Wettrennen der Technologieriesen

Amazon muss nach Rekorderlös hart um Cloud-Marktanteile kämpfen

Amazon hat Umsatz und Gewinn im Auftaktquartal 2024 kräftig angekurbelt. Neben einer vorsichtigen Prognose stimmt Analysten allerdings auch die härtere Konkurrenz im Profitzentrum Cloud-Geschäft nervös.

Amazon muss nach Rekorderlös hart um Cloud-Marktanteile kämpfen

Amazon muss nach Rekorderlös hart um Cloud-Marktanteile kämpfen

xaw New York

Der Boom um künstliche Intelligenz hat Amazon im Auftaktquartal 2024 einen Rekorderlös beschert. Mit 143,3 Mrd. Dollar fiel der Umsatz 13% höher als im Vorjahreszeitraum aus und so hoch wie noch nie zwischen Januar und März. Der Nettogewinn erreichte mit 10,43 Mrd. Dollar mehr als das Dreifache des Niveaus aus dem ersten Quartal 2023.

Doch während der Technologieriese infolge der robusten Entwicklung im Cloud Computing – und einer starken Nachfrage im Werbegeschäft – damit die Erwartungen der Wall Street übertraf, kam im nachbörslichen New Yorker Handel nach anfänglichen Kursgewinnen wenig Euphorie für die Amazon-Aktie auf. Schließlich gab der Konzern für das zweite Quartal eine vorsichtige Umsatzprognose von 144 bis 149 Mrd. Dollar ab, von Factset befragte Analysten hatten im Konsens zuvor mit 150,2 Mrd. Dollar gerechnet. Und einige Anleger richten ihre Blicke zunehmend besorgt auf die Konkurrenz.

Konkurrenz legt vor

Denn wenngleich Amazon im Geschäft mit der Bereitstellung von Rechenkapazitäten noch immer dominant ist und die Sparte Amazon Web Services (AWS) ihren operativen Gewinn im ersten Quartal um 84% steigerte, haben die Rivalen Microsoft und Alphabet bei der Entwicklung von Anwendungen künstlicher Intelligenz zuletzt größere Sprünge gemacht als der Konzern aus Seattle. So zog der Umsatz in der Cloud-Sparte der Google-Mutter zuletzt um 28% auf 9,57 Mrd. Dollar und stach das Wachstum von AWS damit aus. Bei Microsoft wuchs die Einheit Intelligent Cloud mit 21% ebenfalls kräftiger als die vergleichbare Amazon-Abteilung, die Computing-Plattform Azure steigerte den Umsatz mit 31% im Branchenvergleich ungewöhnlich stark. 

Die Technologieriesen profitieren dabei davon, dass die stark nachgefragten Anwendungen künstlicher Intelligenz wie der Textgenerator ChatGPT des Startups OpenAI äußerst rechenintensiv sind. Beim daraus resultierenden Ausbau ihrer Cloud-Kapazitäten waren die Konzerne bisher von Halbleiter-Zulieferern wie Intel und Broadcom abhängig, nun treiben sie aber ihre eigene Entwicklung voran.

Neue Prozessoren aus eigener Entwicklung

So kündigte Alphabet Anfang April ihren neuen Hochleistungsprozessor Axion an, der auf Technologie des britischen Designers Arm basiert und zu großen Datenanalysen fähig sein soll. Seit 2015 hat die Google-Mutter fünf Generationen von Prozessoren lanciert, die das maschinelle Lernen beschleunigen sollen. Seitdem ChatGPT ab November 2022 stark an Popularität gewonnen hat, intensiviert Google ihre Aktivitäten noch. Schließlich kooperiert OpenAI mit Microsoft, die seit 2019 rund 13 Mrd. Dollar in das Start-up investiert hat.

Im Gegenzug sicherte sich der Konzern eine effektive Beteiligung von 49% an den künftigen Gewinnen des jungen Unternehmens, rüstete die Suchmaschine Bing auf und lancierte einen KI-Copiloten für die Office-Produktsuite – diesen bezeichnete CEO Satya Nadella als Treiber „einer neuen Ära der KI-Transformation“. Zudem stellte der Windows-Konzern im November 2023 zwei eigens designte Chips vor, mit denen er die wachsende Nachfrage nach KI-fähigen Rechenkapazitäten bedienen will.

