RECHT UND KAPITALMARKT

Aktienrechtsnovelle macht Vorzugsaktie flexibler

Neue Regeln über Namensaktien und Wandelschuldverschreibungen - Reform des Beschlussmängelrechts angeraten

Aktienrechtsnovelle macht Vorzugsaktie flexibler

Von Murad Daghles *)Nach einem fast fünf Jahre währenden Gesetzgebungsverfahren hat der Bundestag am 12. November 2015 die Aktienrechtsnovelle 2016 beschlossen. Bereits 2011 legte die damalige Bundesregierung dem Bundestag einen Referentenentwurf zur Aktienrechtsnovelle 2012 vor. Der Bundesrat hatte jedoch kurz vor Ende der Wahlperiode den Vermittlungsausschuss angerufen, was dazu führte, dass der Gesetzesentwurf nicht umgesetzt werden konnte. Am 18. März 2015 brachte die Bundesregierung erneut einen Regierungsentwurf ein, der weitgehend der Aktienrechtsnovelle 2012 entsprach. Allerdings – und dies sei vorweggenommen – wurde auf eine gesetzliche Regelung zur schärferen Kontrolle der Vorstandsvergütung (insbesondere “Say on Pay”) verzichtet. Zahlreiche AnpassungenIn der am 12. November 2015 beschlossenen Aktienrechtsnovelle 2016 wurden weitere wesentliche Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf vom 18. März 2015 vorgenommen. So wurde auf die Einführung eines einheitlichen Nachweisstichtages für Namens- und Inhaberaktien ebenso verzichtet wie auf eine relative Befristung der Nichtigkeitsklage. Neu hinzukommen ist demgegenüber die oberhalb der Mindestanzahl freie Bestimmbarkeit der Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder bei sogenannten kleinen Aktiengesellschaften. Die Aktienrechtsnovelle ist am 31. Dezember 2015 in Kraft getreten.Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften bildet zukünftig die Ausgabe von Namensaktien den gesetzlichen Regelfall. Inhaberaktien dürfen nur noch ausgegeben werden, wenn die Aktiengesellschaft börsennotiert (im Sinne des § 3 Absatz 2 AktG) ist oder wenn – im Falle nicht börsennotierter Aktiengesellschaften – der Anspruch auf Einzelverbriefung in der Satzung ausgeschlossen wurde und die Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank (in Deutschland nur bei Clearstream Banking AG) oder einem vergleichbaren ausländischen Verwahrer hinterlegt wird. Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, fehle es an der erforderlichen Transparenz der Beteiligungsverhältnisse. Eine derartige Transparenz sei jedoch insbesondere zur wirksamen Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierungen erforderlich.Ferner wurde das Wandlungsrecht der Gesellschaft bei Wandelschuldverschreibungen angepasst. Wandelschuldverschreibungen sind nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 221 Absatz 1 Satz 1 AktG) Schuldverschreibungen, bei denen dem Gläubiger – neben seinem Zahlungsanspruch – ein Umtauschrecht auf Aktien (Wandelanleihen im engeren Sinne) oder ein Bezugsrecht auf Aktien (Optionsanleihe) eingeräumt wird. Gesetzliche Regelungen über ein Wandlungsrecht der Gesellschaft existierten bislang nicht. Umtauschrecht verankertIn der Praxis wurde vertraglich ein solches Wandlungsrecht der Gesellschaft durch Ausgabe von sogenannten Pflichtwandelanleihen vereinbart. Darin verpflichtet sich der Gläubiger regelmäßig bereits im Zeitpunkt der Zeichnung, sein Wandlungsrecht auszuüben. Im Rahmen der Aktienrechtsnovelle 2016 wird ein Umtauschrecht der Gesellschaft gesetzlich nunmehr geregelt. Künftig kann die Gesellschaft statt der Rückzahlung der Anleihe auch Aktien gewähren. Hierdurch soll die Finanzierung von Aktiengesellschaften flexibilisiert werden. Zudem wurde klargestellt, dass auch für Wandelschuldverschreibungen, die ein Wandlungsrecht der Gesellschaft vorsehen, bedingtes Kapital geschaffen werden kann.Mittels dieses Wandlungsrechts der Gesellschaft wird zudem die Möglichkeit geschaffen, Gläubiger an einer Gesellschaft im Falle einer etwaigen Notsituation mittels Debt-to-Equity-Swaps zu beteiligen. Dies kann auf Vorrat angelegt und im Krisenfall schnell und geräuschlos umgesetzt werden. Wandelschuldverschreibungen, die ein Umtauschrecht der Gesellschaft für bestimmte Krisensituationen vorsehen, werden zusätzlich privilegiert. Die Höchstgrenze von 50 % des Nennbetrags des