RECHT UND KAPITALMARKT

Aixtron-Fall hat enorme Folgen für Übernahmen

US-Regulierung erschwert M & A-Transaktionen in Hochtechnologie-Segmenten - Sorgfältige Vorbereitung von Zukäufen angeraten

Aixtron-Fall hat enorme Folgen für Übernahmen

Von Christoph H. Seibt *)Der US-Präsident hat nach US-Außenhandelsrecht die Befugnis, eine Transaktion zu untersagen, durch die eine ausländische Person Kontrolle über eine Einheit erhält, die US-Geschäft betreibt, wenn dadurch die nationale Sicherheit der USA gefährdet sein könnte. Von dieser Befugnis machte Barack Obama – nach entsprechender Empfehlung des aus Regierungsmitgliedern gebildeten Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) – am 2. Dezember Gebrauch und untersagte den – mittelbar durch das Übernahmeangebot des chinesischen Investors Grand Chip Investment (GCI) an die Aixtron-Aktionäre miterfolgenden – Erwerb des Aixtron-US-Geschäfts. GCI teilte daraufhin am 8. Dezember mit, dass die Gesamttransaktion gescheitert sei. Das CFIUS hatte bereits im Januar 2016 die Untersagung des Erwerbs von Philips Lumileds durch den chinesischen Investor GO Scale empfohlen; hieraufhin brachen die Beteiligten die Transaktion vor der Präsidialentscheidung ab.Beide Fälle werfen ein Schlaglicht darauf, dass die CFIUS-Regulierung auch solche Transaktionen erfasst, bei denen keine US-Zielgesellschaft involviert ist. Die Folgen der Aixtron-Verfügung auf M & A-Transaktionen mit deutscher Unternehmensbeteiligung, insbesondere in Hochtechnologie-Segmenten, werden enorm sein.Die CFIUS-Regulierung betrifft “Kontrolltransaktionen” in einem weiten Sinne: Es sind alle Arten von Erwerbgeschäften erfasst, zum Beispiel öffentliche Kaufangebote, Umwandlungen, Beteiligungen an Joint Ventures oder der Abschluss eines Betriebsführungsvertrags. Dabei gilt ein Kontrollkonzept, bei dem darauf abgestellt wird, ob der Erwerber tatsächlich und funktional die Möglichkeit der Einflussnahme auf wesentliche Entscheidungen des US-Geschäfts der Zielgesellschaft hat. Dies wird abgegrenzt von passiven Finanzinvestments mit in der Regel weniger als 10 % der Stimmrechte. CFIUS hat kürzlich auch Käufe von weniger als 20 % als Kontrolltransaktion qualifiziert, vor allem wenn hiermit eine Beteiligung in einem Geschäftsleitungs- oder Überwachungsorgan verbunden war.Bei der Beurteilung des materiellen Untersagungskriteriums der nationalen Sicherheit hat CFIUS u.a. Erwerbsfolgen zu berücksichtigen: (i) für zukünftige nationale Verteidigungsaufgaben benötigte US-Produktion; (ii) für die nationale Sicherheit erforderliche Kontrolle über US-Industrien und -Handelsaktivitäten; (iii) für den Verkauf von Militärgütern, Ausrüstung oder Technologie in Drittstaaten; (iv) für die globale technologische Führerschaft der USA in sicherheitsrelevanten Bereichen; (v) für den Erwerb sicherheitsrelevanter Technologien und Infrastruktur. Dabei geht CFIUS bei der Prüfung insbesondere auch der Frage nach, ob und inwieweit die Transaktion Einfluss auf die Wertschöpfungskette, d.h. auf US-Kunden und Lieferanten, bei der Produktion möglicherweise auch erst zukünftig sicherheitsrelevanter Produkte hat. Zwei PhasenDas CFIUS-Verfahren kann entweder von Amts wegen oder durch eine freiwillige Anzeige der Transaktionsbeteiligten ausgelöst werden. Eine Anzeige muss detaillierte Informationen über Art und Struktur der Transaktion sowie Identität des Erwerbers, einschließlich der Erwerberstruktur und von personenbezogenen Angaben über deren Management, enthalten. Das Verfahren besteht aus zwei hintereinander geschalteten Phasen: In einer 30-tägigen Prüfungsphase (die Frist wird erst mit Bestätigung des vollständigen Antragseingangs ausgelöst!) muss CFIUS entscheiden, ob die Transaktion freigegeben oder eine Detailuntersuchung erforderlich ist. In einer solchen 45-tägigen Nachprüfungsphase wird regelmäßig anhand weiterer, von den Parteien zu übermittelnder Informationen geprüft, ob die Transaktion die nationale Sicherheit beeinträchtigen könnte.Jederzeit kann das Komitee einen sogenannten No Action Letter abgeben oder – was in der Praxis in fast 10 % der Fälle vorkommt – ein sogenanntes