Enttäuschender Apple-Absatz

Anleger konzentrieren sich wieder auf Kerngeschäfte der Tech-Riesen

Trotz des Hypes um künstliche Intelligenz und virtuelle Realität konzentrieren sich die Anleger wieder verstärkt auf die Kerngeschäfte der Tech-Konzerne. Bei Amazon wirkt sich dies positiv auf den Kurs aus, bei Apple herrscht Enttäuschung.

Anleger konzentrieren sich wieder auf Kerngeschäfte der Tech-Riesen

Anleger fokussieren sich auf Kerngeschäft von Apple

Nach Hype um virtuelle Realität rücken schwache iPhone-Verkäufe in den Fokus – Erholung im E-Commerce beschert Amazon unerwartet hohen Gewinn

xaw New York

Während die Technologieriesen gewaltige Summen in Zukunftsfelder wie künstliche Intelligenz und virtuelle Realität pumpen, rücken bei den Anlegern wieder die jeweiligen Kerngeschäfte in den Fokus. So herrscht an der Wall Street Enttäuschung über den iPhone-Absatz von Apple: Der Konzern aus Cupertino erlöste über Verkäufe seines Flaggschiff-Produkts im dritten Geschäftsquartal 39,7 Mrd. Dollar und damit 2,4% weniger als in der Vorjahreszeit – Analysten hatten im Konsens mit 40,2 Mrd. Dollar gerechnet.

Im Zusammenspiel mit einer deutlich schwächeren Absatzentwicklung bei anderen Produkten wie dem iPad und Mac-Laptops und -Festplatzrechnern führte dies dazu, dass der Gesamterlös von Apple im dritten aufeinanderfolgenden Quartal zurückging. Gegenüber der Vorjahreszeit fiel er um 1,4% auf 81,8 Mrd. Dollar. Zuletzt hatte Apple 2016 drei aufeinanderfolgende Quartale mit rückläufigem Umsatz vermeldet. Bei Investoren wachsen nun die Befürchtungen, dass die anhaltend hohe Inflation und die Zinsanstiege noch länger auf der Smartphone- und Computernachfrage lasten.

Starke Service-Erlöse

Dass Apple mit einem Nettogewinn von 19,88 Mrd. Dollar die Markterwartungen übertraf, milderte die Enttäuschung über die Hardware-Schwäche dabei ebenso wenig wie eine starke Entwicklung der Service-Erlöse. Diese erreichten mit 21,2 Mrd. Dollar einen Rekordwert. Inzwischen verfügt der Konzern laut CEO Tim Cook über mehr als 1 Milliarde zahlender Abonnenten für seine Musikstreaming- und TV-Angebote sowie Software aus dem App Store. Dies bedeutet einen Zuwachs von 150 Millionen gegenüber dem Vorjahr und eine Verdopplung im Vergleich zum vor drei Jahren erreichten Niveau. Finanzchef Luca Maestri bezeichnete die Service-Erlöse gegenüber dem „Wall Street Journal“ als „führenden Indikator für die Stärke und Gesundheit unseres Ökosystems“. Die Entwicklung zeige, dass sich die Kunden sehr intensiv mit den Produkten des Konzerns auseinandersetzten.

Dennoch stand die Apple-Aktie – der schwerste und am höchsten gewichtete Wert im S&P 500 – im nachbörslichen Handel am Donnerstag unter Druck, nach Eröffnung an der Wall Street am Freitag ging es zeitweise um mehr als 3% abwärts. Denn die gedrückte Nachfrage nach den Hardware-Produkten des Konzerns verstärkt die Sorgen darüber, wie die erste große Produktneuheit von Apple seit fast einem Jahrzehnt im Markt angenommen wird. Im Juni stellte der Konzern das Virtual-Reality-Headset Vision Pro vor, mit dem Nutzer digitale Objekte und Anwendungen in die reale Umgebung einblenden können. Der Markstart ist für Anfang des kommenden Jahres vorgesehen.

