Im InterviewRainer Irle, AMS Osram

„Der Befreiungsschlag ist gelungen“

AMS Osram hat eine neue Finanzierung im Volumen von mehr als 2 Mrd. Euro unter Dach und Fach gebracht. Finanzvorstand Rainer Irle erklärt, wie der Hersteller von Halbleitern und Sensoren nun zum Wachstum zurückkehren will.

„Der Befreiungsschlag ist gelungen“

Im Interview: Rainer Irle

„Der Befreiungsschlag ist gelungen“

Nach einer gesicherten Finanzierung stellt der Finanzvorstand von AMS Osram die Rückkehr zum Wachstum in Aussicht

Mitte Dezember hat AMS Osram den Finanzierungsplan unter Dach und Fach gebracht: mit einem Erlös von gut 800 Mill. Euro aus einer Kapitalerhöhung, mit vorrangigen unbesicherten Anleihen im Wert von 1 Mrd. Euro und rund 450 Mill. Euro von Sale-and-lease-back-Geschäften für einen Teil der Produktionsanlagen. Jetzt will sich der neue Vorstand auf seine Wachstumsstrategie konzentrieren.

Herr Irle, im September bezeichneten Sie den Finanzierungsbedarf von mehr als 2 Mrd. Euro bis 2025 als Damoklesschwert. Das haben Sie jetzt erledigt. Kann sich AMS Osram nun der Wachstumsstrategie zuwenden?

Ja, absolut. Es war wirklich ein Damoklesschwert, das über dem Unternehmen hing. Wir mussten das in Angriff nehmen, um die Zukunft zu sichern. Der Befreiungsschlag ist gelungen, die Fesseln sind gelöst. Das merkt man auch intern: Viele Beschäftigte hatten sich Sorgen gemacht. Jetzt sehen wir frohe Gesichter. Wir können uns auf die Umsetzung der Strategie fokussieren.

Die hohen Zinsen sind allerdings eine schwere Last: Ihre Kosten für das Fremdkapital liegen bei 10%. Die Euro-Anleihen muss AMS Osram mit 10,5% verzinsen.

Wir haben ganz klar die Absicht, die Verschuldung weiter zu reduzieren. Dass sie relativ hoch ist, liegt an zwei großen Themen: Das eine ist die Übernahme von Osram durch AMS vor vier Jahren, das andere unsere neue Fabrik für Micro-LED in Malaysia.

Wie geht es nächstes Jahr auf diesem Weg weiter?

2024 werden wir unsere Investitionen planmäßig deutlich verringern. Und mit einer höheren Profitabilität werden wir so viel Cashflow generieren, dass wir in den nächsten Jahren auch am Schuldenabbau arbeiten können. Dann sollte das Kreditrating von AMS Osram relativ schnell steigen, so dass die nächste Finanzierungsrunde günstiger sein sollte.

Sie hatten angekündigt, 2026 ein Investment Grade erreichen zu wollen. Wird das nun schneller gehen?

Nein, von aktuell „BB−“ dorthin ist es ein ganzes Stück. 2026 ist nach wie vor unser klares Ziel.

Die Nettoverschuldung steht beim 2,1-Fachen des Ebitda. Wann werden Sie die 2 unterschreiten?

Es gibt eine schwer zu kalkulierende Variable: Uns gehören aktuell 86% der Osram-Aktien, die anderen liegen bei den Altaktionären. Wir wissen nicht, wann uns die restlichen Anteile angedient werden. Für alle zusammen müssten wir 600 Mill. Euro zahlen. Trotzdem erwarten wir, 2026 unter die Zwei vor dem Komma zu kommen.

Zurzeit hat auch AMS Osram mit schwachen Märkten zu kämpfen, vor allem in der Industrie und dem Konsumentengeschäft, Stichwort Smartphones. Gefährdet das Ihr Ziel, bis 2026 den Umsatz im Jahresdurchschnitt um 6 bis 10% zu steigern?