Multi-Milliarden-Investitionen in Aussicht

Bei den großvolumigen Anlagen in neue Computing-Ressourcen dürfte indes noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Bank of America rechnet damit, dass sich die Investitionsausgaben großer Cloud-Dienstleister 2024 auf 180 Mrd. Dollar belaufen werden, was einen Anstieg von 27% gegenüber 2023 bedeuten würde. Allein Alphabet legte für das erste Quartal Aufwendungen von mehr als 12 Mrd. Dollar offen, im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies nahezu eine Verdopplung. Finanzchefin Ruth Porat stellte die Investoren darauf ein, dass die Ausgaben auch künftig auf diesem Niveau liegen dürften.

Amazon-CEO Andy Jassy versucht, seine KI-Vision an die Aktionäre zu vermitteln. Foto: picture alliance/NurPhoto | Image Press Agency.

Der Analysedienst DA Davidson geht indes davon aus, dass Amazon und ihr Profitzentrum AWS bei der KI-Entwicklung in den kommenden Jahren gegenüber Microsoft und Alphabet aufholen wird. CEO Andy Jassy beschrieb in einem Brief an die Aktionäre im laufenden Monat seine Vision, gemäß der generative künstliche Intelligenz für den Konzern wichtiger Baustein des nächsten großen Wachstumspfeilers neben dem Online-Einzelhandel und dem Streaming-Geschäft werden soll. Laut Jassy beschleunigt die KI-Entwicklung die Wachstumsraten von AWS wieder, deren jährlicher Umsatz nun bei 100 Mrd. Dollar liege.

Der im November angekündigte, auf Unternehmenskunden ausgerichtete Chatbot Amazon Q ist laut Mitteilung vom Dienstag nun grundsätzlich über AWS verfügbar. Laut CFO Brian Olsavsky zeigen Firmen trotz einer gewissen Vorsicht bei Neuinvestionen zudem hohes Interesse daran, ihre eigenen generativen KI-Anwendungen auf AWS aufzusetzen.

Anthropic-Kooperation soll Konzern voranbringen

Darüber hinaus hat Amazon mit ihrer Tochter Web Services ebenfalls schon Halbleiter entwickelt, die im Rahmen einer Kooperation mit dem Startup Anthropic zum Einsatz kommen. Erst Ende März kündigte der Konzern aus Seattle zusätzliche Investitionen im Volumen von 2,75 Mrd. Dollar in die kalifornische Technologieschmiede an, deren Sprachmodell Claude als zentrales Konkurrenzprodukt für das OpenAI-Flaggschiff ChatGPT gilt. Der Deal stellt die bisher größte Venture-Transaktion von Amazon dar – bereits im September hatte der E-Commerce-Riese 1,25 Mrd. Dollar in die Tech-Schmiede gesteckt.

Allerdings hat die KI-Investitionsaktivität der Tech-Riesen längst die Aufmerksamkeit der Kartellregulatoren auf sich gezogen. So hat die US-Wettbewerbsaufsicht FTC mit Amazon, Alphabet, Microsoft sowie OpenAI und Anthropic mehrere Unternehmen aufgefordert, tiefergehende Informationen zu ihren Anlagen in die Technologie vorzulegen.

Kartellregulierung als Hindernis

Denn die Behörde arbeitet an einer Studie zur Konkurrenzsituation im KI-Markt. Diese solle „ein Licht darauf werfen, ob Investitionen und Kooperationen dominanter Unternehmen das Risiko bergen, Innovation zu beeinträchtigen und einen fairen Wettbewerb zu unterminieren“, betonte FTC-Chefin Lina Khan, die seit dem vergangenen September zudem eine weitreichende Kartellklage gegen Amazon verfolgt, Ende Januar. Für den Konzern aus Seattle drohen damit noch Hindernisse im Kampf um Cloud-Marktanteile.

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