Aktivisten und Me-too-Bewegung lassen CEOs stürzen

Das Jahr war reich an spektakulären Chefwechseln in den USA - Technische Umbrüche und öffentlicher Druck bei schlechtem Benehmen machen Bossen Beine

Aktivisten und Me-too-Bewegung lassen CEOs stürzen

Campbell Soup, General Electric und Texas Instruments gehören zu den US-Unternehmen mit den spektakulärsten Führungswechseln im Jahr 2018. Zahlreiche CEO-Abtritte wurden getrieben von aktivistischen Aktionären, veränderten Konsumgewohnheiten, technischen Umbrüchen und inakzeptablem Benehmen des Mannes an der Spitze.Denn 2018 war auch das Jahr der Me-too-Bewegung. Sie hat den öffentlichen Druck auf Top-Manager erhöht, bei unangemessenem Verhalten den Hut zu nehmen. Konsumgüterunternehmen, Technologiefirmen und Gesundheitskonzerne waren besonders stark von offensichtlich erzwungenen Chefwechseln betroffen (siehe Grafik). Dies sind Ergebnisse einer am 16. Dezember vorläufig abgeschlossenen Studie des Forschungsdienstleisters Exechange, der mehr als 200 CEO-Abtritte von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat.Exechange verwendet ein Bewertungssystem mit einer Skala von 0 bis 10, um den Druck auf die ausscheidende Führungskraft zu messen. Ein Push-out Score von 6 bedeutet, dass sich die Warnsignale nicht mehr an den Fingern einer Hand abzählen lassen und sechs der folgenden neun Kriterien erfüllt sind: ungewöhnliches Alter, knappe Ankündigungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, intransparenter Grund, kritische Zeit, Nachfolgefragen, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung. Wird der Manager offen herausgedrängt, werden volle 10 Punkte vergeben. Frisches ist gefragtViele Nahrungsmittelanbieter waren unter den Unternehmen mit den bemerkenswertesten CEO-Abtritten im alten Jahr. Die Lebensmittelindustrie steht vor einem beispiellosen Wandel, denn Kunden meiden Konserven und verpacktes Essen, und Online-Händler wie Amazon machen ihnen plötzlich Konkurrenz.So gab Sprouts-Farmers-Market-CEO Amin Maredia (Push-out Score: 7) im November bekannt, dass er am 30. Dezember 2018 aus dem Unternehmen ausscheide, “um andere Interessen zu verfolgen”. Sprouts hat mit sinkenden Lebensmittelpreisen und dem Markteintritt von Amazon, die Whole Foods übernommen hatte, zu kämpfen. Jim Nielsen, Chief Operating Officer von Sprouts, und Finanzchef Brad Lukow werden als Co-Interim-CEOs fungieren.Bunge-CEO Soren Schroder (Push-out Score: 7) kündigte im Dezember seinen Abschied an. Das Lebensmittelunternehmen hatte sich im Oktober Forderungen der aktivistischen Investoren D.E. Shaw und Continental Grain gebeugt und nach einer Neubesetzung des Boards eine strategische Überprüfung gestartet, bei der auch ein Verkauf des Unternehmens nicht tabu ist.Tyson-Foods-CEO Tom Hayes (Push-out Score: 8) trat bereits im September “aus persönlichen Gründen” zurück und übergab an Noel White. Es war Tysons zweiter plötzlicher CEO-Wechsel in zwei Jahren. Der Hersteller von Ball-Park-Hotdogs und Jimmy-Dean-Würstchen wird von der Sorge um Zölle und niedrige Preise für Hühnerfleisch erschüttert.Denise Morrison, CEO von Campbell Soup (Push-out Score: 10), ging im Mai mit einem Paukenschlag. Der Konservenspezialist hatte vier Jahre in Folge Umsatzrückgänge im US-Kerngeschäft mit Suppen gezeigt. Morrison hatte mit begrenztem Erfolg versucht, durch den