Teures Zukunftsprodukt

Anwender sollen das Headset, das optisch an eine Skibrille erinnert, mit Handbewegungen, ihrer Stimme und ihren Augen steuern können. Einsatzbereich der Vision Pro sollen wohl hauptsächlich Wohnzimmer und Büros sein. So wartet die VR-Brille einerseits mit einem umfangreichen Unterhaltungsangebot auf – darunter ein virtueller Bildschirm für Videospiele und ein angeblich dreidimensionales TV-Erlebnis, dessen Inhalte der Entertainment-Riese Disney liefern soll. Andererseits sieht Apple die Vision Pro wohl als Arbeitsgerät, da sich darüber verschiedene Apps und Bildschirme nebeneinander steuern ließen.

Allerdings ist das Headset mit 3.499 Dollar weitaus höher bepreist als Konkurrenzprodukte. Folglich fallen die an der Wall Street herumgereichten Absatzprognosen gedämpft aus: Im ersten Jahr dürften die Lieferungen nach Analystenschätzungen bei unter 1 Millionen Stück liegen, einen nennenswerten Beitrag zum Umsatz werde die Vision Pro so schnell nicht leisten. Der Marktforscher Inside Intelligence merkte bereits bei der Produktvorstellung an, dass Apple zwar daran gearbeitet habe, die VR-Brille so stark wie möglich in die reale Umgebung zu integrieren, sie sei aber eben immer noch ein Headset. Und dass Kunden Elektrogeräte auf dem Kopf tragen wollten, habe auch der Konzern aus Cupertino in der Vergangenheit in Abrede gestellt.

Abgeflauter VR-Enthusiasmus

Allgemein ist der Enthusiasmus für virtuelle Realität zuletzt deutlich abgeflaut. Beim Social-Media-Riesen Meta Platforms wecken die wachsenden Ausgaben für das Metaverse die Sorgen von Analysten. Die Investitionsausgaben der Facebook-Mutter für die Entwicklung virtueller Welten sollen im kommenden Jahr deutlich anziehen. Für das abgelaufene Quartal vermeldete die Sparte Reality Labs, die den Aufbau des Metaverse vorantreiben soll, einen Umsatzrückgang um 38,9% auf 276 Mill. Dollar. Der operative Verlust der Abteilung soll sich nach Unternehmensangaben bereits im laufenden Jahr ausweiten und 2024 “bedeutend” steigen. Auch die Ausgabenprognose für das laufende Jahr hat Meta zuletzt deutlich angehoben.

Positive Trends

Im Gegensatz zu den Apple-Zahlen nahmen die Anleger die jüngsten Quartalsergebnisse der Facebook-Mutter aber erfreut auf. Denn die Werbeeinnahmen von Meta erholten sich zuletzt kräftiger als erwartet und trieben den Konzernumsatz an. Der Plattformbetreiber gab darauf auch eine unerwartet starke Erlösprognose für das laufende Quartal ab. Auch die Google-Mutter Alphabet verwies bei ihrer Zahlenvorlage zum abgelaufenen Vierteljahr auf eine robuste Entwicklung im Werbemarkt als Treiber für unerwartet hohe Erlöse im zentralen Suchmaschinengeschäft und rief damit eine positive Kursreaktion hervor.

Amazon im Aufwind

Für viele Vertreter des Tech-Segments birgt die erneute Fokussierung der Investoren auf die jeweiligen Kerngeschäfte also vorteilhafte Effekte. Dies zeigt sich auch bei Amazon: Der Konzern aus Seattle vermeldete für das zweite Quartal am Donnerstag nach einem Verlust von 2 Mrd. Dollar in der Vorjahreszeit einen Nettogewinn von 6,75 Mrd. Dollar, wobei sich eine Erholung im Retail-Onlinehandel und die Kosteneinsparungen der vergangenen Monate als Stütze erwiesen. Damit fiel der Überschuss fast doppelt so hoch aus wie von Analysten erwartet. Auch der Umsatzanstieg um 11% auf 134,4 Mrd. Dollar übertraf die an der Wall Street kursierenden Prognosen. Für die Amazon-Aktie ging es darauf im frühen New Yorker Handel am Freitag zeitweise um 9,4% in die Höhe.

