Anlagenbau von Linde hat schweren Stand
Linde bereitet die Ausgliederung des Anlagenbaus vor. Das Segment leidet seit zwei Jahren an einer Nachfrageschwäche. Ob sich im Fall einer Fusion auch der US-Partner Praxair auf Dauer von den Synergien mit dem Gasegeschäft überzeugen lässt, ist fraglich.Von Joachim Herr, München und Daniel Schauber, FrankfurtKurz vor Weihnachten ist das Schlimmste für die 500 Beschäftigten in Dresden abgewendet: Linde hatte erwogen, diesen Standort des Anlagenbaus zu schließen. Doch die geplante Fusion mit dem US-Konzern Praxair verbessert die Perspektiven, denn die Amerikaner konzentrieren sich auf das Geschäft mit Industriegasen und vergeben Aufträge für Anlagen an Dritte. Bald könnte dies Linde sein. Die aus den USA weitergeleiteten Bestellungen würden dann für eine höhere Auslastung der Kapazitäten sorgen – auch in Pullach bei München, dem Hauptstandort des Anlagenbaus. Dort stand zunächst ein Fünftel der rund 3 300 Stellen auf der Kippe.Dennoch: Linde setzt das Effizienzprogramm “Lift” fort, wie Vorstandschef Aldo Belloni am Dienstag in einem Schreiben den Mitarbeitern ankündigte. Es werden also Stellen gestrichen, wenn auch nicht so viele wie ohne eine Fusion. Zahlen nennt Linde bisher nicht.Belloni hatte noch eine andere Neuigkeit: “Es ist zudem vorgesehen, unsere Engineering Division in eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft von Linde zu überführen” (vgl. BZ vom 21. Dezember). Damit werde das Geschäft dieser Division, der Anlagenbau, als bevorzugter Lieferant des Gasegeschäfts von Linde gesichert. Was daraus in einigen Jahren wird – Verkauf, Börsengang mit Minderheitsbeteiligung – ist freilich offen.In dem oligopolistischen Industriegasemarkt haben nur die beiden Größten, Air Liquide und Linde, Anlagen im Angebot – zum Beispiel für die Petrochemie und Erdgasbranche, zum Zerlegen von Luft und für die Produktion von Wasserstoff. Air Liquide hatte 2007 den Frankfurter Großanlagenhersteller Lurgi übernommen. Linde baute bisher rund 4 000 Anlagen. Aus einer HandStets betont Linde die Synergien der zwei Segmente: Den Kunden könne beides aus einer Hand geliefert werden, über das Engineering lasse sich mancher Aufrag zum Betreiben einer Anlage gewinnen, und das Wissen der Verfahrenstechnik sei im eigenen Haus. Ob der Partner Praxair das ähnlich sieht, ist die Frage – zumal wenn er trotz der angestrebten Fusion unter Gleichen die Oberhand gewinnen wird (vgl. BZ vom 14. Dezember). Schließlich soll Praxair-Chef Stephen Angel der CEO eines gemeinsamen Konzerns werden.Dass die Umsatzrendite im Anlagenbau deutlich niedriger ist, liegt vor allem an der höheren Kapitalintensität. Das Gasegeschäft von Linde erzielte zuletzt eine operative Marge von mehr als 28 %. Im Anlagenbau bröckelt der Wert, vor allem da sich Kunden wegen des niedrigen Ölpreises mit Investitionen zurückhalten und das Geschäft schrumpft (siehe Grafik). 2013 hatte die Sparte noch eine Marge von 11,1 % erzielt. Aktuell liegt Linde aber immer noch über dem Branchendurchschnitt von 6 %.Der Auftragseingang stieg zwar zuletzt deutlich dank des zweiten Teils eines russischen Großauftrags. Doch der Bestand war Ende September mit 4,27 Mrd. Euro 6 % niedriger als neun Monate zuvor. Vom Konzernumsatz machte der Anlagenbau 2015 gut 14 % aus. Rund 7 000 Mitarbeiter beschäftigt die Sparte, Linde insgesamt mehr als 65 000.Konkurrenten sind neben Air Liquide etwa Bechtel in den USA, Technip in Frankreich sowie Samsung und Daelim in Südkorea. Linde steht – wie viele deutsche Großanlagenbauer – vor allem in Schwellenländern unter starkem Konkurrenzdruck. Die Münchner reagieren seit Jahren mit regionalen Kooperationen, unter anderem mit Samsung im hart umkämpften Markt in Asien/Pazifik. Mit den Koreanern hat Linde bereits fünf Aufträge für Ethylenanlagen im Weltmarktformat in China, Thailand, Malaysia, Saudi-Arabien und Indien gewonnen. Kooperation mit RisikoIm Großanlagenbau machen vor allem koreanische, chinesische und zunehmend auch indische Anbieter den etablierten westlichen Playern das Leben schwer. Zudem drängen im Petrochemieanlagenbau US-amerikanische Ölfeldservice- und Bauunternehmen stärker auf den Markt. Die Anbieter aus Fernost sind dafür bekannt, bei niedrigen Preisen mittlerweile auch hohe Qualität zu liefern und in der Projektabwicklung höhere Risiken als die Europäer einzugehen. Die Lobby des deutschen Anlagenbaus befürchtet, dass sich die Angreifer aus Fernost auch in den USA und Europa daranmachen, die Märkte aufzurollen. Um dem zu begegnen, müssten sich die Anbieter aus dem Westen verbünden.Die Strategie von Linde, sich mit dem prominenten Angreifer aus Korea zusammenzutun, gilt in der Branche nicht als risikolos, denn der Partner kann sich im Projekt die Technik von den Deutschen abschauen und dann auch allein die Nähe zum Kunden suchen. “Je häufiger Sie mit einem Partner in Konsortien arbeiten, desto mehr wächst er bei Technologiekompetenz und Kundenbindung”, hatte der heutige Linde-Chef Belloni einst auf einem Kongress der Anlagenhersteller gesagt.