Aufbau eines Portfolios an frischen Lebensmitteln und Snacks gegenzusteuern. Für sie sprang Boardmitglied Keith McLoughlin, ehemals CEO von Electrolux, ein. Campbell wird vom aktivistischen Investor Third Point, der von Daniel Loeb geleitet wird, in die Zange genommen. Es gab weitere ruppige CEO-Wechsel in den Sektoren Konsumgüter und Dienstleistungen: Gannett-CEO Bob Dickey (Push-out Score: 6) gab seinen Rücktritt im Dezember bekannt. Wie andere Zeitungsverlage steht auch Gannett, zu der “USA Today” gehört, vor der Herausforderung, neue Einnahmequellen aufzutun. “Familiäre Gründe”Coty-CEO Camillo Pane (Push-out Score: 9) verabschiedete sich im November “aus familiären Gründen”. Sein Abgang kam wenige Tage, nachdem das Kosmetikunternehmen Investoren mit Problemen in der Lieferkette verschreckt hatte. Coty hat Schwierigkeiten, ihre 12 Mrd. Dollar teure Übernahme von Procter & Gamble-Pflegemarken zu verdauen. Für frischen Wind an der Spitze sorgen soll nun Pierre Laubies, zuletzt CEO von Jacobs Douwe Egberts.Caesars-Entertainment-CEO Mark Frissora (Push-out Score: 10) gab im November bekannt, dass er den Kasinobetreiber zum 8. Februar 2019 verlassen wird. Caesars, die unter Druck des Aktivisten HG Vora steht, hatte ein Fusionsangebot des Rivalen Golden Nugget abgelehnt.Nach nur drei Monaten auf dem CEO-Posten trat Gamestop-CEO Mike Mauler (Push-out Score: 9) im Mai zurück – “aus persönlichen Gründen”. Der Videospiele-Einzelhändler hat Schwierigkeiten, sich an eine Welt anzupassen, in der Software online bereitgestellt wird. Gamestop hatte im Mai Post vom Hedgefonds Tiger Management erhalten. AusgespieltKein leichtes Spiel hatte das Management von Mattel. CEO Margo Georgiadis (Push-out Score: 9) gab im April nach rund einem Jahr an der Spitze auf. Die Insolvenz von Toys R Us, dem größten Spielzeughändler und Top-Vertriebskanal für Mattel, war ein schwerer Schlag für den Barbiepuppenhersteller. Georgiadis übergab das Ruder an Boardmitglied Ynon Kreiz, einen ehemaligen CEO von Maker Studios.Eindrucksvoll war auch der Wechsel bei Lowe’s. CEO Robert Niblock (Push-out Score: 7) gab seinen Rücktritt im März bekannt. Der aktivistische Investor D.E. Shaw drängte die zweitgrößte Baumarktkette der Welt, mit dem Rivalen Home Depot mitzuhalten. Lowe’s fand seinen nächsten CEO in J.C.-Penney-Chef Marvin Ellison, einem ehemaligen Home-Depot-Manager. Fall einer IkoneDer wohl spektakulärste Chefwechsel des Jahres kam aus dem Industriesektor. General-Electric-CEO John Flannery (Push-out Score: 9) verließ seine Position im Oktober nach 14 Monaten an der Spitze. GE, einst eine Ikone amerikanischer Wirtschaftsmacht, wurde von einer Hiobsbotschaft nach der anderen erschüttert. Der Siemens-Rivale steht unter Druck des Aktivisten Trian mit Nelson Peltz an der Spitze. Als neuer GE-Chef soll es nun Boardmitglied Larry Culp, ein ehemaliger Danaher-CEO, richten.Nielsen-CEO Mitch Barns (Push-out Score: 10) gab im Juli seinen bevorstehenden Rückzug aus dem Datenanalyse-Unternehmen bis Ende 2018 bekannt. Im August erklärte der Aktivist Elliott, dass er eine Beteiligung von 8,4 % an Nielsen übernommen habe, und forderte das Unternehmen auf, sich zum Verkauf zu stellen. Am 20. November ernannte Nielsen David Kenny, bisher Leiter der Abteilung für künstliche Intelligenz von IBM, zum CEO. Wehrhafte Frauen Northrop-Grumman-CEO