Nein, denn wir wachsen vor allem mit Content. Ein Beispiel ist die Autobranche, mit der wir die Hälfte des Umsatzes machen. Wir bringen einfach mehr LEDs ins Auto. Damit wachsen wir um die 10% im Jahr.

Wie will AMS Osram das erreichen?

Indem wir zum Beispiel ein besseres Frontlicht auf den Markt bringen. Unsere neuen LED-Schweinwerfer haben gut 25.000 Lichtpunkte. Damit haben Sie nicht nur eine hervorragende Sicht, sondern können sogar Warnungen, etwa vor Glätte, auf die Straße projizieren. Das bedeutet mehr Komfort und mehr Sicherheit. Alle Autohersteller wollen das haben.

Wirklich alle?

Alle, denen wir unsere Innovation vorgestellt haben, sind begeistert. Das neue Licht ist nicht billig und wird nicht morgen in jedem Auto sein. Aber im Premium- und Luxussegment, denke ich, werden wir relativ schnell eine hohe Durchdringung erreichen.

Ein Anstieg von 10% im Autosegment überträfe aktuell das weltweite Marktwachstum. Das heißt, AMS Osram will vor allem mit Innovationen punkten.

Genau. Das Auto bekommt mehr und besseres Licht. Deshalb wird der Wert unserer Produkte pro Auto deutlich steigen. Ein anderes Beispiel dafür ist die Beleuchtung im Innenraum. Die ist vor allem für junge Menschen oder auch für Kunden in Asien sehr wichtig. Wenn man sich ins Auto setzt, kommt die Innenbeleuchtung in Bewegung und kann die Farben ändern. Immer mehr Leute wollen sich wohlfühlen wie in ihrem Wohnzimmer. Dabei spielt Licht eine entscheidende Rolle.

Peilen Sie vor allem dank Innovationen und Wachstum eine bereinigte Ebit-Marge von 15% im Jahr 2026 an? Aktuell kommt AMS Osram nur auf 6%.

Ein Hebel ist das Wachstum und damit eine höhere Auslastung der Fabriken. Dazu gehört auch, dass wir Geschäftsbereiche verkaufen, in denen wir erhebliche Verluste machen. Wir werden so unser Jahresergebnis um 150 Mill. Euro verbessern und 300 bis 400 Mill. Euro Umsatz abgeben. Mehr Gewinn bei etwas weniger Umsatz bringt die Margen ein Stück nach oben.

Wie weit sind Sie mit dem Verkauf der defizitären Sparten?

Wir sind gerade dabei. Es gibt Interessenten, denen wir das Geschäft vorgestellt haben. Wir gehen davon aus, bald zumindest unverbindliche Angebote zu erhalten. Mit Abschlüssen rechnen wir nach den Freigabeverfahren im Lauf des nächsten Jahres.

Wer sind die Interessenten? Auch Finanzinvestoren?

Finanzinvestoren haben wir nur am Rand angesprochen. Wir glauben, dass die Geschäfte eine gute Ergänzung für strategische Käufer und dort besser als bei uns aufgehoben sind. Zum Beispiel bei Marktführern. Die haben wir auch angesprochen. Interessenten gibt es überall auf der Welt.

Was wollen Sie abgeben? Im Quartalsbericht wurden zuletzt nur passive optische Komponenten erwähnt.

Die anderen haben wir noch nicht genannt. Es gibt ein gewisses Risiko, in so unsicheren Zeiten Mitarbeiter zu verlieren. Es sind aber sehr interessante Geschäfte.

Werden Sie einen Verkaufserlös über den Buchwerten erzielen?

Die Geschäfte machen Verlust, also werden wir mit einem Verkauf nicht reich. Wir erwarten aber schon insgesamt einen hohen zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Euro-Millionenbetrag als Erlös.

Sind alle Sparten, die AMS Osram behält, profitabel?

Ja, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Eine Ausnahme ist das Geschäft der neuen Fabrik mit Micro-LED. Dort haben wir Anlaufkosten und noch keine nennenswerten Umsätze.

Wird die Profitabilität im nächsten Jahr steigen? Einige Analysten sind wegen der schwachen Konjunktur skeptisch.