Mitigation Agreement abschließen, um mögliche Sicherheitsbeeinträchtigungen auszuschließen oder abzuschwächen. Andernfalls wird das Verfahren mit einer Empfehlung an den US-Präsidenten beendet, der innerhalb einer 15-tägigen Frist eine Entscheidung fällen muss.Der Anteil der Fälle, die nicht in der ersten Prüfungsphase beendet werden, liegt bei etwa 40 %. In etwa 10 % der Fälle brechen die Parteien die Transaktion während des Verfahrens ab. Der Verfahrensablauf und die Entscheidungsgründe bleiben auch für die betroffenen Parteien vertraulich. Die Präsidialverfügungen sind praktisch nicht justiziabel. Die Zahl der CFIUS-Verfahren hat in 2015 einen historischen Höchststand erreicht. Bieter aus China standen 2014 und 2015 an der Spitze der Länderliste, dahinter Unternehmen aus UK, Kanada, Japan, Deutschland und Südkorea.Wenngleich sich die Verbotsverfügungen des US-Präsidenten gesetzlich zwingend auf das von der Transaktion betroffene US-Geschäft beschränken müssen, wird alleine dies die Gesamttransaktion häufig scheitern lassen. Denn die Definition des US-Geschäfts umfasst nicht nur die miterworbenen US-Tochtergesellschaften, sondern auch alle Vermögensgegenstände, die von den Transaktionsparteien für den innerstaatlichen US-Handel genutzt werden oder deren Innehabung für diesen US-Handel von Vorteil sind. Damit betrifft die Verbotsverfügung nicht nur die bestehenden US-Umsätze, sondern mittelbar auch andere Regionalumsätze und Assets. Dieser weite Anwendungsbereich entspricht der US-Kartellrechtspraxis. Die Sanktionsmöglichkeiten umfassen drakonische Bußgelder, die Zwangsverwaltung über US-Tochtergesellschaften sowie US-Patente und das Einfrieren von Geldern bei US-Banken.Was ergibt sich hieraus konkret: (1) Ausländische Käufer deutscher Zielunternehmen, vor allem von solchen, die in Hochtechnologie- und Big-Data-Segmenten tätig oder in die Herstellung von Military-Dual-Use-Produkten eingebunden sind, müssen das CFIUS-Verfahren sorgfältig vorplanen und die Due Diligence auf US-Sicherheitsaspekte ausdehnen. Dabei wird der Käufer in praxi zwingend auf die Kooperation des Ziel-Managements angewiesen sein. Es wird dann auch geprüft, ob der Carve-out des US-Geschäfts technisch möglich und wirtschaftlich akzeptabel ist; gegebenenfalls wird eine Break Fee vom Interessenten verlangt werden. Bei WpÜG-Übernahmen wird eine spezifische Angebotsbedingung aufzunehmen sein, die sowohl den Fall der CFIUS-Verbotsverfügung als auch den Zwangsabschluss eines erheblich nachteilhaften Mitigation Agreement regelt. Ansonsten droht der Zwang zur Aktienabnahme und Kaufpreiszahlung, ohne dass das US-Geschäft miterworben werden kann. Dieses kann dann einer Zwangsverwaltung mit dem Ziel eines Weiterverkaufs ohne Mindestpreis unterstellt werden.(2) Auch deutsche Käuferunternehmen ausländischer Zielgesellschaften können der CFIUS-Regulierung unterfallen – und sie haben auch in der Vergangenheit schon Mitigation Agreements abschließen müssen. Es ist keine China-Only-Abwehrgesetzgebung. (3) Deutsche Zielunternehmen erhalten durch die CFIUS-Regulierung mittelbar eine stärkere Rolle in Übernahmefällen, da ihre Positionierung und Fragenbeantwortung gegenüber dem US-Komitee von erheblicher Bedeutung ist. Mit dem Management unabgestimmte Übernahmen von deutschen Zielunternehmen in Hochtechnologie-, Big-Data- und Military-Dual-Use-Bereichen (die regelmäßig auch ein erhebliches US-Geschäft haben) sind nun außerordentlich erschwert. (4) Die weite Auslegungspraxis des CFIUS wird Rückwirkungen auf die deutsche AWG-Auslegungspraxis haben. Denn die sektorübergreifende Prüfungskompetenz ist flexibel genug, um bereits heute strengere und auch Hochtechnologie- und Datensicherheitsaspekte berücksichtigende Regulierungsvorstellungen durchzusetzen.Die Einschätzung von CFIUS über die Sicherheitsrelevanz deutscher Hochtechnologiekapazitäten wird auch für die deutsche Behördenpraxis eine Indizwirkung haben und wird das Prüfungsverfahren zeitlich und inhaltlich beeinflussen.—-*) Prof. Dr. Christoph H. Seibt ist Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg und Honorarprofessor an der Bucerius Law School.