Accentro backt kleinere Brötchen
Die auf den An- und Verkauf von Wohnungen spezialisierte Accentro stutzt ihre Expansionspläne. Statt auf bis zu 1 Mrd. Euro soll die Bilanzsumme bis Ende kommenden Jahres noch auf 600 Mill. bis 700 Mill. Euro wachsen. Der Berliner Mietendeckel trifft das Unternehmen nach eigener Einschätzung kaum.Von Helmut Kipp, FrankfurtDas Immobilienunternehmen Accentro verabschiedet sich von dem Ziel, bis Ende 2021 die Bilanzsumme auf bis zu 1 Mrd. Euro auszuweiten. Denn die für eine forcierte Expansion erforderliche Kapitalerhöhung ist derzeit schwer realisierbar. “Durch organisches Wachstum, eine Ausweitung der Verschuldung und die Hereinnahme von Partnern bei Projekten können wir aber weiter deutlich wachsen”, sagt Vorstand Jacopo Mingazzini im Gespräch der Börsen-Zeitung. “Wir kommen gut zurecht mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.”Nach Einschätzung des Firmenchefs erschwert der geringe Streubesitz eine Kapitalerhöhung: “Für größere Investoren ist es nahezu unmöglich, bei uns einzusteigen.” An der Börse bringt Accentro derzeit etwa 240 Mill. Euro auf die Waage. Davon befinden sich lediglich 11,9 %, also knapp 30 Mill. Euro, im Free Float. Eine große Kapitalerhöhung komme einem Re-IPO gleich, sagt Mingazzini. Doch der Markt für Börsengänge in Deutschland ist schwierig, wie die IPO-Absage des Konkurrenten Domicil Real Estate im Oktober 2019 deutlich macht.Eine Ausweitung des Streubesitzes hält der Manager nach wie vor für wünschenswert, auch wenn ihm im Moment keine Pläne bekannt sind, dass Großaktionär Brookline Capital seinen Anteil von 83,3 % verringert. Accentro ist in der Wohnungsprivatisierung tätig. Das bedeutet: Das Unternehmen kauft Wohnungen en bloc ein, modernisiert sie während der Haltedauer von zwei bis zweieinhalb Jahren und veräußert sie dann an Kapitaleinleger und Mieter. In diesem Geschäft stuft sich Accentro als marktführend in Deutschland ein. Die Bilanzsumme kletterte per 30. September erstmals über die Marke von einer halben Milliarde Euro, sie lag bei 518 Mill. Euro. Ende kommenden Jahres könnten es 600 Mill. bis 700 Mill. Euro sein, glaubt Mingazzini. Heimatmarkt BerlinIm Dezember hat Accentro eine Anlage mit 260 Wohnungen im brandenburgischen Blankenfelde-Mahlow an den britischen Investor Phoenix Spree verkauft. Die Transaktion gilt als bisher größte des Unternehmens im Speckgürtel Berlins. Der Deal führt zu einem Anstieg des Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf mehr als 40 Mill. Euro. Die Ergebnisprognose für 2019 werde damit übertroffen, sagt Mingazzini. Beim Umsatz bleiben die Berliner allerdings hinter dem Ziel – ein moderates Plus gegenüber dem 2018er-Niveau von 163 Mill. Euro – zurück. Die Erlöse des vergangenen Jahres veranschlagt das Management auf knapp über 140 Mill. Euro.Neben dem Heimatmarkt Berlin konzentriert sich der Wohnungshändler auf Leipzig, Hamburg, Rhein-Ruhr und Rhein-Main. Weitere Regionen geraten in den Fokus, wenn sich entsprechende Geschäftschancen ergeben, 2019 etwa Rostock, Usedom und Oberbayern. “Wir forcieren das Geschäft außerhalb Berlins, die Hauptstadt bleibt aber dominant”, sagt Mingazzini. Gut vier Fünftel des Privatisierungsportfolios entfallen, bezogen auf den Buchwert, auf den Großraum Berlin. In der Hauptstadt ist derzeit der vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Mietendeckel das beherrschende Thema. Für Accentro hat das Gesetz bisher keine größeren Auswirkungen. Zwar sorge der Deckel für große Verunsicherung, aber bei Kundenanfragen und Reservierungen sei keine Zurückhaltung zu erkennen, sagt Mingazzini. Auch in der Privatisierung für Dritte sei bisher kein Rückgang in der Beauftragung zu spüren.Auf längere Sicht könnten Unternehmen wie Accentro sogar zu den Profiteuren zählen, weil Eigentümer sich aufgrund der sinkenden Mietrendite von Objekten trennen. Damit würde das Angebot an Mietwohnungen schrumpfen. “Die Auswirkungen werden Mieter hart treffen”, warnt Mingazzini. “Wer vor der Frage steht, eine Wohnung in einer Kudamm-Seitenstraße für lediglich 8,50 Euro je Quadratmeter zu vermieten oder für einen exzellenten Preis an einen Selbstnutzer zu veräußern, wird sich in der Regel für den Verkauf entscheiden.” Da es keinerlei Zuschläge für Top-Qualitäten gebe, werde vor allem in guten Lagen niemand mehr vermieten: “Die Luxusvilla am Wannsee mit eigenem Bootssteg muss für weniger als 10 Euro vermietet werden. Das ist lachhaft. Das Vorgehen zeigt, dass es nicht um Problemlösung geht, sondern um Klassenkampf.” Mietspiegel verliert GültigkeitOhnehin hält Mingazzini den Mietendeckel, wie viele andere Branchenvertreter, für verfassungswidrig, weil dem Land Berlin die Kompetenz für ein solches Gesetz fehle. “Der eigentliche Skandal ist aber, dass noch immer keine Initiative in Sicht ist, den zunehmenden Wohnungsmangel ernsthaft anzugehen”, klagt der Accentro-Chef und verweist auf den weit hinter den Zielen zurückbleibenden Neubau. “Es reicht nicht, den Mangel zu verwalten. Er muss beseitigt werden.”Eine Nebenwirkung des Mietendeckelgesetzes sei, dass der Berliner Mietspiegel seine Gültigkeit verliere. Dieses Instrument reguliert die Anhebung von Bestandsmieten und begrenzt Neuvertragsmieten auf einen Zuschlag von 10 % gegenüber der ortsüblichen Vergleichsmiete in Gebieten mit Mietpreisbremse. Die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, habe keine Ausschreibung mehr für den nächsten Mietspiegel auf den Weg gebracht, berichtet Mingazzini. Durch den Wegfall dieses Regulativs wachse die Rechtsunsicherheit: “Falls Gutachten den Mietspiegel ersetzen müssen, wird es für alle Beteiligten anstrengend und teuer.”Accentro treffe der Mietendeckel kaum, versichert Mingazzini. Die Vermietung spiele keine große Rolle. Analysten schätzen das 2019er-Mietergebnis auf 7 Mill. Euro, was weniger als einem Fünftel des erwarteten Ebits entspricht. Das Unternehmen ist zwar gerade erst ins Bestandsgeschäft eingestiegen. Vor allem Immobilien, deren Entwicklung durch Um- und Neubau mehrere Jahre in Anspruch nehme, sollen langfristig gehalten werden. Dieses Portfolios soll aber auf einen “untergeordneten Teil der Bilanzsumme” beschränkt werden. Weitere Einnahmen stammen aus der Vermietung des Privatisierungsportfolios.