Aggressivere Wettbewerbsregulierung prägt Amerikas M&A-Markt
Aggressive Kartellregulierung treibt US-Investoren um
Behörden streben durch Rechtsreform weitreichendere Kompetenzen an – Angepeilte Zusammenschlüsse in der Luftfahrt als Prüfstein für M&A-Markt
xaw New York
Fast ein Jahrhundert lang haben die beiden Rivalen einander bekämpft – nun wollen sie gemeinsame Sache machen: Die geplante Übernahme von Hawaiian Airlines durch Alaska Air ruft am US-Markt überproportionales Interesse hervor. Zwar stehen die Fluglinien im Schatten der größten Carrier des Landes. Auch das Deal-Volumen von rund 1 Mrd. Dollar in bar plus 900 Mill. Dollar an übernommenen Hawaiian-Schulden beeindruckt Wall-Street-Veteranen kaum.
Doch die angepeilte Transaktion ist in den Fokus gerückt, weil Investoren sich nun Aufschlüsse zum künftigen Vorgehen der US-Kartellbehörden versprechen. Denn Amerikas Wettbewerbshüter gehen in bestimmten Sektoren deutlich härter gegen Fusionen und Übernahmen (M&A) vor als in den Vorjahren. Besonders die Kartellaufsicht FTC verfolgt unter ihrer seit 2021 amtierenden Vorsitzenden Lina Khan eine aggressive Strategie.
Bereits im Jahr von Khans Amtsantritt stellte die Behörde zu Übernahmen 42 Untersuchungsschreiben aus und damit fast doppelt so viele wie 2020. Seither hat die FTC per annum zwei- bis dreimal so viele einstweilige Verfügungen gegen Zusammenschlüsse erwirkt wie in den vorangegangenen Jahren. Dabei nimmt sie insbesondere den Tech-Sektor ins Visier und flankiert ihr Vorgehen mit Schritten wie einer Ende September eingereichten Monopolklage gegen Amazon.
Höhere Geldstrafen
Neben der FTC greift auch das US-Justizministerium stärker durch. Im Vorwahljahr 2023 hat es zwar weniger Unternehmen wegen mutmaßlicher kartellrechtlicher Verstöße angeklagt als 2021 und 2022, dabei aber höhere Geldstrafen erstritten. Das Volumen belief sich bis Ende Oktober auf 267 Mill. Dollar, der rückläufige Trend aus den Vorjahren hat sich damit scharf umgekehrt. Jonathan Kanter, der die Kartellrechtsdivision im Ministerium leitet, führt die nachlassende M&A-Aktivität ab Anfang 2022 auf das Vorgehen seiner Behörde zurück.
In Zusammenarbeit mit der FTC hat das Justizministerium im Juli zudem eine umfangreiche neue Merger-Richtlinie vorgestellt – noch wartet der Markt auf ein Datum für die Einführung. Laut der Kanzlei Latham & Watkins würden die Regeln die Schwelle, ab der Behörden Zusammenschlüsse als wettbewerbsschädlich betrachten, deutlich senken.
Politiker auf beiden Seiten des Spektrums äußern sich besorgt über unerwünschte Konsequenzen. Denn durch die Reform würde der Verbraucherwohlstandard, über Jahrzehnte der Leitstern der US-Kartellprüfung, im Stillen abgeschafft. Nach diesem Grundsatz gingen Gerichte davon aus, dass Merger häufig positive ökonomische Effekte haben, da sie die operative Effizienz fördern und damit zu niedrigeren Preisen führen können.
FTC-Chefin Khan und Ministeriumsvertreter Kanter halten diese Sichtweise aber für zu eng. Ihrer Ansicht nach führt die bisherige Wettbewerbsrechtsprechung zu Problemen wie einer wachsenden ökonomischen Ungleichheit und einer nachlassenden Gründungsrate kleiner Unternehmen. Kritiker bezeichnen die angestrebte Reform jedoch als Versuch der Regulatoren, ihre Befugnisse auszuweiten und ihre Chancen vor Gericht zu verbessern.
Empfindliche Niederlagen
Denn sowohl die FTC als auch das US-Justizministerium haben zuletzt empfindliche Niederlagen einstecken müssen. Die Wettbewerbsbehörde scheiterte 2023 daran, die Übernahme des Virtual-Reality-Start-ups Within durch Meta Platforms wie auch die Akquisition des Spieleentwicklers Activision Blizzard durch Microsoft zu blockieren. Derweil haben US-Bundesrichter mehrere Klagen abgewiesen, mit denen das Justizministerium Transaktionen im Healthcare-, Verteidigungs- und Agrarsektor verhindern wollte.
In der Luftfahrt fällt die Bilanz besser aus. Im Mai urteilte ein Bundesrichter nach einer Klage des Justizministeriums, dass American Airlines und der Billigflieger Jetblue ihre Allianz im Nordosten der USA beenden mussten. Jetblue steht auch im Zentrum eines Prozesses, in dem ein Bostoner Richter am Dienstag Schlussplädoyers hörte und in Kürze ein Urteil fällen könnte: Kartellaufseher versuchen in dem Verfahren, den Merger der Airline mit dem Konkurrenten Spirit zu verhindern.
Optimistische Manager
Die Anwälte der Unternehmen betonen, dass eine Konsolidierung unter kleineren Airlines wichtig ist, um ein Gegengewicht zu den dominanten Größen im US-Flugverkehr zu bilden. Ähnliche Argumente dürften auch bei der Hawaiian-Übernahme durch Alaska Air zum Zuge kommen. Noch zeigen sich die CEOs optimistisch, dass der Deal den Gefallen der Regulatoren finden könnte, da sich nur zwölf Routen der Gesellschaften überschnitten. Investoren warten nun gespannt darauf, ob die Manager die harte Anti-Kartell-Linie der US-Behörden unterschätzen.
Geplante Merger in der US-Luftfahrt werden zum Prüfstein für den M&A-Markt. Denn Investoren erhoffen sich durch das Vorgehen selbst bei vermeintlich kleinen Deals Aufschlüsse darüber, inwieweit Amerikas Wettbewerbshüter ihre harte Anti-Kartell-Linie auch ins Wahljahr 2024 hinein verfolgen.