Aktienrückkäufe übertreffen Neuemissionen
wb Frankfurt – Börsengänge in Europa und speziell in Deutschland sind alles andere als in Mode. Christoph Stanger, ein Urgestein von Goldman Sachs und Co-Head Equity Capital Markets der US-Investmentbank in Europa, rechnet nicht mit einer signifikanten Änderung im zweiten Halbjahr gegenüber dem ersten. “Mittelfristig sind einige interessante Dinge zu erwarten”, sagt er. Dabei geht es etwa um die BASF-Pläne für Wintershall Dea, die Thyssenkrupp-Aufzüge oder die Öl- und Gassparte von Siemens. Dieses Jahr könnte noch das Software-Haus Teamviewer aus dem Portfolio von Permira auf die Agenda rücken.Es könnte mit einer Bewertung von 4 Mrd. bis 5 Mrd. Euro und einem möglichen Streubesitz von einem Drittel nach Schätzungen in Finanzkreisen das größte TMT-IPO (Technologie-Medien-Telekommunikation) seit T-Online im Jahr 2000 werden. Goldman und Morgan Stanley sind mandatiert.”Ich rechne im zweiten Halbjahr mit fünf oder sechs IPOs, so dass wir 2019 auf ein Gesamtvolumen von 2 Mrd. bis 3 Mrd. Euro kommen könnten”, sagt Stefan Ries, der neue Leiter ECM für Kontinentaleuropa von Berenberg, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dabei gehe es um Transaktionen in einer Größenordnung von 150 Mill. bis 400 Mill. Euro.Auch in Europa wird jetzt ein Trend aus den USA virulent: Der Saldo aus Neuemissionen und Aktienrückkäufen ist 2018 erstmals seit vielen Jahren negativ gewesen. Das Buyback-Volumen stieg 2018 in Europa von 20 Mrd. auf 31 Mrd. Euro. In Deutschland habe sich über die vergangenen zwei, drei Jahre in etwa verdoppelt. Für 2019 seien dafür 9 Mrd. Euro nach knapp 10 Mrd. Euro 2018 zu erwarten.Europaweit ist das IPO-Volumen bis Ende Juni um 48 % eingebrochen, während es in den USA, maßgeblich getrieben von Tech-Emittenten, auf dem Hoch ist. Rund 18 Mrd. Dollar waren es in den ersten sechs Monaten und damit mehr als in den vollen Jahren 2015, 2016 und 2017 und nur leicht weniger als im gesamten vorigen Turnus. Dabei liegen die Bewertungen in den USA deutlich höhere: Dortige Werte handeln mit dem 16,9-fachen Gewinn, der Dax mit dem Faktor 12,7. “Die Volatilität ist auf dem historischen Tiefstand”, hebt Stanger als positiven Faktor heraus. Wachstumswerte gesucht Der Markt suche stark wachsende Unternehmen und keine Zykliker aus der Industrie. Insofern sei auch in Europa Technologie und Software gesucht. “Der Brexit ist ziemlich irrelevant für den IPO-Mark”, sagt Stanger. Das könne sich mit einer Verschärfung im Oktober aber wieder ändern. Aus Europa haben Investoren seinen Beobachtungen zufolge Investoren dieses Jahr etwa 72 Mrd. Dollar abgezogen. Positiv hingegen könnten sich Aktionärsaktivisten auswirken, die auf Fokussierung und Spin-offs drängen.Der Markt stehe vor allem im Bann der Erwartungen, dass die Konjunktur nach dem langen Zyklus kippen könnte – Investoren fragten sich insofern, wann der Markt korrigiere. Nach den pessimistischen Einschätzungen im Spätherbst 2018 seien die Erwartungen zunächst um zwölf Monate verschoben worden. Der Handelskrieg zwischen den USA mit China schlage sich zwar bisher noch kaum in den Ergebnissen nieder, belaste aber Investorenentscheidungen. Private Equity ist als IPO-Quelle schwach. Die Fonds haben stark aus ihren Portfolios abverkauft und sind jetzt eher auf dem Investmenttrip statt IPOs anzugehen. Europaweit gab es 2019 bisher 18 Börsengänge im Volumen nördlich von 200 Mill. Dollar. Vier IPOs wurden bis Ende Juni abgesagt. Aktuell lässt Swiss Re die Börsenpläne für die Tochter Reassure in London ruhen. Es sollte um einen Börsenwert von 3,1 Mrd. bis 3,7 Mrd. Euro gehen.