RECHT UND KAPITALMARKT

Angepasst, aber auch angemessen?

Bereinigungen von Unternehmenskennzahlen geraten zunehmend ins Visier von Regulatoren und Aufsicht

Angepasst, aber auch angemessen?

Von Gabriele Apfelbacher und Manuel Metzner *)Die Verwendung von sogenannten Non-GAAP Financial Measures durch börsennotierte Unternehmen im Rahmen ihrer Finanzberichterstattung ist weit verbreitet. Unter Non-GAAP Financial Measures versteht man Finanzkennzahlen, die ein Unternehmen in Bezug auf seine finanzielle Leistung, Finanzlage oder Cash-flows offenlegt, bei denen es sich aber nicht um Kennzahlen handelt, die nach IFRS (oder nationalen Rechnungslegungsvorschriften) definiert sind. Non-GAAP Financial Measures gehen häufig von normierten IFRS- (bzw. GAAP-)Kennzahlen aus, passen diese aber durch Hinzu- oder Hinwegrechnung bestimmter Posten an, beispielsweise zur Bereinigung der IFRS-Ergebnisgröße von Einmaleffekten. Auch angepasste Angaben zum Cash-flow (Free Cash-flow) oder zum Working Capital (Net Working Capital) werden verwendet. Frage der SystematikSolche Anpassungen sind insbesondere dann problematisch, wenn sie keiner systematischen, konsistenten und nachvollziehbaren Berechnungsmethodik folgen und die tatsächliche Lage dadurch verzerrt oder gar verschleiert dargestellt wird. Andererseits können Non-GAAP Financial Measures auch zu einer Verbesserung der Transparenz beitragen. So können beispielsweise um Einmaleffekte bereinigte Ergebniskennzahlen Investoren wichtige Hinweise auf die Nachhaltigkeit und die Entwicklung des operativen Ergebnisses geben.Non-GAAP Financial Measures finden sich insbesondere auch in der freiwilligen Kapitalmarktkommunikation von Unternehmen, zum Beispiel in Pressemitteilungen oder Analystenpräsentationen. Gerade im Rahmen solcher Veröffentlichungen, die anders als Jahresabschlüsse keiner Prüfung durch Wirtschaftsprüfer und anders als Wertpapierprospekte keiner Billigung durch die BaFin unterliegen, mag die Versuchung naheliegen, das Zahlenwerk aus den Abschlüssen durch die Verwendung passender Non-GAAP Financial Measures in einem besonders positiven Licht erscheinen zu lassen.Obwohl bereits in der Vergangenheit Regeln für die Verwendung von Non-GAAP Financial Measures in bestimmten Veröffentlichungen bestanden, sind Non-GAAP Financial Measures aktuell auch im Visier von Regulatoren und Aufsicht. So hat die Internationale Vereinigung von Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) am 7. Juni 2016 ihre Leitlinien zu Non-GAAP Financial Measures veröffentlicht, die die Vorgängerversion aus dem Jahr 2002 ablösen. Europäische Emittenten müssen zudem seit dem 3. Juli 2016 in Bezug auf Wertpapierprospekte sowie bestimmte Veröffentlichungen, die der Transparenzrichtlinie oder der Marktmissbrauchsverordnung unterfallen, die Leitlinien der ESMA zu alternativen Leistungskennzahlen vom Mai 2015 beachten.Am 17. Mai 2016 hat auch die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC neue Auslegungshilfen zur Verwendung von Non-GAAP Financial Measures veröffentlicht, die eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Aufsichtspraxis bedeuten. Der Regelverschärfung gingen mehrere kritische Aussagen von hochrangigen Vertretern und eine verschärfte Aufsichtspraxis der SEC in Bezug auf die Verwendung von Non-GAAP Financial Measures voraus.Während die Leitlinien der ESMA zu alternativen Leistungskennzahlen nur für bestimmte “regulierte” Veröffentlichungen von Emittenten gelten (insbesondere Lageberichte, Ad-hoc-Mitteilungen, Prospekte) (und innerhalb dieses Anwendungsbereichs Vorrang gegenüber den IOSCO-Leitlinien haben), gelten die Leitlinien der IOSCO auch für freiwillige Kapitalmarktpublizität, wie etwa Pressemitteilungen, Analystenpräsentationen, Angaben auf der Website sowie sonstige Mitteilungen an Aktionäre und Marktteilnehmer.Die IOSCO-Leitlinien, die in ihren wesentlichen Grundzügen den ESMA-Leitlinien entsprechen, sehen folgende Grundprinzipien vor:(1) Non-GAAP Financial Measures sind klar zu definieren und zu erläutern. Sie sind aussagekräftig zu bezeichnen, so dass bereits in der Bezeichnung ihr Inhalt und die Grundlage für ihre Berechnung erkennbar wird. Zudem ist die Bezeichnung so zu wählen, dass sie sich von den normierten IFRS- (bzw. GAAP-)Kennzahlen unterscheiden. Zu erläutern ist des Weiteren, warum das Unternehmen die Kennzahl verwendet und worin der Informationsgewinn für Anleger besteht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Kennzahl keine standardisierte Definition zugrunde liegt und deshalb keine Vergleichbarkeit zu von anderen Unternehmen verwendeten Kennzahlen gegeben ist.