Alibaba & Co. gönnen sich Sättigungsbeilage

Kauf einer 1,25 Mrd. Dollar schweren Beteiligung am Online-Essensbestelldienst Ele.me - Goldgräberstimmung in Chinas O2O-Markt

Alibaba & Co. gönnen sich Sättigungsbeilage

Der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba ist im Verbund mit der auf Online-Finanzdienste konzentrierten Schwesterfirma Ant Financial ein umgerechnet 1,25 Mrd. Dollar schweres Engagement beim als vielversprechend geltenden App-Betreiber Ele.me, einer Onlineplattform für Essensbestellungen, eingegangen.Von Norbert Hellmann, SchanghaiDass der extrem akquisitionshungrige chinesische E-Commerce-Riese Alibaba nie genug kriegen kann, ist hinreichend bekannt. Nun hat der an der New Yorker Börse notierte Technologiekonzern in kurzer Abfolge neue milliardenschwere Engagements im In- und Ausland angeleiert, bleibt aber diesmal in seinem Kerngeschäftsfeld Onlinehandel.Nach dem Kauf der Mehrheit bei dem von Rocket Internet und anderen Gründungsinvestoren zu versilbernden südostasiatischen Onlinehändler Lazada für insgesamt rund 1 Mrd. Dollar hat sich Alibaba nun im Verbund mit ihrer auf Onlinefinanzdienste und das elektronische Zahlungssystem Alipay konzentrierten Schwestergesellschaft Ant Financial ein umgerechnet 1,25 Mrd. Dollar schweres Engagement beim als vielversprechend geltenden App-Betreiber Ele.me, einer Onlineplattform für Essensbestellungen, geleistet. Bist Du hungrig?Alibaba wird einen Großteil des Engagements über 900 Mill. Dollar stemmen, während die unter der Kontrolle des Alibaba-Gründers und Chairman Jack Ma stehende Ant Financial 350 Mill. Dollar beisteuert. Danach werden sie knapp 30 % an Ele.me halten. Über eine entsprechende Transaktion war schon zum Jahresende 2015 gemunkelt worden, nun aber haben Alibaba und Ele.me den Deal offiziell besiegelt. Der Name Ele.me bzw. die dahinterstehenden chinesischen Zeichen laufen auf eine Kurzformel für die Frage “Bist Du hungrig?” hinaus. Was die Gesellschaft selber angeht, kann die Frage in jedem Fall mit Ja beantwortet werden, wobei sich die Gier allerdings auf frische Kapitalzufuhr bezieht.Bei dem in Schanghai aufgezogenen Start-up-Unternehmen Ele.me handelt es sich um eine seit 2015 zunächst in Schanghai und dann in immer mehr Großstädten rasend schnell Verbreitung findende App, mit der Chinesen Bestellungen bei Ele.me angeschlossenen Restaurants und Imbissbetreibern für einen Lieferservice nach Hause oder eine Abholung vor Ort abgeben können. BoomstimmungDie in angelsächsischen Ländern schon seit Jahrzehnten verbreitete und jetzt durch App-Technologie und Mobilfunk noch vereinfachten Dienste für Essenslieferungen haben in China erst seit relativ kurzer Zeit einen Boom entfacht. Da man in China im Vergleich zu westlichen Großstädten meist sehr einfach und auf kurzen Wegen kleine Restaurants und Gaststätten findet und viele Chinesen fast täglich “auswärts” zu essen pflegten, war ein Bedarf lange weniger offensichtlich.Mittlerweile allerdings hat sich die Popularisierung von Onlinewarenbestellungen, bei der Alibaba mit ihren Plattformen Taobao und Tmall die treibende Kraft in China war, bzw. der Bequemlichkeitsfaktor bei App-gestützten Taxiruf- und Fahrdiensten auch auf den Nahrungsmittelsektor übertragen und lässt Chinesen nicht nur Frischwaren, sondern