SIEMENS-HAUPTVERSAMMLUNG

Aktionäre kritisieren Dresser-Kauf

Siemens-Anteilseigner schätzen Preis als zu hoch ein - Unzufriedenheit mit dem Tempo des Umbaus

Aktionäre kritisieren Dresser-Kauf

Kritik am Kaufpreis des Ölspezialisten Dresser-Rand, beginnende Unzufriedenheit mit der Langfristigkeit des strategischen Wandels und divergierende Meinungen zur künftigen Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes bestimmten die Diskussion auf der Hauptversammlung von Siemens. Bei einer Präsenz von 42,9% wurden alle Tagesordnungspunkte mit einer Zustimmungsquote von mindestens 91% angenommen.mic München – Die Siemens-Investoren hätten dem Vorstandschef Joe Kaeser viel Vorschusslorbeer gegeben, erklärte Henning Gebhardt, Fondsmanager der Deutschen Asset & Wealth Management: “Leider haben Sie mit der Akquisition von Dresser-Rand dann aber viel Kredit verspielt.” Es sei der Eindruck entstanden, dass zu viel bezahlt worden sei. Der Ölpreis hatte sich nach dem Kauf des Ölindustriezulieferers mehr als halbiert, so dass befürchtet wird, dass die Förderfirmen ihre Investitionen einschränken.Ingo Speich von Union Investment hieb vor rund 7 700 Aktionären in die gleiche Kerbe. Die größte Übernahme der jüngeren Firmengeschichte sei zwar strategisch sinnvoll, aber das Timing rückblickend alles andere als glücklich und der Kaufpreis mit 7,6 Mrd. Dollar zu hoch gewesen. Man fühle sich in alte Siemens-Zeiten zurückversetzt: “Teuer am Zyklushoch kaufen und billig am Zyklustief verkaufen.”Hans-Christoph Hirt als Direktor von Hermes Equity prophezeite während der neunstündigen Hauptversammlung, dass es selbst bei einer Erholung des Ölpreises lange dauern könne, bis der Kauf nachhaltig Wert schaffe. Timing sei alles, gab auch die Geschäftsführerin Bayern der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniela Bergdolt, zu Bedenken.Kaeser räumte ein, dass die kurzfristigen Annahmen des Dresser-Rand-Geschäftsplans hätten reduziert werden müssen. Die langfristige Perspektive hat sich dem Siemens-Chef zufolge aber nicht wesentlich geändert. Denn der starke Ölpreisverfall sei nicht strukturell bedingt, weil es einen Angebotsüberhang gebe und nicht eine Bedarfsreduzierung. Zudem würden die sehr großen Ölfirmen ihre Investitionen nur um maximal 10 % einschränken bei einem Ölpreis unter 70 Dollar. Deutliche Einbußen gebe es allerdings bei kleineren Kunden. Für Kaeser ebenfalls wichtig: Nur ein Drittel des Dresser-Rand-Umsatzes speise sich aus Investitionen im Ölgeschäft. Ein weiteres Drittel stamme aus Service bei Öl, der Rest sei Gasgeschäft. Taten eingefordertFinanzvorstand Ralf Thomas wies Annahmen zurück, dass der Euro-Kaufpreis beim Closing voraussichtlich im Sommer aufgrund der Dollar-Stärke wesentlich höher ausfallen werde als bei der Erwerbsankündigung absehbar. Man habe keine Kurssicherung vornehmen müssen, sagte er. Der Grund: Man beabsichtige, die Dresser-Rand-Aktivitäten in eine US-Tochter einzubringen. Dort sei keine Kapitalerhöhung erforderlich – “so dass wir einen natürlichen Sicherungszusammenhang haben”. Einen Bedarf für eine Goodwill-Korrektur unmittelbar bei Erstkonsolidierung sieht Thomas nicht.In der Diskussion wurde die Neuorientierung unter Kaeser meist gelobt. Zugleich ließen Redner ihre Unzufriedenheit mit dem Umbautempo erkennen – der Vorstandschef nennt 2017 als Zieljahr. Im Zuge der Restrukturierungsmaßnahmen werde 2015 ein weiteres Übergangsjahr, rügte Union-Sprecher Speich: “Wie viele Übergangsjahre wollen Sie uns denn noch zumuten, Herr Kaeser?” Nach vielen Worten müssten jetzt nachhaltig wirkende Taten folgen, erklärte Hirt von Hermes. DSW-Vertreterin Bergdolt forderte, den Wandel mit konkreten Zieldaten zu unterlegen. Ihre Schlussfolgerung: Der Dampfer Siemens sei in der richtigen Richtung unterwegs, aber es gebe noch viel Arbeit. Die Replik von Kaeser, der seit Sommer 2013 das Unternehmen führt: “Einen großen Tanker in die richtige Richtung zu bringen ist ja schon ein Anfang.”Unterschiedliche Einstellungen offenbarten die Vertreter institutioneller Investoren zur Zukunft von Gerhard Cromme an der Spitze des Aufsichtsrats. Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger erklärte, das Problem sei der Aufsichtsrat. Fondsmanager Gebhardt erklärte, er begrüße die Bestellung von BMW-Chef Norbert Reithofer und Nathalie von Siemens zu Aufsichtsratsmitgliedern. Doch er schloss: “Jetzt fehlt nur noch der finale Schritt.” Hermes-Manager Hirt sagte, es würden mögliche Nachfolger erkennbar. Er fügte aber hinzu: “Wir sind weiterhin der Ansicht, dass Siemens von einem Wechsel an der Aufsichtsratsspitze vor 2018 profitieren würde.” Speich von Union setzte dagegen, mit Reithofer gebe es einen geeigneten potenziellen Kandidaten als Chefkontrolleur, “so dass wir die Nachfolgediskussion damit als erledigt betrachten”. Cromme bleibt bis 2018Cromme erklärte, seine Gespräche mit Anlegern hätten ergeben, dass die Nachfolge kein Thema sei, das die bedeutenden Aktionäre interessiere. Es sei der Wunsch aller Aufsichtsmitglieder gewesen, dass er bis zum Jahr 2018 bleibe.Lobend äußerten sich zahlreiche Redner zu den jüngsten Portfoliotransaktionen. Genannt wurden der Verkauf der Hörgeräte und der Anteile an Bosch Siemens Hausgeräte. Im Poker mit General Electric um Alstom habe Siemens sich elegant aus der Affäre gezogen.Cromme erklärte auf eine Frage, der ausgeschiedene Siemens-Rechtsvorstand Peter Solmssen habe Schiedsklage eingereicht, da er eine Altersdiskriminierung sehe.