Einen Riesenschritt werden wir im nächsten Jahr nicht machen, aber wir rechnen schon mit einer kleinen Verbesserung. Gerade sind einige Märkte schwächer. Das zeigt sich in unserem Industrie- und Consumer-Geschäft. Der Android-bezogene Markt zieht zwar etwas an, von einem Trend kann man aber noch nicht sprechen. Unser Automobilgeschäft läuft gut. Wir sehen auch, dass das recht gut ins neue Jahr starten wird. Insgesamt erwarten wir für das Unternehmen ein deutlich stärkeres zweites Halbjahr im Vergleich zum ersten.

Die Übernahme von Osram begründete das frühere AMS-Management unter anderem damit, die Abhängigkeit von Apple zu verringern. Zeitweise machten die Umsätze mit dem iPhone-Konzern 45% aus. Wie ist die Lage heute?

Über einzelne Kunden können wir nicht sprechen. Ich kann aber sagen, dass unsere drei größten Kunden zusammen knapp 20% des Umsatzes in diesem Jahr ausmachen.

Hat sich mit der Kapitalerhöhung im Aktionärskreis von AMS Osram etwas verändert?

Genau wissen wir das ja nicht. Aber nach unseren vielen Gesprächen in den vergangenen Monaten mit Investoren in der Schweiz, wo wir börsennotiert sind, in Österreich, Deutschland, aber auch in England und den USA habe ich den Eindruck, dass viele uns die Stange gehalten haben. Und über die Kapitalerhöhung sind neue Investoren hinzugekommen, darunter eher konservative, sogenannte Long-only-Investoren. Wir haben jetzt auch wieder Schweizer Aktionäre. Es ist wichtig, dass man im Heimatfinanzmarkt Investoren hat.

Sie sind seit 1. Juli Finanzvorstand von AMS Osram. Was hat Sie positiv, was negativ überrascht?

Ganz klar positiv ist die Innovationskraft, die noch höher ist, als ich erwartet hatte. Die tollen Menschen im Unternehmen und das Produktportfolio sind beeindruckend. Von der finanziellen Situation war ich doch ein wenig überrascht, obwohl ich mir zuvor alles sehr genau angeschaut hatte. Mir war dann schnell klar, dass 2 Mrd. Euro neu finanziert werden müssen und das auch noch in diesem Jahr.

AMS Osram hat den Vorstand von vier auf drei Mitglieder verkleinert. Vom nächsten Jahr an sind es noch zwei: Sie und CEO Aldo Kamper. Ist das ein Signal für eine neue Ausrichtung des Unternehmens mit neuem Management?

Das Konzept mit zwei Vorständen kenne ich aus meiner Zeit bei Siltronic. Dort hat das meines Erachtens extrem gut funktioniert. Dem Aufsichtsrat von AMS Osram habe ich davon erzählt. In einem zweiköpfigen Vorstand ist die Kommunikation ein bisschen einfacher. Natürlich müssen Entscheidungen gut vorbereitet sein, aber sie lassen sich so schneller treffen.

Ist der kleinere Vorstand auch ein Beitrag zum Sparprogramm?

Ja. Wir zeigen der Mannschaft, dass von oben gespart wird. Auch solche Zeichen bewirken manchmal Wunder in einem Unternehmen.


Zur Person:

Rainer Irle (53) ist seit Juli CFO von AMS Osram. Wie Vorstandschef Aldo Kamper, der am 1. April begonnen hat und von Leoni kam, steht er für den Neuanfang. Der Chip- und Sensorenhersteller AMS hatte sich mit der Übernahme des größeren Lichttechnikkonzerns Osram stark verschuldet. Mit dem Finanzierungskonzept scheint das Gröbste überstanden zu sein. Als Diplom-Wirtschaftsingenieur hält sich Irle auch technischen Sachverstand zugute. Bis zu seinem Wechsel war er zehn Jahre lang Finanzchef des Waferherstellers Siltronic in München.


Das Interview führte Joachim Herr.

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