Agrar- und Pharmabranche

Aktionärskritik an Bayer wird immer stärker

Der Druck auf das Management des Bayer-Konzerns nimmt zu - inzwischen äußern auch immer mehr deutsche Aktionärsvertreter heftige Kritik an der Unternehmensstrategie. Wie reagieren Aufsichtsrat und Vorstand?

Aktionärskritik an Bayer wird immer stärker

Beim Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer erhöht sich der Druck der Aktionäre weiter. Nach diversen Wortmeldungen angelsächsischer Investoren äußern sich nun auch Vertreter deutscher Adressen kritisch. So würde Markus Manns, Manager bei Union Investment, eine vorzeitige Ablösung von Konzernchef Werner Baumann begrüßen. „Bei der CEO-Nachfolge gilt: Je früher, desto besser! Sobald ein geeigneter Kandidat gefunden wurde, wird sich Herr Baumann einer vorzeitigen Stabübergabe bestimmt nicht widersetzen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er betonte weiter: „Ein externer Nachfolger oder eine externe Nachfolgerin hätte den Charme, Bayers Probleme unvoreingenommen analysieren zu können und könnte frischen Wind in die Organisation bringen.“ Baumanns Vertrag läuft noch bis April 2024.

Eine andere Forderung von Investoren lehnt Manns hingegen ab: „Solange die Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten noch nicht endgültig beigelegt sind, macht eine Aufspaltung keinen Sinn.“ Union Investment hält laut einer Aufstellung der Nachrichtenagentur Bloomberg derzeit knapp 1% an Bayer. „Prinzipiell könnten beide Geschäftseinheiten aber auch unabhängig voneinander existieren“, sagte Manns weiter. „In diesem Fall würde Bayer Pharma allerdings schnell von einem größeren Player geschluckt werden, so dass wir dann eher von einer Zerschlagung von Bayer reden.“

In der selben Zeitung machte sich der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, noch etwas deutlicher für einen vorzeitigen Abgang Baumanns stark: „Ich gehe davon aus, dass es vor der Hauptversammlung im Frühjahr einen Namen geben wird. Der oder die Neue muss Werner Baumann vorzeitig ablösen. Baumann kann nicht bis April 2024 ein Chef auf Abruf sein, das kann Bayer sich nicht leisten“, sagte er. „Der Konzern braucht schnell einen starken CEO – am besten keinen Finanzexperten, sondern eine Frau oder einen Mann wie Marijn Dekkers mit wissenschaftlichem Hintergrund.“

Auch Tüngler bevorzugt einen Manager von außen als Nachfolger des aktuellen Konzernchefs. „Es ist doch völlig klar: Der neue Bayer-Chef muss ein Externer sein, sonst wird Bayer nicht zur Ruhe komme“, sagte er. Jeder interne Kandidat hätte den Makel, ein potenzieller Bewahrer zu sein. „Was Bayer jetzt braucht, ist Aufbruch und ein ehrlicher, unvoreingenommener Blick auf die Aufstellung.“ Das wisse auch der Aufsichtsrat, die Forderungen der Hedgefonds sei nur Säbelrasseln, kritisierte der DSW-Vertreter einige Investoren.

Hedgefonds macht weiter Druck

Seit geraumer Zeit wirbt der Hedgefonds-Manager Jeff Ubben bei anderen Bayer-Investoren um Unterstützung für Veränderungen bei dem Pharma- und Agrarkonzern. Ubben hat bereits mehrere gewichtige Anteilseigner kontaktiert, wie die Nachrichtenagentur Reuters von drei mit der Sache vertrauten Personen erfuhr. David Herro, Anlagechef beim viertgrößten Bayer-Aktionär Harris Associates, bestätigte Reuters, dass Ubben mit Harris in Kontakt getreten sei und über Bayer gesprochen habe. Herro erklärte, Harris habe zwar keine konkreten Forderungen bezüglich der Strategie und der Konzernstruktur des deutschen Branchenriesen, würde aber eine zügige vorzeitige Ablösung von Vorstandschef Werner Baumann noch vor dessen Vertragsende im April 2024 begrüßen. Ein solcher Schritt sei „bevorzugt“.

