CLOUD COMPUTING (8)

Alte Telekomgeschäftsmodelle verschwinden in der Wolke

Gesprächsminuten, SMS und Roaming verlieren als Umsatzbringer noch mehr an Bedeutung - Firmenkunden bringen hohe Marge

Alte Telekomgeschäftsmodelle verschwinden in der Wolke

Telekomkonzerne haben mit der Auslagerung von Rechen- und Speicherleistung in die Cloud nicht nur zu gewinnen. Der technologische Umbruch kannibalisiert Geschäftsmodelle wie das der SMS, garantiert aber andererseits keine hohen Margen für die neuen Dienste.Von Andreas Hippin, FrankfurtDie Deutsche Telekom hat große Wachstumshoffnungen in das Geschäft mit der Datenwolke gesetzt. “Sichere Cloud-Lösungen” heißt eines von vier strategischen Handlungsfeldern, die der Konzern für sich definiert hat. Über alle Sparten hinweg setze das Unternehmen heute schon 500 Mill. Euro mit Cloud-Produkten um, sagte Vorstandschef René Obermann auf der Computermesse Cebit. Die Wettbewerber haben ebenfalls große Erwartungen, liefern aber auch nicht mehr als anekdotische Hinweise darauf, wie das Geschäft bei ihnen läuft. Orange will den Umsatz aus der Wolke bis 2015 auf 500 Mill. Euro heben. Telefónica beziffert das Potenzial des Themas Security & Cloud für dasselbe Jahr auf bis zu 700 Mill. Euro.Cloud Computing ist ein Querschnittsthema. Noch läuft in Bonn die Diskussion, ob und wie Zahlen dazu künftig ausgewiesen werden sollen. Cloud-Umsätze mit kleinen und mittleren Unternehmenskunden landen derzeit im Deutschlandgeschäft der Telekom. Großkunden werden dagegen von T-Systems bearbeitet. Allerdings kommt nur ein Teil der Erlöse der IT-Sparte aus der Wolke. Im ersten Halbjahr schrumpfte der Außenumsatz von T-Systems um 0,5 % auf 3,24 Mrd. Euro. Nichtsdestotrotz bekräftigte die Bonner Telefongesellschaft im Halbjahresbericht noch einmal das T-Systems für 2015 gesetzte “Ambitionsniveau” von 8 Mrd. Euro Außenumsatz.Von Anfang 2013 an sollen die interne IT von Telekom Deutschland, der Telekom-Zentrale und die interne IT von T-Systems im neuen Bereich Telekom IT unter dem juristischen Dach von T-Systems gebündelt werden. T-Systems wird dann keine internen Umsätze mehr ausweisen, was zu einem Rückgang des Erlöses der Sparte führen dürfte. Die Zahlen werden bereits für das dritte Quartal entsprechend ausgewiesen. Utility ComputingWie man die Verlagerung von IT-Prozessen in externe Rechenzentren auch nennt, ob “Utility Computing”, “Application Service Providing” oder “Infrastructure as a Service” – Telekomkonzerne können in diesem Geschäft mit ihren Kernkompetenzen wuchern. Ihnen gehören in der Regel die Hochgeschwindigkeitsnetze, deren Existenz die Voraussetzung für die Auslagerung von IT-Prozessen ist. Die mit dem Aufbau eines Netzes verbundenen Investitionen stellen eine hohe Markteintrittsschwelle für potenzielle Wettbewerber dar. Die Cloud-Angebote können auch dazu dienen, die verfügbaren Netzkapazitäten besser auszulasten. Das erinnert an die Ursprünge des Utility Computing: IT-Konzerne wollten die im Zuge der Internet-Euphorie um die Jahrtausendwende aufgebaute Rechenleistung besser nutzen. Vorreiter war damals der Online-Händler Amazon.Telcos blicken im IT-Dienstleistungsgeschäft mit Unternehmenskunden, wo bessere Margen winken als im Endverbrauchergeschäft, zumeist auf eine lange Geschichte zurück. Sie verfügen über einen großen Geschäftskundenstamm und können sogenannte Service Level Agreements anbieten, in denen Verfügbarkeit und Qualität der Leistungen