Dabei goutierten die Anleger auch den Ausblick für das dritte Quartal. Zwischen Juli und September erwartet Amazon einen Umsatz zwischen 138 und 143 Mrd. Dollar, wobei der Konzern auch Wechselkurseffekte als Treiber sieht. Analysten hatten im Durchschnitt mit 138,3 Mrd. Dollar gerechnet. Bezüglich der Prognose für den operativen Gewinn wurden an der Wall Street zuvor 5,41 Mrd. Dollar gehandelt, Amazon rechnet nun mit einem Wert zwischen 5,5 und 8,5 Mrd. Dollar. Gegenüber dem dritten Quartal 2022 würde dies eine Steigerung um 120 bis 240% bedeuten.

Investitionen in Logistik

CEO Andy Jassy, der Unternehmensgründer Jeff Bezos 2021 ablöste, hat seit seinem Amtsantritt nicht nur tausende Stellen gekürzt, sondern auch stärker fokussiert ins Kerngeschäft investiert – zuletzt vor allem ins Logistiknetz. Am Montag kündigte Amazon an, die Zahl der sogenannten „Same-Day Center“ zu verdoppeln, in denen besonders gefragte Artikel wie Körperpflegemittel und Elektrogeräte für die taggleiche Lieferung bereitgehalten werden.

Voraus gingen bereits in den vergangenen Monaten umfangreiche Änderungen, mit denen der Konzern Lieferzeiten zu verkürzen und Lagerbestände effektiver zu managen sucht. Auch die Suchfunktion auf der Plattform hat Amazon überarbeitet, so dass Produkte mit kürzerer Lieferstrecke bevorzugt angezeigt werden. Von der Reform des Logistiknetzes verspricht sich der Online-Gigant Umsatzsteigerungen. Denn die höhere Liefergeschwindigkeit steigere die Kauflaune der Kunden, betonen Amazon-Manager.

Hoher Drittparteien-Anteil

Zugleich ist der Anteil der Produkte von unabhängigen Händlern auf der E-Commerce-Plattform laut CFO Brian Olsavsky im abgelaufenen Quartal auf den Höchstwert von 60% geklettert. Dies trug zum Anstieg der Erlöse aus Dienstleistungen für externe Verkäufer um 18% auf 32,3 Mrd. Dollar bei. Die Werbeerlöse zogen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22% auf 10,7 Mrd. Dollar an. Für Amazon zählt das Geschäft mit Anzeigen und Drittparteien-Services zu den besonders profitablen Einnahmequellen.

Wermutstropfen für den Online-Giganten ist indes das weiter verlangsamte Wachstum der Sparte Amazon Web Services. Die Erlöse der Cloud-Einheit legten zwar um 12% auf 22,1 Mrd. Dollar und damit stärker als an der Wall Street erwartet zu. Damit fiel der Anstieg aber nicht nur im sechsten aufeinanderfolgenden Quartal schwächer aus als im vorherigen Vierteljahr, sondern sogar so schwach wie nie. Analysten verweisen zur Begründung auf die anhaltend vorsichtige Ausgabenpolitik von Firmenkunden in Reaktion auf die angespannte Liquiditätssituation an den globalen Märkten.

Auch Microsoft vermeldete zuletzt ein schwächeres Wachstum der Cloud-Sparte. Weil diese als maßgeblicher Erlöstreiber des Windows-Konzerns gilt, reagierten die wieder auf das Kerngeschäft fokussierten Tech-Investoren darauf beunruhigter als bei Amazon.

Trotz des Hypes um künstliche Intelligenz und virtuelle Realität konzentrieren sich die Anleger wieder verstärkt auf die Kerngeschäfte der US-Technologiekonzerne. Bei Amazon wirkt sich eine Erholung im E-Commerce positiv auf den Kurs aus, bei Apple herrscht Enttäuschung über schwache iPhone-Verkäufe.