Angelini Group auf Wachstumskurs
In Italien ist der Pharmakonzern Angelini vor allem durch sein Desinfektionsmittel Amuchina bekannt. Doch jetzt geht das Familienunternehmen auch international auf Wachstumskurs durch Akquisitionen. In Deutschland legten sich die Italiener die Wärmepflaster der Marke Thermacare zu.cru Frankfurt – In Italien wird der Name “Amuchina” als allgemeiner Begriff für Desinfektionsmittel verwendet – so wie in Deutschland “Tempo” für Papiertaschentücher oder “Tesa” für Klebeband. Hergestellt wird der 1939 während der Tuberkulose-Epidemie in Italien entwickelte Verkaufsschlager vom familiengeführten Pharmakonzern Angelini Group aus Rom. “Der Umsatz in Italien hat sich im ersten Quartal mit einem Plus von 216 % im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Bei der Handdesinfektion verzeichneten wir sogar ein Umsatzplus von 370 %”, sagte Angelini-Pharma-Vorstandschef Pierluigi Antonelli im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Der ehemalige Novartis- und MSD-Manager führt seit März 2019 den Pharmazweig der Angelini Gruppe, die neben Hygieneprodukten auch Maschinen, Wein sowie Parfüm herstellt und von Familienoberhaupt Francesco Angelini gemeinsam mit Tochter Thea Paola Angelini und Schwiegersohn Sergio Marullo di Condojanni geführt wird.Amuchina wurde bis in die 70er Jahre weiterentwickelt als Desinfektionsmittel für chirurgische und medizinische Geräte, etwa in der Dialyse. Damit war das Potenzial für die Angelini Group, die heute mit 6 000 Beschäftigten 1,7 Mrd. Euro Umsatz macht, aber noch nicht ausgereizt. Nach der Cholera-Epidemie in den 80ern in Süditalien wurde Amuchina das meistverwendete Desinfektionsmittel bei Obst und Gemüse und ist heute Schirmmarke für diverse Produkte – darunter klinische Desinfektion, Reinigungsmittel und Handdesinfektionsgel. “Gerade Letzteres ist angesichts der Corona-Pandemie in Italien heiß begehrt und meist ausverkauft”, berichtet Antonelli. Rückenwind durch CoronaMit diesem unerwarteten Rückenwind verfolgt Angelini eine Wachstumsstrategie. “Wir wollen uns von einem Unternehmen, das in Italien lange etabliert ist, zu einem international vertretenen Konzern wandeln”, sagte Antonelli. Die Abteilung für Forschung soll ausgebaut werden, um eigene innovative Produkte zu entwickeln und weniger Nachahmermedikamente einzusetzen.”Der Anteil der Forschungsausgaben soll von 4 auf 15 % des Umsatzes wachsen”, sagte Antonelli. Das wären rund 135 Mill. Euro. Denn 2019 lag der Umsatz bei 902 Mill. Euro. Zusätzlich ist Wachstum durch Übernahmen oder Kooperationen mit außereuropäischen Unternehmen geplant. Drei weitere Angebote sind in Vorbereitung. Geld ist dafür genug in der Kasse des Unternehmens: Nach den letzten öffentlichen Angaben für Ende 2019 lag der Cash-Bestand bei 800 Mill. Euro.Antonelli will die Präsenz auf dem deutschen Markt stärken, inklusive des Erwerbs von Marken und Produkten. “Das können wir aus eigener Kraft stemmen. Wir müssen kein frisches Eigenkapital über einen Börsengang einsammeln”, sagte der Manager. Neben Deutschland will Angelini Pharma vor allem in Großbritannien, Frankreich und Skandinavien wachsen.Derzeit gibt es die Produkte von Angelini Pharma in 70 Ländern zu kaufen, primär über Vertriebspartner. In Deutschland lief der Vertrieb bis vor kurzem über Österreich unter der Marke “Tantum Verde”. Erst 2019 gründete Angelini eine Tochtergesellschaft in Deutschland. Jetzt beginnt der Ausbau der Niederlassung in München. Startschuss war die Einstellung des Johnson-&-Johnson-Managers André Kindling als Country Manager Germany. Angelini Pharma ist im deutschen Markt mit einer Reihe von Produkten und Marken vertreten, diese umfassen Boxagrippal und Heumann Tee, die im Oktober 2019 erworben wurden, sowie Tantum Verde. Thermacare übernommenIm März 2020 erwarben die Italiener zudem die Rechte an der Wärmepflaster-Marke Thermacare in Deutschland sowie weltweit, außer in den USA. Mit der Produktakquisition will Angelini sowohl das OTC-Geschäft stärken als auch die Präsenz von Angelini Pharma in Deutschland und Österreich. Als direkte Wettbewerber gelten das dänische Pharmaunternehmen Lundbeck sowie das zu Johnson & Johnson gehörende Pharmaunternehmen Janssen-Cilag, im Consumer-Bereich ist es die britische Reckitt Benckiser Gruppe.Thermacare wurde verkauft, weil Pfizer ihre OTC-Sparte in ein Joint Venture mit GlaxoSmithKline (GSK) einbringen will. Weil die beiden Konzerne im Bereich der Schmerzmittel zur äußerlichen Anwendung mit Voltaren bereits einen Top-Seller im Portfolio haben, stimmte die EU-Kommission dem Deal nur unter der Maßgabe zu, dass Thermacare abgegeben wird.