genau definiert werden. T-Systems hat bereits sieben Jahre Erfahrung mit der Auslagerung von SAP-Anwendungen und betreibt weltweit 90 Rechenzentren.Mit dem Speichern und Tauschen von Bildern in der Rechnerwolke oder Video on Demand lässt sich dagegen nicht viel verdienen. Allerdings können solche zusätzlichen Angebote wie die “TelekomCloud” der Rheinländer oder die “TIM Cloud” von Telecom Italia die Lebensdauer einer Kundenbeziehung verlängern. Vor allem Mobilfunkbetreiber haben angesichts hoher Kosten für die Neukundengewinnung großes Interesse daran, sich möglichst wenig Kündigungen einzufangen. Und die mit Verbrauchern gesammelten Erfahrungen lassen sich wiederum für das Firmenkundengeschäft nutzen. Die mobile Internetnutzung liefert den Telcos zudem eine Menge ortsbezogener Daten – ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Cloud-Anbietern wie Amazon, Skype oder Facebook.”Die Telcos erkennen zunehmend die Möglichkeiten der Cloud”, sagt Dan Bieler, Analyst bei Forrester Research. “Noch sind die Firmen bei aller Euphorie aber ein wenig zurückhaltend, weil nicht klar ist, wie sich die neuen Angebote auf ihre Margen auswirken und welchen Anteil sie an diesem Geschäft am Ende noch haben werden.” Internet-Telefonie (Voice over IP), Messaging-Dienste und soziale Netzwerke ersetzen heute schon traditionelle Erlösquellen der Netzbetreiber wie Gesprächsminuten, SMS und Roaming-Gebühren. Der Umsatz wird Bieler zufolge für die Telefongesellschaften weniger berechenbar. “Den Unternehmen ist klar geworden, dass es aus der Cloud kein Gold regnen wird. Dem bisherigen Geschäftsmodell mit Verträgen über Monate oder Jahre steht das ,Pay as you go`-Modell der Cloud gegenüber. Nicht alle Carrier sind wirklich daran interessiert, zu diesem Modell zu wechseln.”Daten von Marktforschern sind mit Vorsicht zu genießen, denn es kommt immer darauf an, was zur Cloud gerechnet wird – ein wolkiger Begriff. Hier trotzdem einige Anhaltspunkte: Telekomfirmen haben im vergangenen Jahr lediglich 16 % des vom Londoner Marktforscher Informa auf 20 Mrd. Dollar geschätzten Weltmarkts für Cloud-Dienstleistungen auf sich vereinigen können. Innerhalb von drei Jahren soll der Marktanteil der Communication Service Provider (CSP), wie die Netzbetreiber auch genannt werden, auf 20 % steigen. Das erwartet zumindest ihr Zulieferer Cisco Systems. Berücksichtigt man das zugleich unterstellte Wachstum des Gesamtmarkts, kommt man auf ein Volumen von rund 9 Mrd. Dollar, das Dreifache des Werts aus dem vergangenen Jahr. Um sich dieses Geschäft zu sichern, haben die Telcos im vergangenen Jahr weltweit 13,5 Mrd. Dollar in ihre Cloud-Angebote investiert, schätzt Informa.Die Ausgaben verteilen sich regional ungleich. Fast 90 % gehen auf das Konto nordamerikanischer und asiatischer Anbieter. Die europäischen Telekomdienstleister kommen auf gerade einmal 7 %. Diese Zurückhaltung ist nicht allein auf die Schuldenkrise zurückzuführen, sondern auch auf anhaltende Bedenken, was Datensicherheit und -schutz betrifft. In Europa gibt es bislang keinen einheitlichen rechtlichen Rahmen für Cloud-Angebote, sondern einen Flickenteppich unterschiedlicher Gesetze, Bestimmungen, Standards und Vorgehensweisen. Hinzu kommt, dass die europäischen Regierungen das Thema nicht aktiv aufgegriffen haben. In Singapur ermutigte die Regierung dagegen Mittelständler, ihre IT-Infrastruktur auszulagern.—-Zuletzt erschienen:- Der lange Marsch in die Cloud (5.10.)