Wes Bush (Push-out Score: 6) gab seinen Rücktritt im Juli bekannt. Der Wehrtechnikriese stieß unter anderem beim James-Webb-Weltraumteleskop auf Schwierigkeiten. Nachfolger von Bush ist Kathy Warden, zuletzt Chief Operating Officer von Northrop Grumman. Ihr Aufstieg bedeutet, dass Frauen jetzt in vier großen US-Verteidigungsunternehmen an der Spitze stehen – zu einer Zeit, in der weibliche CEOs immer noch selten sind. Warden steht nun in einer Reihe mit Marillyn Hewson, CEO von Lockheed Martin, Phebe Novakovic, CEO von General Dynamics, und Leanne Caret, CEO von Boeing Defense, Space & Security.Auch der Gesundheitssektor fiel mit holprigen Wechseln auf. Akorn-CEO Raj Rai (Push-out Score: 10) gab im Dezember seinen Rücktritt von dem Pharmakonzern bekannt. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof von Delaware entschieden, dass ein rascher Rückgang des Geschäfts von Akorn Grund genug für Fresenius war, die 4,8 Mrd. Dollar schwere Akorn-Übernahme abzublasen.Gilead-CEO John Milligan (Push-out Score: 8) gab seinen kommenden Abgang im Juli bekannt. Das Pharmaunternehmen steht unter starkem Druck des Wettbewerbers Abbvie. Kurz vor Jahresende machte Gilead Daniel O’Day, der von der Schweizer Roche geholt wurde, zum CEO. Hoher Druck herrschte auch im Technologiesektor. Xerox-CEO Jeff Jacobson (Push-out Score: 10) gab im Mai nach weniger als eineinhalb Jahren sein Amt ab – ein Triumph für die aktivistischen Aktionäre Carl Icahn und Darwin Deason. Sie hatten den 6,1 Mrd. Dollar schweren Deal kritisiert, den US-amerikanischen Drucker- und Kopiererhersteller mit Fuji Xerox zusammenzuführen. Jacobson wurde an der Spitze von John Visentin abgelöst, der Carl Icahn in der Fehde gegen Xerox beraten hat.Abrupt trat Dun & Bradstreet-CEO Bob Carrigan (Push-out Score: 10) im Februar zurück. Das Daten- und Analytikunternehmen war lange ein Übernahmeziel, doch Kaufversuche durch Private-Equity-Firmen wurden immer abgewiesen. Im August akzeptierte Dun & Bradstreet, sich von einer Investorengruppe unter der Führung von CC Capital, Cannea und Thomas H. Lee für 6,9 Mrd. Dollar übernehmen zu lassen.Tiefe Spuren hinterließ die Me-too-Bewegung in den Eckbüros. Verhalten, das als unangemessen angesehen wird, wurde klar sanktioniert. Zwölfmal Verhaltensnote 6 Seit Januar wurden im Russell-3 000-Index zwölf CEO-Abtritte (nach nur einem einzigen vergleichbaren Fall im Vorjahr) verzeichnet, die in der offiziellen Rücktrittsmitteilung offen mit angeblichen oder tatsächlichen Verhaltensproblemen der (durchweg männlichen) Chefs verknüpft wurden. Das betraf unter anderem Texas-Instruments-CEO Brian Crutcher, der im Juli wegen “Verstößen gegen den Verhaltenskodex des Unternehmens” zurücktrat, sowie Intel-CEO Brian Krzanich, der im Juni wegen eines “Verstoßes gegen Intels Nichtfraternisierungsrichtlinie” und nach einer “vergangenen einvernehmlichen Beziehung” mit einer Person aus dem Konzern gehen musste. Zu den denkwürdigsten Fällen des Jahres gehörte der Abtritt von CBS-CEO Les Moonves, der im September nach Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens ging. Sein Exit ging offiziell einher mit einer Zahlung von 20 Mill. Dollar an Organisationen, die die Me-too-Bewegung und die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsplatz unterstützen.—-Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.