Ubben hatte Anfang Januar mit dem Einstieg seiner Investmentfirma Inclusive Capital bei Bayer für Aufsehen gesorgt. Den Anteil von 0,83% hatte er offengelegt, obwohl er unter der ersten meldepflichtigen Schwelle von 3% liegt. Der „Financial Times“ hatte Ubben zu diesem Zeitpunkt gesagt, er würde es bevorzugen, wenn Bayer einen neuen Vorstandschef außerhalb der eigenen Reihen findet. Eine Zerschlagung des Pharma- und Agrarkonzerns sei nicht notwendig, um Wert zu schaffen, „aber sie muss auf dem Tisch liegen“.

Den immer wiederkehrenden Spekulationen über eine Aufspaltung von Bayer hatte auch der darauf bekannt gewordene Einstieg des aktivistischen Investors Bluebell neue Nahrung gegeben. Einem Insider zufolge drängt der Investor, der sich schon vor einigen Monaten an Bayer beteiligt hat, auf einen Verkauf des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten. Bayer könnte dann in ein Pharma- und ein Agrar-Unternehmen aufgespalten werden.

Bluebell hat sich in den vergangenen drei Jahren Großkonzerne wie GSK, Glencore oder Vivendi vorgeknöpft, obwohl der Hedgefonds nur sehr kleine Anteile besitzt, und war etwa maßgeblich an der Absetzung des Chefs des Lebensmittelriesen Danone 2021 beteiligt. Ubben gilt als eher zurückhaltender aktivistischer Investor. Die US-Investmentgesellschaft ValueAct baute der 61-jährige zu einem der einflussreichsten aktivistischen Hedgefonds der Welt aus und startete 2013 eine Kampagne gegen Microsoft, die zum Rücktritt des damaligen Vorstandschefs Steve Ballmer führte. 2020 gründete Ubben, der im Verwaltungsrat des US-Ölkonzerns Exxon Mobil sitzt, Inclusive Capital. Im Januar schlug er einer der großen deutschen Fondsgesellschaften ein Treffen zu Bayer vor, wie ein Insider sagte.

Das Aktienkapital von Bayer ist am Markt breit gestreut, größter Aktionär ist laut Refinitiv der Vermögensverwalter BlackRock mit knapp 6,6%. „Ubben und Bluebell sprechen mit allen Investoren und versuchen, Unterstützung zu bekommen“, sagte eine mit der Sache vertraute Person zu Reuters.

„Acting in Concert“?

Die Baumann-kritischen Investoren müssen allerdings vorsichtig sein, wenn sie sich über ihr Vorgehen absprechen. Wenn die Zusammenarbeit zu offensichtlich ist, etwa weil sie in der Hauptversammlung gleichlautend abstimmen, können sie sich leicht dem Vorwurf des „acting in concert“ ausgesetzt sehen. Ihre Anteile würden ihnen dann wechselseitig zugerechnet. Dann müssten sie ihre Beteiligungen offenlegen. Wenn die Opposition damit auf mehr als 30% der Stimmrechte käme, könnte die Finanzaufsicht sie dann sogar zwingen, ein Übernahmeangebot für Bayer abzugeben.

Ubben war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Bayer wollte sich nicht dazu äußern, erklärte aber, das Unternehmen sei grundsätzlich immer offen für einen konstruktiven Dialog mit seinen Anteilseignern. Baumann steht seit der 63 Mrd. Dollar schweren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto 2018, die er kurz nach seinem Amtsantritt zwei Jahre zuvor ankündigte, unter Druck. Denn mit dem Zukauf handelte sich der Leverkusener Konzern eine Klagewelle wegen des von den Amerikanern entwickelten Unkrautvernichters Glyphosat ein, die Bayer Milliarden kostete und den Aktienkurs schwer belastete. Das einst wertvollste deutsche Dax-Unternehmen ist an der Börse nur noch 56,3 Mrd. Euro (60,58 Mrd. Dollar) wert – weniger, als es einst für Monsanto zahlte.

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