Agnelli-Familie wettet auf Fusionsenergie
Agnelli-Familie wettet auf Fusionsenergie
kro Frankfurt
Die italienische Fiat-Gründerfamilie Agnelli will der europäischen Fusionsenergie mit einer Kapitalspritze auf die Sprünge helfen. Über ihre Investmentfirma Lingotto hat sie sich zusammen mit East X Ventures als Hauptinvestor am britischen Start-up Tokamak Energy beteiligt, das – wie der Name verrät – an der Entwicklung eines Fusionsreaktors vom Typ Tokamak arbeitet. In Tokamaks kommt, wie auch in sogenannten Stellaratoren, die Magnetfusionstechnologie zum Einsatz, für die es spezielle, „supraleitende“ Magnete braucht, die Tokamak Energy ebenfalls entwickelt.
Das bereits im Jahr 2009 aus der britischen Atomenergie-Behörde ausgegründete Unternehmen hat im Rahmen der Finanzierungsrunde nach eigenen Angaben 125 Mill. Dollar eingesammelt. Erstmals beteiligt haben sich auch Furukawa Electric Company, British Patient Capital, die BW Group und Sabanci Climate Ventures. Der in der Schweiz lebende Capri-Sun-Milliardär Hans-Peter Wild hat auch schon Geld in die Firma gesteckt.
In den USA soll Pilotanlage entstehen
Insgesamt sind Tokamak Energy den Angaben zufolge nun schon 335 Mill. Dollar zugeflossen, darunter 60 Mill. Dollar an öffentlichen Förderungen aus Großbritannien und den USA. Mit den frischen Mitteln sollen die Kommerzialisierung des Magnetgeschäfts sowie die Errichtung einer Pilotanlage in den USA vorangetrieben werden.
Im Oktober hatte Tokamak Energy erste Details zu der geplanten Anlage auf einer Veranstaltung der American Physical Society in Georgia bekanntgegeben. Der Reaktor soll demnach in der Lage sein, 800 Megawatt an Fusionsenergie zu erzeugen, wovon nach Eigenverbrauch 85 Megawatt an Netto-Strom zur Einspeisung ins Netz übrig bleiben sollen. Den Angaben zufolge würde das den Wärmebedarf von mehr als 70.000 US-Haushalten decken.
Kernfusion gilt als großer Hoffnungsträger im Bereich der künftigen, CO2-freien Stromversorgung. Mit der Technologie soll ein in der Sonne und anderen Sternen stattfindender physikalischer Prozess auf der Erde in speziellen Kraftwerken nachgeahmt werden, was in der Theorie künftig eine nahezu unerschöpfliche und grundlastfähige (also ohne Unterbrechungen laufende) Energiequelle darstellen könnte. Bislang ist die Technologie noch nicht über das Forschungsstadium hinausgekommen.
In Deutschland hat zuletzt das Münchener Fusionsenergie-Start-up Marvel Fusion mit einer Series-B-Finanzierungsrunde in Höhe von 60 Mill. Euro auf sich aufmerksam gemacht. Das Unternehmen verfolgt mit der laserbasierten Trägheitsfusion einen anderen technologischen Ansatz als Tokamak Energy. Insgesamt forschen derzeit vier deutsche Start-ups an der Kernfusion – neben Marvel sind das noch Gauss Fusion aus Hanau, Proxima Fusion aus München und Focused Energy aus Darmstadt.