Aktivistische Investoren werden "grüner"
cru Frankfurt – Die Attacken aktivistischer Investoren auf Unternehmen haben deutlich mehr Schwung bekommen. In Europa haben Fonds wie Elliott, Cevian und Amber Capital im Jahr 2020 bei einem Viertel der von ihnen lancierten Kampagnen einen fundamentalen Strategiewechsel der Unternehmen angestoßen – so häufig wie niemals zuvor und oft in Richtung einer verbesserten Umsetzung von Zielen für Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Bei einem Viertel der aktivistischen Attacken wechselte danach der CEO – auch das ein Rekord. Das geht aus einem neuen Bericht der Investmentbank Lazard über aktivistische Investoren hervor.”Es geht nicht mehr nur darum, M&A-Deals zu beeinflussen. Die Aktivisten nehmen immer öfter für sich in Anspruch, die Strategie der Unternehmen fundamental zu verändern und das Management auszutauschen. Dabei zeichnet sich eine radikal neue Rolle für die Aktionäre ab. Sie verhalten sich nicht mehr so ergeben gegenüber Aufsichtsrat und Vorstand. Für Aufsichtsratsmitglieder großer Unternehmen wird der Job im Jahr 2021 deutlich schwieriger”, sagte Richard Thomas, Head of European Shareholder Advisory bei Lazard, der Börsen-Zeitung.Gleichzeitig verändert sich stark, wer die Kampagnen lanciert: Nur ein Drittel der aktivistischen Attacken kommt noch von den etablierten Spielern wie Elliott. “Die Hälfte der Kampagnen stammt inzwischen von Assetmanagern, die sich nur in einzelnen Fällen und bei Gelegenheit als Aktivisten betätigen. Sie wollen nicht mehr ruhig hinnehmen, was in den Unternehmen geschieht. Es ist inzwischen genauso wahrscheinlich geworden, dass ein Unternehmen von einem der langfristig beteiligten Großaktionäre angegriffen wird wie von einem klassischen aktivistischen Fonds”, beobachtet Thomas.Auch die Ziele haben sich bedeutend verändert. Noch immer geht es zwar in den meisten Fällen um M&A: Ein Unternehmen soll verkauft, eine Sparte abgespalten oder eine Offerte abgewehrt oder in die Höhe getrieben werden. Aber immer öfter stehen ESG-Ziele im Zentrum. “Kein kurzfristiger Hype””Viel spricht dafür, dass ESG kein kurzfristiger Hype ist”, sagt Thomas. So hat BlackRock, der mit 8 Bill. Dollar betreuten Assets weltgrößte Vermögensverwalter, kürzlich gefordert, die “Buchstabensuppe” der Standards, mit denen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen darstellen, durch ein weltweit anerkanntes Rahmenwerk zu ersetzen, und warnte, dass eine Überarbeitung unerlässlich sei, damit Investoren die Risiken verstehen, denen Unternehmen ausgesetzt sind.”Hinzu kommt jetzt die Veränderung der politischen Landschaft. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden wird in den Pariser Klimavertrag zurückkehren. Und auch die EU verschärft ihre Klimaschutzanstrengungen”, sagt Thomas. Der BlackRock-Konkurrent T. Rowe Price hat bereits ein Responsible Investing Indicator Model so entwickelt, dass Unternehmen bevorzugt werden, die Umweltziele systematisch in ihre Strategie einbeziehen.Diverse aktivistische Investoren wie Elliott haben ESG als Angriffspunkt für Kampagnen genutzt. So setzte der aktivistische Investor Valueact mit durch, dass BP und der Versorger Enviva ihre CO2-Emissionen aus dem Ölgeschäft und aus Kohlekraftwerken reduzieren. Elliott erzwang bei Evergy eine Umlenkung der Investitionen in Windkraft. Und TCI mischte sich in den Dieselskandal bei VW ein. Das liegt nicht etwa daran, dass die Aktivisten plötzlich altruistisch geworden wären, sondern daran, dass ESG-Aktivitäten eine höhere Rendite versprechen.Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Grund dafür, dass die aktivistischen Investoren grün und gut werden: “Wer seinen Fonds auf ESG-Ziele ausrichtet, kann sich von den anderen unterscheiden. Er zieht mehr Anlagekapital auf sich”, sagt Thomas. Dadurch ist eine neue Klasse von Spielern entstanden. Dazu zählen Engine No. 1 sowie Inclusive Capital und Impactive Capital – alle drei erfolgreiche ESG-Aktivisten, die erst 2020 ins Rollen gekommen sind, von Branchenveteranen neu gegründet wurden und darauf setzen, dass der Erfolg von Unternehmen eng damit zusammenhängt, ob sie ESG-Ziele ernsthaft verfolgen. Angriff auf SolvayEine der prominentesten ESG-Aktivistenkampagnen in Europa wurde kürzlich bei Solvay gestartete: Im Dezember schickte Bluebell Capital einen Brief an den Board of Directors des Konzerns, in dem der Aktivist fordert, dass das Unternehmen eine Überprüfung seiner ESG-Praktiken einleitet und die Einleitung von Abfällen aus seinem Werk in der Toskana ins Meer stoppt. Ähnliches geschah bei ExxonMobil: Im Dezember gab Engine No. 1 ihre Absicht bekannt, vier Direktoren zu nominieren, und forderte die Umsetzung eines Plans zur nachhaltigen Wertschöpfung sowie eine Überarbeitung der Managementvergütung.Als Nächstes könnte sich für ESG-Aktivisten mit dem Hype rund um Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) in den USA eine neue Kapitalquelle auftun. “Das Jahr 2021 könnte der Auftakt für eine Art Spac-tivism werden”, schreibt Lazard.