Accentro schielt auf die Milliarde
Nach der Übernahme durch den Finanzinvestor Brookline baut das Immobilienunternehmen Accentro auf den Kapitalmarkt, um das geplante Wachstum zu finanzieren. Damit könnten weitere Kapitalerhöhungen anstehen. Der Streubesitz soll ausgeweitet werden. Der geschäftliche Schwerpunkt bleibt Berlin.Von Helmut Kipp, FrankfurtDas Immobilienunternehmen Accentro nutzt in der Finanzierung verstärkt den Kapitalmarkt. Nach der Platzierung einer 100-Mill.-Euro-Anleihe haben die Berliner im Oktober neue Aktien im Wert von 20 Mill. Euro ausgegeben. “Wir wollen wachsen”, sagt Vorstand Jacopo Mingazzini im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und gibt das Ziel aus, die Bilanzsumme bis Ende 2021 auf mehr als das Doppelte auszuweiten.Accentro Real Estate bezeichnet sich als Deutschlands Marktführer in der Wohnungsprivatisierung. “Wir kaufen im Großhandel ein und verkaufen im Einzelhandel an Mieter und vor allem an Kapitalanleger”, erläutert Mingazzini das Geschäftsmodell. “Allein durch diese Transformation ist im Schnitt eine Marge von 25 bis 30 % möglich.” Während der Haltedauer würden viele Wohnungen modernisiert, etwa durch Einbau von Aufzügen, Balkonen oder neuen Heizungen. Der neue Großaktionär Brookline Real Estate unterstütze das Wachstum, versichert Mingazzini. Der Finanzinvestor hatte Accentro im vergangenen Jahr vom Wohnungsvermieter Adler Real Estate erworben. Während der Adler-Jahre habe man das Wachstum von innen heraus finanzieren müssen. Es sei schwierig gewesen, als Tochter eines ebenfalls börsennotierten Unternehmens den Kapitalmarkt separat zu nutzen. Das habe dem Wachstum Grenzen gesetzt, die mit dem Eigentümerwechsel weggefallen seien. Mit der jüngsten Kapitalerhöhung, bei der 2,1 Millionen neue Aktien für 9,50 Euro je Stück an Investoren verkauft wurden, stieg der Free-Float-Anteil auf – allerdings immer noch niedrige – 12,1 %. Mingazzini stellt jedoch eine weitere Ausweitung des Streubesitzes in Aussicht. Bei Brookline liegen derzeit 83,1 % der Aktien. Die restlichen 4,8 % hält Adler Real Estate noch. An der Börse bringt Accentro 316 Mill. Euro auf die Waage.”Unser Schwerpunkt bleibt Berlin”, sagt Mingazzini. “Das ist und bleibt der interessanteste, größte und liquideste deutsche Markt.” Berlin habe sich in nur zehn Jahren von einer Metropole mit Leerstand zu einer Stadt mit einer extremen Wohnungsknappheit gewandelt. “Ich sehe nicht, dass der Nachfrageüberhang in den nächsten zehn Jahren abgebaut werden kann.” Trotz der hohen Preissteigerungen – 2006 habe eine Eigentumswohnung im Schnitt unter 100 000 Euro gekostet, heute seien es 270 000 Euro – zähle Berlin noch immer nicht zu den zehn teuersten Städten in Deutschland, so Mingazzini. Allerdings sei Berlin nicht mehr so offenkundig unterbewertet wie früher. Daher schaue sich Accentro inzwischen in anderen Großstädten um. Vor zwei Jahren habe man begonnen, mit Leipzig, Hamburg, Rhein-Ruhr und Rhein-Main weitere Märkte anzugehen.Die Mittelfristplanung sieht vor, bis Ende 2021 die Bilanzsumme von derzeit 408 Mill. Euro auf bis zu 1 Mrd. Euro auszuweiten. Davon sollen 600 Mill. Euro auf Berlin und je 50 bis 100 Mill. Euro auf die vier neuen Kernregionen entfallen. Damit könnten weitere Kapitalerhöhungen anstehen: “Um zu wachsen, werden wir das Eigenkapital stärken müssen”, sagt der Betriebswirt und Immobilienökonom.Für das laufende Geschäftsjahr stellt Accentro zwischen 36 und 40 Mill. Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern (2017: 36,4 Mill. Euro) und eine Umsatzausweitung im zweistelligen Prozentbereich in Aussicht. Ende September 2018 umfasste das Portfolio im Privatisierungsgeschäft 2145 Wohnungen im Buchwert von 292 Mill. Euro. Der Markt für Wohnungsprivatisierungen sei stark fragmentiert, sagt Mingazzini. “2017 gab es allein in den deutschen Großstädten 30 Mrd. Euro Wohneigentumstransaktionen. Wir sind weit davon entfernt, an Wachstumsgrenzen zu stoßen.” Die Haltedauer sei derzeit infolge des Immobilienbooms ungewöhnlich kurz. Im Schnitt sei eine Wohnung bereits nach zweieinhalb Jahren wieder verkauft. Eine Normalisierung am Immobilienmarkt wird nach seiner Einschätzung dazu führen, dass sich die Umschlaggeschwindigkeit auf drei, dreieinhalb Jahre verlängert. Darlehen und BondDass Accentro mit 52,2 % per Ende September einen höheren Verschuldungsgrad (Loan to Value) ausweist als viele andere Wohnimmobilienfirmen, führt Mingazzini auf Unterschiede in der Bilanzierung zurück. Anders als Bestandshalter führt Accentro die Immobilien im Umlaufvermögen. Die Bewertung erfolgt zu Anschaffungskosten oder Herstellungskosten und nicht zu Marktwerten. “Berücksichtigt man unsere stillen Reserven von mehr als 90 Mill. Euro, liegt der Verschuldungsgrad nur bei etwa 40 %”, sagt der 1966 geborene Manager. Zudem würden die für den Kauf eines Wohnungsblocks aufgenommenen Kredite mit Beginn der Weiterverkäufe überproportional zurückgeführt. Bei einem Verkaufsstand von 70 bis 75 % stünden die Darlehn in der Regel auf null.Die Finanzverbindlichkeiten entfallen je zur Hälfte auf Bankdarlehen und den drei Jahre laufenden Bond. “Mit dieser Mischung fühlen wir uns wohl”, sagt Mingazzini. Mit 3,75 % Zinsen im Jahr ist die Anleihe zwar erheblich teurer als Bankkredite, für die im Schnitt 2 % aufzubringen sind. Dafür aber sei der Bond nachrangig, nicht an ein bestimmtes Objekt gebunden und biete Flexibilität bei Wohnungsankäufen, so der Vorstand. Ein weiterer Bond sei vorerst nicht geplant, auch weil dem die Covenants entgegenstünden.