Grundkapitals für bedingte Kapitalerhöhungen soll nicht für Wandelschuldverschreibungen gelten, die ein Umtauschrecht der Gesellschaft zum Zwecke der Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit vorsehen.Ferner wurden die Rahmenbedingungen für Vorzugsaktien liberalisiert. Aktiengesellschaften sollen demnach zukünftig wahlweise Vorzugsaktien mit oder ohne Nachzahlungspflicht ausgeben können. Hierdurch soll insbesondere Kreditinstituten die Einhaltung ihrer regulatorischen Eigenkapitalanforderungen erleichtert werden. Die Zahlung eines zwingend nachzuzahlenden Vorzugs zählt somit nicht mehr zu den konstituierenden Merkmalen einer Vorzugsaktie, vielmehr kann die Kompensation des Stimmrechtsverlustes auch durch einen erhöhten Gewinnanteil erfolgen. Auch bei Vorzugsaktien ohne Nachzahlungspflicht soll das Stimmrecht wieder aufleben, wenn der Vorzug nicht nachgezahlt wird. Im Unterschied zu Vorzugsaktien mit Nachzahlungspflicht soll das Stimmrecht aber sofort aufleben, sobald die Vorzugsdividende nicht gezahlt wurde.Schließlich wurde der Grundsatz eingeschränkt, dass die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder zwingend durch drei teilbar sein muss. Der Grundsatz der Dreiteilbarkeit der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder gilt zukünftig nur noch für Gesellschaften, für die das Drittelbeteiligungsgesetz gilt, mithin für Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Sogenannte kleine Aktiengesellschaften können künftig die Anzahl ihrer Aufsichtsratsmitglieder oberhalb der Mindestanzahl von drei Mitgliedern frei festlegen. Die Regelung der Dreiteilbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder besteht somit nur noch, wenn dies zur Erfüllung mitbestimmungsrechtlicher Vorgaben erforderlich ist.Nicht übernommen hat der Gesetzgeber die ursprünglich geplante Regelung zur relativen Befristung von Nichtigkeitsklagen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah vor, dass Aktionäre nach Erhebung einer Klage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss und deren Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern nur noch innerhalb eines Monats Klage gegen diesen Beschluss hätten erheben können. Hierdurch sollte sogenannten missbräuchlich nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen begegnet werden. Der Ausschuss für Recht- und Verbraucherschutz schlug vor, auf die Fortführung punktueller Änderungen des Beschlussmängelrechts zu verzichten und dieses vielmehr einer geschlossenen Reform zuzuführen. Dem ist der Bundestag gefolgt. Auf einen einheitlichen Nachweisstichtag für Namens- und Inhaberaktien wird ebenfalls verzichtet. Der Deutsche Bundestag bittet die Europäische Kommission, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem ein europaweit einheitlicher Stichtag für den Nachweis der Aktionärsstellung geregelt wird.Ferner nicht übernommen wurde die ursprünglich vorgesehene Regelung zur Vorstandsvergütung. Vor dem Hintergrund eines seitens der EU-Kommission eingebrachten Vorschlags zur Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie, welcher in seinem jetzigen Stadium vorsieht, dass Aktionäre Einfluss auf die Vergütungspolitik nehmen können, wurde bereits im Regierungsentwurf vom 18. März 2015 auf die Einführung von Regelungen verzichtet, die die Vergütungspolitik von Gesellschaften näher regeln. Insofern wird die weitere europäische Rechtsentwicklung abzuwarten sein. Gute GründeInsgesamt sind die Regelungen zur Aktienrechtsnovelle begrüßenswert, wenngleich änderungsbedürftige Bereiche auf sich warten lassen. Im Hinblick auf die im Rahmen der Aktionärsrechte-Richtlinie zu erwartenden, detaillierten Regelungen hat der Gesetzgeber jedoch in nachvollziehbarer Weise davon abgesehen, Regelungen zur Vorstandsvergütung in die Aktienrechtsnovelle aufzunehmen. Hinsichtlich des Problems der nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen sind die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, von einer Regelung abzusehen, nachzuvollziehen. Allerdings wäre eine umfassende Revision des Beschlussmängelrechts in absehbarer Zeit zu begrüßen.—-*) Dr. Murad Daghles ist Rechtsanwalt bei Allen & Overy.