Medizintechnik

Anleger lassen Healthineers fallen

Siemens Healthineers registriert trotz florierendem Kerngeschäft heftigen Gegenwind. Der Konzern schreibt das einst zugekaufte Robotergeschäft von Corindus teilweise, und die Sparte Labordiagnostik läuft schlechter als geplant. Die Gewinnprognose wird vorsichtiger formuliert. Der Aktienkurs sank deutlich.

Anleger lassen Healthineers fallen

Anleger lassen Healthineers fallen

Corindus-Abschreibung und Labordiagnostik-Zielverfehlung führen zu Kursrückgang von 6 Prozent – Prognose bestätigt

mic München

Siemens Healthineers registriert trotz florierenden Kerngeschäfts heftigen Gegenwind. Der Konzern schreibt das einst zugekaufte Robotergeschäft von Corindus teilweise ab, und die Sparte Labordiagnostik läuft schlechter als geplant. Die Gewinnprognose wird vorsichtiger formuliert. Der Aktienkurs sank um 5,7%.

Siemens-Healthineers-Vorstandsvorsitzender Bernd Montag zeigte sich in einer Telefonpressekonferenz demonstrativ zufrieden mit den Zahlen: „Mit einem beeindruckenden zweistelligen Umsatzwachstum war das zweite Quartal ein erfolgreiches Quartal.“ Das Wachstum bei den Neugeräten betrage 20%, deren Auftragseingang liege sogar darüber. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis ohne die Antigen-Schnelltests um 11,2% auf 5,3 Mrd. Euro. Für den Rückenwind sorgte vor allem die Region China, in der Healthineers auch dank staatlicher Förderprogramme ein Plus von 25% registrierte. Inklusive Schnelltests, mit denen Healthineers wie angekündigt nur noch 4 Mill. Euro erlöste, nach 678 Mill. Euro im Vorjahresquartal, sank der Umsatz um 2,5%.  

Trotzdem ging die Healthineers-Aktie mit einem Kursabschlag von 5,7% auf 53,32 Euro aus dem Xetra-Handel. Mit großem Abstand war Siemens Healthineers schlechtester Wert im Dax. Die Investoren reagierten damit auch auf die präzisierte Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 (30. September). Finanzvorstand Jochen Schmitz erklärte zwar, das vergleichbare Umsatzwachstum werde am oberen Ende der geplanten Bandbreite abschließen: −1 bis 1% (ohne Schnelltest-Erlöse 6 bis 8%). Damit traut sich der Konzern eine Fortsetzung der jüngsten Aufholjagd zu, denn in den ersten sechs Monaten sank der Umsatz um 3,5% (ohne Tests +5,9%).

Die Prognose für das – um Portfoliomaßnahmen und Personalabbau – bereinigte Ergebnis je Aktie fasste Schmitz jedoch pessimistischer: „Wir rechnen aus heutiger Sicht damit, das untere Ende der Bandbreite von 2,00 bis 2,20 Euro zu erreichen.“ Denn der Dollar und andere Währungen hätten sich seit der Prognose im November abgeschwächt. Der negative Effekt auf das Ergebnis je Aktie betrage mehr als 0,10 Euro.

Doch auch im operativen Geschäft gibt es leichte Abschwächungen gegenüber der ursprünglichen Planung. Schmitz erklärte, grundsätzlich würden sich die Margen im zweiten Halbjahr wie geplant im Vergleich zur ersten Jahreshälfte erhöhen. Er begründete dies damit, dass Preiserhöhungen mit der Abarbeitung von Aufträgen zunehmend durchschlügen. Er sei daher optimistisch, dass die Sparte Imaging ihr Margenziel von 21 bis 22,5% erreiche (erstes Halbjahr: 21,2%). Dies gelte auch für die Sparte Advanced Therapies mit ihrem Ziel von 13 bis 15% (erstes Halbjahr: 14,3%).

Varian-CEO geht

Dagegen wird Schmitz zufolge das zugekaufte Strahlentherapiegeschäft von Varian, das vom 1. Juni an von Siemens-Healthineers-Manager Arthur Kaindl statt vom zu einem Baxter-Spin-off wechselnden Varian-CEO Chris Toth geleitet wird, am unteren Ende der geplanten Margenspanne von 16 bis 18% landen. Er begründete dies damit, dass sich Preiserhöhungen aufgrund der längeren Lieferzeiten später in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zeigten. Varian habe zwar die Probleme bei einem der Zulieferer behoben, hieß es. Die verspäteten Systeme dann zügig zu den Kunden zu bringen, habe aber seinen Preis gehabt, sagte Schmitz. Die bereinigte Ebit-Marge sank im Halbjahr von 16,9% auf 14,5%.