auch fertiges Essen in die Wohnungen und Wohnheime kommen.Dienste wie Ele.me werden in der Techbranche unter dem Stichwort Online to Offline (O2O) subsumiert. Im O2O-Geschäft geht es im Wesentlichen darum, die “Entdeckungsfunktion” von Onlinekanälen etwa einer Smartphone-App dazu einzusetzen, um Kunden zum physischen Einzelhandel oder anderen Dienstleistern wie einem Restaurant zu dirigieren. Dem O2O-Geschäft wird in China in jedem Fall eine wachsende Bedeutung zugeordnet, da das E-Commerce-Geschäft einen immer höheren Anteil am gesamten Einzelhandelsspektrum für sich beansprucht (siehe Grafik). Gleichzeitig unterliegt dies auch der Ansicht, dass es einer Verzahnung von Onlinekanälen und physisch erbrachten Dienstleistungen bedarf, um die Dynamik des E-Commerce-Geschäfts nicht abflachen zu lassen. O2O ist also ein besonders heißes Segment des chinesischen E-Commerce-Spektrums, in dem Start-ups wie Pilze aus dem Boden schießen. Es gibt zwar nur wenige Gesellschaften, die eine Überlebenschance haben bzw. eine App entwickeln, die eine kritische Masse bei den über 500 Millionen chinesischen Smartphone-Nutzern findet, doch darf man Ele.me insbesondere nach einem Einstieg durch Alibaba zu diesen positiven Ausnahmeerscheinungen rechnen. Jede Menge UnicornsIn jedem Fall kann sich Ele.me nach dem Einstieg von Alibaba und einer nun erfolgten Bewertung von über 3 Mrd. Dollar bereits als ein sogenanntes Unicorn (Einhorn) bezeichnen. Der aus dem Silicon Valley geprägte Begriff bezieht sich auf Technologie-Start-ups, die es im Rahmen von Finanzierungsrunden noch im Vorfeld eines Börsengangs auf eine Bewertung von über 1 Mrd. Dollar bringen; dies soll den Seltenheitscharakter hervorheben. Nicht nur in der kalifornischen Tech-Hochburg, sondern auch in China lässt der Raritätswert mittlerweile allerdings etwas nach. Gegenwärtig gibt es nach Schätzung von Branchenexperten bereits bis zu 50 Unicorns, die sich im Reich der Mitte tummeln.Um ein Vielfaches höher ist freilich die Zahl der spaßhaft als “Unicorpse” – also Einhorn-Leichen – bezeichneten Gesellschaften, die nach vielversprechenden Anfängen bei großzügiger Kapitalverbrennung (Cashburn) genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden.Auch Ele.me befindet sich in der Phase eines extrem hohen Cashburns. Der Aufbau der Infrastruktur, des Kundennetzwerkes sowie Bemühungen zur Popularisierung der App erfordern einen hohen Mitteleinsatz – ohne offensichtliche Rückflüsse. Chinesische Analysten sind sich uneins, ob das Ele.me-Einhorn wirklich das Zeug zu einer profitablen Zukunft hat.Für Alibaba und Ant Financial scheint es in jedem Fall darum zu gehen, in diesem Segment des O2O-Geschäfts alles auf eine Karte zu setzen. Im Hause Alibaba gibt es nämlich bereits eine Onlineplattform für Essenslieferdienste namens Koubei, doch hat sich diese anscheinend nicht ganz nach den Vorstellungen des Managements entwickelt. Alibaba und Ant Financial hatten zuletzt im Juni 2015 verkündet, Koubei mit einer Investitionsspritze von 3 Mrd. Yuan (400 Mill. Euro) zu vitalisieren. Nun aber scheint man eher darauf zu setzen, die bei jungen Chinesen äußerst populäre Ele.me mit Koubei zu verbandeln. Im Zuge des neuen Engagements der Tech-Riesen soll sich eine enge Kooperation zwischen Koubei und Ele.me ergeben.