Aktienkurs eilt auf Rekordniveau
mic München
Biotechnologieunternehmen sind gefragt, insbesondere seitdem die Corona-Pandemie die Welt im Griff hat. Dies gilt auch für Formycon. Als der Biosimilar-Entwickler aus Martinsried-Planegg bei München am Dienstag mitteilte, dass ein Nachahmer-Medikament zur Bekämpfung der Schuppenflechte eine gute Wirksamkeit habe, kannte der Aktienkurs wieder nur eine Richtung: nach oben. Er kletterte bis zum Schluss des Xetra-Handels um 3,3% auf das Rekordniveau von 87,30 Euro. Seit Ende vergangenen Jahres beträgt der Anstieg 48%.
Die jüngste Erfolgsmeldung kommt nicht allzu spektakulär daher. Es gebe positive Zwischenergebnisse zu Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Biosimilar-Kandidaten – unternehmensintern FYB202 genannt – für das Johnson&Johnson-Medikament Stelara aus der klinischen Phase-III-Studie, hieß es.
Der seit Anfang Juli amtierende Formycon-Vorstandschef Stefan Glombitza kommentierte: „Mit FYB202 verfügen wir über einen aussichtsreichen Biosimilar-Kandidaten.“ Damit unterstreiche das Unternehmen seine Expertise in der Entwicklung qualitativ hochwertiger Biosimilars – also jener Nachahmerprodukte von Biopharmazeutika, deren Patentschutz ausläuft.
Tatsächlich ist weniger der Zwischenschritt als solcher bemerkenswert, sondern die Tatsache, dass Formycon bisher seine meisten Vorhaben erfolgreich umgesetzt hat. Es mag nicht jeder Zeitplan exakt eingehalten werden – ursprünglich wollte das Management von 2020 an kontinuierlich Arzneimittel auf die Märkte in den USA und in Europa bringen. Aber als erster Biosimilar geht nun tatsächlich das Nachahmermedikament für die Augenheilmittel Lucentis von Genentech an den Start. Es werde voraussichtlich das erste in Europa vermarktete Biosimilar zu Lucentis sein, erklärte Formycon.
Premiere in Großbritannien
Im Mai erhielten Formycon und Lizenzpartner Bioeq die Marktzulassung in Großbritannien für das Medikament, das firmenintern FYB201 genannt wird. Unter dem Handelsnamen Ongavia soll es im Verlauf des Jahres vom Partner Teva Pharmaceutical in den Markt eingeführt werden. Anfang August erteilte die US-Aufsichtsbehörde FDA die Genehmigung. Mit der Zulassung in der Europäischen Union wird nach einer positiven Stellungnahme der Europäischen Arzneimittel-Agentur in wenigen Wochen gerechnet.
Größte Aktionäre von Formycon sind seit dem Vollzug einer Transaktion im Mai die Gebrüder Andreas und Thomas Strüngmann. Ihre Firma Bioeq wurde in Formycon integriert, dafür erhalten sie Gegenleistungen im Wert von 650 Mill. Euro. Erstens stiegen sie per Sachkapitalerhöhung von 4 Millionen Aktien à 83,41 Euro je Aktie ein. Das Gesamtvolumen von 334 Mill. Euro verschafft ihrer Gesellschaft Athos einen Anteil von 26,6 %. Zweitens erhält Athos eine Erlösbeteiligung an den künftig mit FYB201 und FYB202 erzielten Einnahmen. Diese soll sich über einen Zeitraum von voraussichtlich 15 Jahren auf einen mittleren dreistelligen Millionenbereich addieren.
Thomas Strüngmann ist seit Juni Mitglied des Aufsichtsrats, dem weitere Großaktionäre angehören. Außenstehende Aktionäre allerdings haben nun weniger Einfluss. Der Streubesitz sank durch die Transaktion von 35 auf 27%.
Schon im Jahr 2016 hatte der damalige Formycon-Chef Carsten Brockmeyer im Interview der Börsen-Zeitung mit Blick auf die Arzneimittelbranche erklärt: „Biosimilars sind das heißeste Thema.“ Denn sie seien politisch gewollt, um Patienten Zugang zu bezahlbaren Arzneimitteln hoher Qualität zu bieten.
Im Jahr 2021 hat der europäische Biosimilar-Markt nach Rechnung von Formycon ein Umsatzvolumen von 8,8 Mrd. Euro erreicht. In Deutschland würden bis zum Jahr 2025 Schutzfristen für mehr als 40 biotechnologische Arzneimittel auslaufen. Ihr Gesamtvolumen betrage 3 Mrd. Euro. Im vergangenen Jahr seien 1,5 Mrd. Euro durch den Einsatz von Biosimilars eingespart worden, stellt das Formycon-Vorstandsteam im Geschäftsbericht 2021 fest.
Die Pipeline von Formycon ist ausbaufähig, denn, wie Brockmeyer einst sagte: „Das Geschäftsmodell ist skalierbar.“ Nachdem in einer Studie eine Vorgabe für pharmakokinetischen Daten knapp verfehlt wurde, sollen nun die Zulassungsunterlagen für FYB202 in Europa und den USA im dritten Quartal 2023 eingereicht werden. Darüber hinaus sind unter anderem ein Biosimilar-Kandidat für altersbedingte Makuladegeneration unter dem Namen FYB203 (Eylea) und ein Wirkstoff gegen Sars-CoV-2 in der Entwicklung.
Zugleich kündigte Formycon an, die Mittelzuflüsse aus der Athos-Transaktion in den beschleunigten Ausbau der Entwicklungs-Pipeline investieren zu wollen. Vor kurzem wurden zwei Projekte gestartet. Für FYB208 und FYB209 seien die Referenzmoleküle identifiziert und die ersten Entwicklungsaktivitäten initiiert worden, erklärt Formycon.
Die Gewinn-und Verlust-Rechnung von Formycon ist im Vergleich zur Marktkapitalisierung von 1,3 Mrd. Euro gänzlich unspektakulär. Im vergangenen Jahr wurden knapp 40 Mill. Euro umgesetzt, der Verlust betrug gut 13 Mill. Euro. Mit der Ongavia-Markteinführung in Großbritannien winken allerdings nun erstmals Einnahmen aus einer Produktvermarktung.