Zu einer deutlichen Korrektur der Prognose sieht sich Siemens Healthineers für die Sparte Labordiagnostik gezwungen. Diagnostics werde nun bei −4 bis 0% landen nach −6% im ersten Halbjahr. Bisher waren 0 bis 3% avisiert worden. Schmitz verwies auf einen ungünstigeren regionalen Umsatzmix durch Einbußen im ersten Halbjahr in China. Positiv wirkten sich erste Einsparungen infolge des Transformationsprogramms und das anziehende Wachstum aus. Im Gesamtjahr soll die vergleichbare Umsatzentwicklung der Sparte (ohne Schnelltest-Geschäft) nun −2 bis +1% betragen. In den ersten sechs Monaten addierte sich der Rückgang auf 4,4%. Ursprünglich war im Geschäftsjahr ein Umsatzplus ohne Schnelltest-Erträge von 3 bis 5% geplant gewesen. Die Labordiagnostik-Sparte weist eine Historie anämischen Wachstums auf. Sie verfehlt ihre Ziele regelmäßig (siehe Grafik).

Montag betonte, die Mittelfristziele für die Sparte blieben gültig. Healthineers hatte im November 2021 angekündigt, der Umsatz solle bis zum Geschäftsjahr 2024/2025 vergleichbar um 4 bis 6 % jährlich wachsen – allerdings werde dieser Wert erst im Zeitablauf erreicht. Dies gilt auch für die Marge, die auf eine Prozentzahl im mittleren Zehnerbereich zulegen soll.

Montag betonte nun, die Labordiagnostik sei grundsätzlich ein attraktives Geschäft. Erste Effekte aus Kostensenkungen durch eine deutliche Vereinfachung der Organisation seien schon in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten: „Das Diagnostik-Team dreht derzeit jeden Stein um, um die Potenziale des Geschäfts zu entwickeln.“ Das Geschäftsmodell werde vertikalisiert, um Ressourcen in Richtung Profit zu allokieren. Die Transformationskosten addieren sich in der ersten Jahreshälfte auf 111 Mill. Euro vor allem für eine Verschlankung des Portfolios.

Den Absturz der bereinigten Konzern-Ebit-Marge im zweiten Quartal von 17,9 auf 12,7% begründete Schmitz einerseits mit dem Auslaufen des Antigen-Geschäfts. Dies habe 4 Prozentpunkte gekostet. Weitere 2 Prozentpunkte resultierten aus den Transformationskosten der Sparte Labordiagnostik (77 Mill. Euro) und den höheren Beschaffungskosten. Das bereinigte Ergebnis je Aktie wäre ohne diese Belastungen um 11% gestiegen und hätte sich damit entsprechend dem Umsatzwachstum entwickelt, betonte Schmitz.

Ein weiterer Fehlschlag zeigt sich, so will es die Healthineers-Logik der Bereinigungen, nur im Nettoergebnis. Der Gewinn sank im zweiten Quartal um 81% auf 108 Mill. Euro, weil 329 Mill. Euro und damit ein Drittel des Kaufpreises des vor vier Jahren erworbenen Roboter-Spezialisten Corindus abgeschrieben werden. Weitere materiellen Aufwand erwarte er nicht, sagte Schmitz.

„Die Nutzung der Technologie in der Kardiologie hat unsere ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllt“, begründete Montag die Abschreibungen. Die Kardiologie sei stark von Routineeingriffen geprägt, es gebe keinen so hohen Bedarf
an Robotern. Eine niedrige dreistellige Roboter-Zahl steht bei den Kunden, sie sollen nun nach Möglichkeit zurückgeholt werden.

Die endovaskuläre Robotik-Lösung werde nun, wie ursprünglich bereits als Ziel geplant, in der Neurologie angewandt – etwas bei Schlaganfällen, sagte Montag. Die Entwicklung soll eine Vielzahl von Jahren dauern und dürfte einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Die bisherige Kostenbelastung des Segments Advanced Therapies werde sich aber vom nächsten Geschäftsjahr an halbieren, sagte Schmitz.

mic München
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