(2) Non-GAAP Financial Measures dürfen nicht verwendet werden, um nachteilige Informationen zu verschleiern. (3) Non-GAAP Financial Measures dürfen nicht prominenter dargestellt werden als die direkt aus den Finanzabschlüssen stammenden IFRS- (bzw. GAAP-)Kennzahlen. (4) In Bezug auf Non-GAAP Financial Measures ist eine klare und genaue Überleitung auf die vergleichbare IFRS- (bzw. GAAP-)Kennzahl offenzulegen. Die einzelnen Anpassungen sind quantitativ anzugeben und zu erläutern. Auch die Anpassungen selbst sind auf entsprechende Angaben im IFRS- (bzw. GAAP-)Abschluss überzuleiten; sollte das nicht möglich sein, ist ihre Berechnungsweise offenzulegen.(5) Non-GAAP Financial Measures sind über die Vergleichsperioden hinweg konsistent offenzulegen. Ihre Definition und Berechnungssystematik muss dabei periodenübergreifend konsistent verwendet werden. Ändert der Emittent die Definition, ist zu erläutern, aus welchem Grund und auf welche Weise sich die Definition und die Berechnungssystematik ändern. Zudem sind für die Vorjahreswerte entsprechend angepasste Werte anzugeben, die die geänderte Definition zugrunde legen. Beendet ein Emittent die Veröffentlichung bestimmter Non-GAAP Financial Measures, sind die Gründe dafür zu erläutern.(6) Wiederkehrende Effekte dürfen nicht als Einmaleffekte beschrieben und entsprechend angepasst werden. IOSCO weist explizit darauf hin, dass nach Einschätzung von IOSCO insbesondere Restrukturierungsaufwendungen und Verluste aus Wertminderungen ganz überwiegend nicht als Einmaleffekte qualifizieren und daher nicht als einmalig, allenfalls sporadisch auftretend oder außergewöhnlich dargestellt und behandelt werden sollten. (7) Die Informationen, die Emittenten zur Erläuterung von Non-GAAP Financial Measures verwenden, müssen für Investoren leicht zugänglich sein, entweder durch Aufnahme in das Dokument, das auch die Non-GAAP Financial Measures enthält, oder durch separate Veröffentlichung der Quelle, auf die verwiesen wird.Die BaFin berücksichtigt die ESMA-Leitlinien, die im Wesentlichen den IOSCO-Leitlinien entsprechen, in ihrer Aufsichtspraxis in Bezug auf “regulierte” Veröffentlichungen. Die IOSCO-Leitlinien reflektieren Best Practice gerade auch bei freiwilliger Kapitalmarktkommunikation, so dass sich die Einhaltung der dargestellten Grundsätze Emittenten schon im Interesse guter Kapitalmarktkommunikation empfiehlt. Transparenz entscheidendUnternehmen, deren Wertpapiere an einem regulierten Markt zugelassen sind oder die eine Zulassung anstreben, sollten daher bereits in der anstehenden Zwischenberichtssaison prüfen, ob etwaige für die “regulierten” Veröffentlichungen (z. B. Zwischenlagebericht, Ad-hoc-Mitteilungen) und damit im Zusammenhang stehenden freiwilligen Veröffentlichungen (z. B. Pressemitteilungen oder Analystenpräsentationen) geplante Non-GAAP Financial Measures den dargestellten Leitlinien entsprechen und einen echten Transparenzgewinn bedeuten. So sollten wiederkehrende Effekte nicht als Einmaleffekte dargestellt werden und auch keine entsprechenden Anpassungen vorgenommen werden.Vorsicht ist besonders im Hinblick auf Anpassungen für Restrukturierungskosten oder andere reguläre cashwirksame operative Kosten geboten.Übermäßig komplexe oder gehäufte Non-GAAP Financial Measures sind grundsätzlich zu vermeiden. Jedenfalls sollten transparente und aussagekräftige Überleitungsrechnungen aufgenommen, Non-GAAP Financial Measures immer zusammen mit den entsprechenden IFRS- (bzw. GAAP-)Kennzahlen dargestellt und dabei den Non-GAAP Financial Measures keine übermäßige Prominenz eingeräumt werden.—-*) Dr. Gabriele Apfelbacher ist Partnerin, Manuel Metzner Counsel der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton.