RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: KNUT SAUER

Aktive Gründerszene wird an den Kapitalmarkt drängen

Start-ups benötigen Hilfestellungen - Nach Snapchat mehr Tech-IPOs erwartet

Aktive Gründerszene wird an den Kapitalmarkt drängen

– Herr Dr. Sauer, Technologie-IPOs hatten 2016 ein schlechtes Jahr. Woran liegt das nach Ihrer Einschätzung?2016 war insgesamt ein schwieriges Jahr für Börsengänge. Makroökonomische und politische Faktoren – Ölpreis, China, Brexit – haben vor allem in der ersten Jahreshälfte zu erheblicher Unsicherheit geführt. Je unsicherer das Umfeld, desto geringer der Risikoappetit der Anleger, und wachstumsorientierte Technologieunternehmen haben ein höheres Risiko-/Chancenprofil als traditionelle Industrieunternehmen. Zum anderen darf man aber auch nicht vergessen, dass wir in 2014 und 2015 einen sehr starken IPO-Markt mit für Emittenten attraktiven Bewertungen hatten, wobei die nachfolgenden Kursentwicklungen in vielen Fällen hinter den Erwartungen zurückblieben. Das lässt Investoren zurückhaltender werden. Insofern handelt es sich bei der jüngsten Marktschwäche sicher auch um eine normale zyklische Korrektur.- Nun will Snapchat an den Kapitalmarkt in New York. Hat dieses mögliche IPO die Chance, eine Gegenbewegung auszulösen?Bereits seit dem dritten Quartal ist vor allem in den USA eine gewisse Belebung zu beobachten. Offenbar gleichen sich die Bewertungsvorstellungen von Emittenten und Investoren wieder an. Im Technologiesektor gab es in den vergangenen Jahren so viele private Finanzierungsrunden wie kaum zuvor. Die Zahl der Unicorns hat sich in nur wenigen Jahren vervielfacht. Diese Investoren werden irgendwann Liquidität erwarten. Gleichzeitig haben sich die Unternehmen in den letzten Jahren weiterentwickelt auf dem Weg zur Kapitalmarktfähigkeit. Das alles spricht dafür, dass wir in naher Zukunft wieder mehr Technologie-IPOs sehen werden.- Deutschland hat gerade bei Tech-Börsengängen Nachholbedarf. Erwarten Sie, dass Snapchat auch in Frankfurt Wellen schlägt?Der deutsche IPO Markt ist gemessen an Deutschlands wirtschaftlicher Bedeutung im internationalen Vergleich unterentwickelt, auch bei Tech-IPOs. Nicht zuletzt der Neue Markt hat hier viel Vertrauen verspielt, das immer noch nicht wieder zurückgekehrt ist. Gleichwohl wird sich der globale Trend auch hierzulande bemerkbar machen. Wir haben bekanntermaßen eine sehr aktive Gründerszene und mittlerweile viele interessante junge Unternehmen aus der Technologie-Branche, darunter auch das eine oder andere Unicorn. Viele dieser Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht und werden den Weg an die Börse suchen.- Was müsste sich im Umfeld ändern?Start-ups brauchen Kapital, um wachsen zu können. Risikokapitalfinanzierungen waren bislang in Deutschland jedoch schwer zu bekommen. In den letzten Jahren gibt es aber durchaus positive Entwicklungen, auch getragen von entsprechenden politischen Initiativen, die für die Zukunft hoffen lassen. Auch der Brexit könnte zu einer gewissen Verschiebung von London als dem derzeit stärksten europäischen Start-up-Standort nach Deutschland beitragen. In der weiteren Phase der Unternehmensentwicklung erlangt der Kapitalmarktzugang dann stärkere Bedeutung.- Ist das neue Börsensegment für kleine und mittlere Unternehmen der Deutschen Börse die Lösung?Mit einem neuen Börsensegment ist es natürlich nicht getan. Aber wenn Wachstumsunternehmen dadurch einen besseren Zugang zu Investoren erhalten, ist es jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Vor allem die geplante Pflicht zur Erstellung unabhängiger Research-Berichte könnte sich hier als nützlich erweisen. Außerdem stellt der mit einem Börsengang verbundene Aufwand gerade junge Unternehmen vor erhebliche organisatorische, zeitliche und personelle Herausforderungen. Das fängt bei der Rechnungslegung an und geht über die Due Diligence bis zum Aufbau eines dem Kapitalmarktumfeld angemessenen internen Kontroll- und Compliance-Systems. Auch hier soll es bestimmte Hilfestellungen geben. Zudem könnte sich der wohl in bestimmten Konstellationen mögliche Verzicht auf einen vollständigen Wertpapierprospekt als attraktive Option erweisen. Die Entwicklung in der Praxis, auch vor dem Hintergrund der beabsichtigten Änderungen der EU-Prospektverordnung, bleibt hier abzuwarten.- Wie lautet Ihre Prognose für Technologie-IPOs in Frankfurt für 2017?Wir werden keinen Boom erleben, aber eine größere Zahl von Tech-IPOs als 2016, und es kann durchaus auch ein Unicorn dabei sein.—-Dr. Knut Sauer ist Partner von Allen & Overy. Die Fragen stellte Walther Becker.