der Automobilindustrie halten sich Kunden bei größeren Investitionen aktuell zunehmend zurück.”Diese Abschwächung werde in den kommenden drei bis vier Quartalen anhalten, sagte Thomas (siehe Grafik). Auch in den spätzyklischen Prozessindustrien wie Chemie rechnet Thomas mit einer Abschwächung. In der Nahrungsmittelindustrie und im Softwaregeschäft sieht der Finanzvorstand aber Wachstumsmöglichkeiten.Im dritten Quartal stieg der Konzernumsatz auf vergleichbarer Basis um 2 % auf 21,3 Mrd. Euro, doch der operative Gewinn sank um 12 % auf 1,9 Mrd. Euro. Die Analysten hatten im Schnitt mit 2,2 Mrd. Euro gerechnet. Der Gegenwind ist in fast allen Sparten spürbar. Die Ebita-Marge sank in fünf der sechs industriellen Geschäftsfelder, die zugleich ihre Ebita-Zielmargen verfehlten. Nur die Bahntechnik erreichte die Vorgaben und konnte zulegen. “Beachtlich und ambitioniert”Den höchsten Margenrückgang meldete die Sparte Digitale Industrien. Sie sackte um gut fünf Prozentpunkte auf 14,3 % (ohne Personalabbaukosten: 14,8 %) ab, wobei allerdings ein Prozentpunkt auf die Neubewertung des Anteils an dem Unternehmen Bentley ging. Im dritten Quartal lieferte die Sparte auf diese Weise 204 Mill. Euro weniger Gewinn bei der Konzernzentrale ab, trotzdem behielt sie die Position des Gewinn-Primus.”Der Juni war der Wendepunkt”, sagte Thomas. Daher wollte er den Gewinneinbruch nicht als Indikator darauf gewertet wissen, dass die verstärkte Eigenständigkeit der Sparten doch nicht zu einer schnelleren Anpassung an Marktveränderungen führe. Wenige Wochen Reaktionszeit reiche auch in der neuen Struktur nicht aus, sagte er. Thomas ließ im Gespräch mit Analysten ebenfalls nicht gelten, dass die Konkurrenten Schneider und Rockwell besser abgeschnitten hätten. Schneider sei stärker in der weniger betroffenen Prozessindustrie aufgestellt, während Rockwell von dem – noch florierenden – US-Geschäft profitiere.Trotz des Gegenwinds durch die Konjunkturschwäche hält Siemens an der Prognose für das laufende Geschäftsjahr fest. Jedoch justiert der Vorstand unter seinem Vorsitzenden Joe Kaeser, der zur Zeit der Zahlenpräsentation auf einem Kundentermin in Asien war, die Ziele neu.So soll die angepasste Ebita-Marge (ohne Aufwand für Personalabbau) in der unteren Hälfte der Bandbreite von 11 % bis 12 % landen. Dafür ist trotzdem ein Schlussspurt im vierten Quartal erforderlich sei, denn im dritten Quartal betrug die Marge (ohne Kosten für Personalabbau) nur 9,9 %. In den ersten neun Monaten lag die Marge Siemens zufolge bei 11,1 %.Thomas bezeichnete das Festhalten an der Prognose als “beachtliches und ambitioniertes Vorhaben”. Dass Siemens dennoch diesen Weg wählte, begründete er mit zwei Faktoren: Erstens habe man durch den Konzernumbau den Sparten zum richtigen Zeitpunkt mehr Möglichkeiten gegeben, sich schnell anzupassen. Zweitens ergreife die Sparte Digitale Industrie Maßnahmen, um das vierte Quartal zu stabilisieren. Investitionspläne würden bei Bedarf angepasst und die Kosten besonders strikt kontrolliert. Zukunftsrelevante Investitionen wie etwa in cloudbasierte Produkte, die im dritten Quartal die Marge um 2 Prozentpunkte senkten, würden aber fortgesetzt, betonte Thomas.Klaus Helmrich, der für die Sparte Digitale Industrien zuständig ist, kündigte im Gespräch mit Analysten an, dass Leiharbeitsverträge gekündigt würden. Im Gesamtjahr werde die Sparte am unteren Ende der Zielbandbreite für die Ebita-Marge von 17 % bis 23 % landen. Nach neun Monaten stehen 17,7 % zu Buche. Thomas sagte mit Blick auf die erwartete Marge im vierten im Vergleich zum dritten Quartal: “Wir gehen von einer deutlichen Verbesserung aus.”Siemens hält es nun auch für herausfordernder, das Ziel eines moderaten Wachstums des Umsatzes – bereinigt um Währungsumrechnungs- und Portfolioeffekte – zu erreichen. Mit der Formulierung zielt der Konzern traditionell auf ein Plus von 3 % bis 5 %. In den ersten neun Monaten stiegen die Erlöse vergleichbar aber nur um 2 %. Im vierten Quartal mache Siemens in der Regel mehr Umsatz, sagte Thomas.Das Ziel eines Ergebnisses pro Aktie von 6,30 Euro bis 7,00 Euro (bereinigt um den Aufwand für die Personalrestrukturierung) dürfte dagegen einfacher zu erreichen sein. Nach neun Monaten wurden bereits 5,03 Euro erreicht – ohne den Personalabbau-Aufwand von 0,25 Euro. Konsequenterweise bestätigte Siemens diese Vorgabe für das laufende Geschäftsjahr ohne Einschränkung. Thomas erklärte, er erwarte Abfindungskosten vor Steuern von 600 Mill. Euro im Gesamtjahr, davon 300 Mill. im vierten Quartal. 200 Mill. Euro entfielen auf den Personalabbau in der Kraftwerkssparte.Im dritten Quartal sticht die Halbierung des Free Cash-flow auf 434 Mill. Euro ins Auge. Thomas bezeichnete diesen Rückgang als enttäuschend. Der Wert sei jedoch auch gesenkt worden durch die vorübergehend ausgesetzte Abnahme der ICE 4-Züge durch die Deutsche Bahn. Diese wurde nach der Nachbesserung, deren Kosten Bombardier trägt, wieder aufgenommen.